Vor dem Terroranschlag am 7. Januar 2015 hatte «Charlie Hebdo» ein paar tausend Abonnenten und schrieb rote Zahlen. Dann kam der «Geldsegen», getragen durch die weltweite Solidarität:
Zusammengerechnet über 30 Millionen Euro – ein Dilemma für die Macher der französischen Satirezeitschrift, und nicht nur, weil das Blut ihrer Kollegen an dem Geld klebt. Laut dem Wall Street Journal kam es weniger als zwei Wochen nach dem Anschlag zu einem Streit auf der Redaktion: Mitarbeiter forderten, die Zeitung in eine Genossenschaft umzuwandeln, um über die Verwendung der Millionen mitentscheiden zu können. «Kommt nicht in Frage», soll der neue Chefredaktor Laurent «Riss» Sourisseau erwidert haben. Wenig später verliess er die Sitzung wutentbrannt.
Sourisseau hält 40 Prozent der Aktien von «Charlie Hebdo», ebenso wie sein getöteter Vorgänger Stéphane «Charb» Charbonnier. Die restlichen 20 Prozent gehören Finanzchef Éric Portheault. Die beiden überlebenden Eigentümer haben sich bisher nicht öffentlich zur Forderung ihrer Kollegen nach Mitbeteiligung geäussert. «Wie kann man eine solche Entscheidung treffen, wenn man nachts noch immer von Albträumen heimgesucht wird», sagt Christophe Thevenet, der langjährige Anwalt der Satirezeitschrift. Bis Charbonniers 40-Prozent-Anteil an dessen Eltern übergeht, werde die Diskussion auf Eis gelegt.
Gleichzeitig versichert Thevenet, dass in den nächsten drei Jahren keine Dividenden ausbezahlt werden. Der Nachtrag kommt nicht von ungefähr: Als «Charlie Hebdo» 2006 die dänischen Mohammed-Karikaturen abdruckte, schnellten die Einnahmen ebenfalls in die Höhe. Damals beschlossen die Eigentümer, sich den Geldsegen von 825'000 Euro über Dividenden selbst auszuzahlen. «Das war ein Skandal für eine linke Zeitschrift», sagt der langjährige «Charlie Hebdo»-Kolumnist Patrick Pelloux. Wie wenn sich jemand als umweltbewusst gibt und dann einen SUV fährt.
Wie viel am Schluss von den Millionen wirklich übrig bleibt, ist ohnehin fraglich. Die Spenden sollen den Angehörigen der Opfer zugute kommen. Ausserdem plant die Zeitung, neue Redaktionsräume zu beziehen und mit ausgeklügelten Sicherheitsmassnahmen auszurüsten.