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Die dubiosen RTL-Methoden bei Pegida-Recherchen

Pegida-Demonstration in Dresden
Pegida-Demonstration in DresdenBild: Getty Images Europe
Undercover in Dresden

Die dubiosen RTL-Methoden bei Pegida-Recherchen

Stimmungsmache für ein paar gute Zitate: Auf einer Pegida-Demo äussert sich ein Mann in einem Interview rassistisch. Später stellt sich heraus, dass er undercover für RTL arbeitet. Ein herber Schlag für die Glaubwürdigkeit des Journalismus. 
20.12.2014, 20:3121.12.2014, 09:25
julia merlot, david fischer, janko tietz / spiegel online
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Immer wieder gibt es Kritik an der Berichterstattung der Medien über die islamfeindliche Bewegung Pegida. Die Beiträge seien tendenziös und unterstellten den «Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes» zu Unrecht Rassismus. Das vom NDR produzierte ARD-Politikmagazin «Panorama» wollte diesen Vorwurf entkräften. In der Sendung am 18. Dezember liess es unter dem Titel «Lügenpresse' trifft Pegida» Demonstranten aus Dresden unkommentiert zu Wort kommen und stellte die Interviews anschliessend ungeschnitten in voller Länge ins Netz. 

Was dann geschah, diskreditiert die Glaubwürdigkeit des Journalismus generell: Unter den Interviewten war ein Reporter des RTL-Landesstudio Ost, das auch für die Hauptnachrichtensendung «RTL-Aktuell» Beiträge produziert. Der Mann versuchte offenbar an Aussagen der Demonstranten zu kommen, indem er sich selbst als Demonstrant ausgab und sich ihnen gegenüber rassistisch anbiederte: «Die Islamisierung macht sich schon breit in unserem Alltag», sagte er in das Mikrofon des NDR. Er spüre das «auf der Strasse, im Wohnviertel. Manchmal denk ich schon: Sind wir eigentlich noch in Deutschland?» Und weiter: «Wenn man rausgeht, ganz viele Türken. Ich komme mit vielen gut klar, aber es ist doch zunehmend so, dass man denkt: Sind wir eigentlich noch Deutsch in Deutschland.»

Glaubwürdigkeit des Journalismus beschädigt 

Erst nach Ausstrahlung von Panorama gab sich der Journalist zu erkennen. «Der Mann hat sich nun bei uns gemeldet und beteuert, dass er eigentlich anderer Ansicht sei und dass diese Aussagen nicht seiner Meinung entsprächen», schreibt die Panorama-Redaktion. Der Reporter selbst wollte sich gegenüber Spiegel Online nicht äussern: «Ich darf nichts sagen, bitte wenden Sie sich an die Pressestelle», sagte er in einem kurzen Telefonat. 

Laut RTL-Pressestelle war der Undercover-Einsatz mit der RTL-Redaktion Leipzig abgesprochen. Der Reporter sollte seine mit versteckter Kamera aufgenommenen Bilder offenbar direkt nach Köln in die Sendezentrale überspielen, wo sie von einem Mitarbeiter des «Team Wallraff» weiterverarbeitet werden sollten. Das «Team Wallraff» um den Buch-Autor Günter Wallraff ist jüngst mit Reportagen zu Burger-King oder Amazon aufgefallen. 

Der Sender rechtfertigt die Aktion mit der Zurückhaltung einiger Demonstranten gegenüber der Presse: «Da Pegida-Anhänger bisher nicht oder kaum mit Journalisten reden hat sich ein Reporter verdeckt auf die Pegida-Demo am vergangenen Montag in Dresden begeben, um Stimmungen und Aussagen für eine spätere Berichterstattung aufzugreifen», heisst es in einer offiziellen Stellungnahme. 

Volker Steinhoff, Redaktionsleiter von Panorama-Beitrag, findet dazu klare Worte: «Nichts gegen Undercover-Recherchen, wo sie nötig sind», schreibt er in einem Begleitartikel. «Aber die Pegida-Demonstranten in Dresden konnte man ganz offen zu ihrer Meinung befragen, wie man in unserem Beitrag sieht.» Und weiter: «Dass ein RTL-Reporter sich als normaler Demonstrant ausgibt und in eine Kamera latent ausländerfeindliche Sprüche klopft, geht gar nicht.» Die Glaubwürdigkeit von Journalisten würde nun «durch einen RTL-Reporter in Frage gestellt, auch wenn es nur um ein Statement von vielen geht. Wie dämlich.»

Welche Konsequenzen der Vorfall haben wird, hat RTL noch nicht entschieden. Als er angesprochen wurde habe der Reporter drei Möglichkeiten gehabt, heisst es: Nichts sagen, sich als Kollege outen – oder in der gespielten Rolle eines Pegida-Anhängers verbleiben. «Er entschied sich für Möglichkeit drei – und traf damit die eindeutig falsche Entscheidung.» 

Die Methoden, unter denen der Beitrag entstehen sollte, «kann man hinterfragen», sagte der RTL-Kommunikationschef Christian Körner gegenüber Spiegel Online. «Und im Zweifel werden wir das auch hinterfragen.»

Körner stellt klar, dass der Reporter «kein RTL-Mitarbeiter» sei, sondern beim Landesstudio-Ost angestellt ist, einer eigenständigen GmbH, die für RTL produziert. Auf der Website schmückt sich der Sender allerdings mit dem Journalisten und bezeichnet ihn bei einem Bericht über Hochwasserfolgen als «RTL-Reporter». 

Der aktuelle Beitrag mit den Undercover-Aufnahmen über Pegida sollte laut Körner bereits gesendet sein. Nach derzeitigem Stand wird er nun am Sonntag bei RTL-Aktuell ausgestrahlt. 

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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nounen44
20.12.2014 20:52registriert Mai 2014
weRTLos
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zombie1969
20.12.2014 21:03registriert Januar 2014
"Islamhasser"
Es sind Islamkritiker und keine Islamhasser. Richtigen widerlichen Hass konnte man kürzlich in Australien und Pakistan kennenlernen.
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