Sie nennen sich «Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» (Pegida) und sind nach eigenen Worten eine «Bürgerinitiative», die seit Wochen die Bevölkerung, Politik und Medien Deutschlands beschäftigt.
Die Pegida-Bewegung organisiert seit Herbst 2014 Demonstrationen in Dresden, jeweils an Montagen. Laufend kommen weitere deutsche Städte dazu. An der letzten Kundgebung nahmen 15'000 Menschen teil.
Gesicht und Initiator des Bündnisses ist Lutz Bachmann. Der 41-Jährige tritt auf den Demonstrationen als Redner auf und erschien mehrfach in den Medien. Bachmann ist vorbestraft: 1998 wurde er wegen Drogenhandels zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt und flüchtete für zwei Jahre nach Südafrika.
Wie sich die Pegida-Anhänger politisch einordnen, ist unklar. Die Bewegung wird mehrheitlich als rechtspopulistisch und rechtsextrem bezeichnet, es gibt aber auch Demonstrationsteilnehmer aus dem bürgerlichen und nationalkonservativen Lager.
Was soweit bekannt ist: Die Pegida-Anhänger wollen auf eine aus ihrer Sicht «verfehlte Einwanderungs- und Asylpolitik» aufmerksam machen. Die Bewegung fordert die Verhinderung einer «Islamisierung des Abendlandes», «Bewahrung und Schutz der deutschen Identität», «Pflicht zur Integration im Grundgesetz», Beschleunigung des Asylverfahrens sowie «Null-Toleranz-Politik» gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten.
Das Positionspapier von Pegida umfasst die folgenden 19 Punkte. Einige davon hat die «Münchner Abendzeitung» in einem lesenswerten Faktencheck zerpflückt.
Pegida macht ratlos. Soll man sie ignorieren, sich von ihr abgrenzen, oder einfach mit den Teilnehmern diskutieren?
Die Bewegung greife Ängste und Probleme der Bevölkerung auf, die Politiker vernachlässigen, sagt der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt. Das ist ein Steilpass für die Pegida-Anhänger, deren Sachforderungen diffus sind (gerade mal fünf Prozent der Bevölkerung Deutschlands sind muslimisch), die aber von schleichender Islamisierung poltern und «gehört werden wollen».
So schreibt etwa «Die Zeit»: «Sie wollen gehört werden, aber sie sprechen nicht gern, sie sehen sich als schweigende Mehrheit, aber sie sprechen nicht mit der Mehrheitsgesellschaft. Hier findet die ‹Das muss man doch mal sagen dürfen›-Fraktion eine virtuelle Heimstatt.» Bundespräsident Joachim Gauck sagte, Pegida sollte «nicht so viel Beachtung» finden. Es seien Chaoten und Strömungen, die wenig hilfreich sind.
Der Rechtsextremismus-Forscher Johannes Kiess von der Universität Leipzig sagte: Auch wenn sich die Organisatoren und Teilnehmer selbst nicht als Extremisten sähen, so seien ihre Ansichten dennoch rechtsextrem, also antidemokratisch und abwertend bestimmten Minderheiten gegenüber. Sie verbreiteten Äusserungen, die sich Vorurteilen bedienten oder stigmatisierend für die betroffenen Gruppen seien.
Andere Stimmen warnen davor, die Pegida-Anhänger zu dämonisieren. So etwa der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gegenüber der «Passauer Neuen Presse» sagte er: «Es gilt, Ängste abzubauen. Es bewirkt nichts, wenn wir pauschal diejenigen verteufeln, die da demonstrieren.»
Der Protest gegen die Pegida-Bewegung wächst – online wie offline.
Auf Facebook hat sich mit Pegida Watch eine Gegenbewegung formiert. Anzahl «Gefällt mir»-Klicks: Über 20'000. Unter den Hashtags #NoPegida und #NieWieDa äussern sich Bürger und Prominente gegen die Bürgerinitiative.
Auch offline findet der Protest statt: Das Bündnis «Dresden Nazifrei», die Studierendenschaften und die Technische Universität Dresden riefen bereits mehrmals zu Gegendemonstrationen unter dem Motto «Dresden für alle» auf. Auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich schloss sich dem Aufruf an.
Und morgen Abend gehts zur Demo nach München. Gegen Rassismus und Hetze. #niewieda http://t.co/QVZPkQN1fG pic.twitter.com/tTEY3RVtAr
— Matthias Strobel (@MatthiasStrobel) 21. Dezember 2014
An der bisher grössten Gegendemonstration am 8. Dezember nahmen 9000 Personen teil. Auch heute Abend soll es wieder eine Kundgebung gegen Pegida in Dresden geben. Auch in anderen deutschen Städten kündigten prominente Schauspieler Proteste an, noch vor Weihnachten wollen Tausende gegen Pegida auf die Strasse, schrieb die «Süddeutsche Zeitung» am Sonntag.
Vor einer Woche schrieb «20 Minuten», Pegida sei auch in der Schweiz angekommen. Offenbar wurde auf Facebook ein Ablegerprofil aufgeschaltet, das aber nach wenigen Stunden wieder entfernt wurde. Mittlerweile gibt es ein neues Profil mit über 2500 «Gefällt mir» -Klicks.
In einem Interview mit «20 Minuten» sagte Giulia Brogini, Geschäftsführerin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, allerdings, sie rechne nicht mit Pegida-Märschen in der Schweiz. In der Schweiz habe die Bevölkerung immer wieder die Möglichkeit, sich direkt an der Urne auszudrücken und nicht nur alle paar Jahre mit der Wahl einer Volksvertretung in einem Gemeinde-, Kantonalparlament oder auf Bundesebene.