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Ex-Amazon-Mitarbeiter erzählen, wie es wirklich ist, unter Jeff Bezos zu arbeiten

epa04421429 Jeff Bezos, Founder and Chief Executive Officer of Amazon.com, waves for a photograph in Bangalore, India, 28 September 2014. Bezos is promoting Amazon's investment in kitty for India ...
Amazon-Chef Jeff Bezos treibt seine Angestellten so gnadenlos an wie früher Steve Jobs bei Apple.Bild: EPA/EPA

«Wir sind die neuen Leibeigenen und Jeff Bezos ist der neue König»

Eigentlich sollen neue Technologien wie künstliche Intelligenz und Big Data Unternehmen helfen, produktiver zu werden. Bei Amazon setzt man die digitalen Waffen gegen die eigenen Mitarbeiter ein. 
31.07.2018, 17:3303.08.2018, 09:47
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Lange Arbeitszeiten, Intrigen und Diskriminierung sind bei vielen Firmen an der Tagesordnung. Ob Banker bei Goldman Sachs, Manager bei Tesla oder Apple-Store-Mitarbeiter, die Arbeitsbedingungen sind oft grenzwertig. Jeff Bezos' umstrittener Tech-Konzern scheint es aber auf die Spitze zu treiben: Der Online-Warenhaus-Gigant nutzt modernste Datenanalyse und künstliche Intelligenz nicht nur zur Optimierung der eigenen Produkte, sondern auch zur gezielten Überwachung der Mitarbeiter. 

Jeff Bezos ist ein Datenfreak. Alles und jedes wird gemessen: die Leistung, die Pinkelpausen. Algorithmen entscheiden über Lohn, Beförderung – oder Entlassung.

Am Montag deckten Recherchen der britischen Zeitung «The Guardian» mehrere neue Vorfälle auf, bei denen Amazon-Mitarbeiter nach Arbeitsunfällen in Logistikzentren arbeitsunfähig oder gar obdachlos wurden. Die Arbeitsunfälle wären laut Bericht vermeidbar gewesen. Der Online-Gigant kümmere sich zu wenig um verunfallte Angestellte, so die Kritik. In vielen Fällen müssten sich verunfallte Mitarbeiter an die Temporärbüros wenden, die sie angestellt haben, wodurch die Verantwortung auf einen Dritten verlagert wird. So wird es für die Arbeitnehmer schwieriger, eine angemessene Behandlung und Entschädigung zu erhalten.

Vickie Shannon Allen lebt derzeit aus ihrem Auto auf dem Parkplatz eines Amazon-Logistikzentrums in den USA. Nach einem Arbeitsunfall wurde sie von Amazon fallen gelassen.Video: YouTube/Shannon Allen

Die Lagerhäuser von Amazon stehen auf der Liste «Das dreckige Dutzend», einer Aufstellung der gefährlichsten Arbeitsplätze in den USA, die von einer US-Organisation für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz herausgegeben wird. Auf der Liste figurieren auch die Autowerke von Tesla.

Die Videos sind Teil einer politischen Kampagne des parteilosen US-Senators Bernie Sanders zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Konzernen wie Amazon, Disney, McDonald’s oder Walmart.

Wo immer sich Bezos blicken lässt, demonstrieren die Gewerkschaften. Die Kritik perlt an ihm ab: «Ich bin stolz auf unsere Arbeitsbedingungen», lautet seine Standardantwort seit Jahren.

epa06689673 A protester wears a Jeff Bezos mask as he joins a protest against the working conditions at Amazon near the Axel Springer Verlag building in Berlin, Germany, 24 April 2018. Amazon CEO Jeff ...
Bezos ist berüchtigt für Sätze wie: «Sind Sie faul oder nur inkompetent?»Bild: EPA/EPA

Bereits 2015 enthüllte eine Reportage der «New York Times» die brutale Arbeitskultur bei Amazon. So erzählt der ehemalige Amazon-Manager Bo Olson: «Du verlässt einen Konferenzraum und siehst, wie erwachsene Männer ihre Hände vor das Gesicht halten. Fast jede Person, mit der ich zusammengearbeitet habe, habe ich mindestens einmal am Pult weinen sehen.»

Laut Zeitungsbericht werden Mitarbeiter angehalten, sich gegenseitig hart zu kritisieren, bis hin zur Demontage. Jedes Jahr werden diejenigen gefeuert, die am meisten Verzeigungen von anderen erhalten haben. 

Amazon hat allein im letzten Jahr über 130'000 Arbeitsplätze geschaffen und beschäftigt heute weltweit über 560'000 Menschen. Gleichzeitig hat Amazon den Gewinn verzwölffacht. Bezos ist nun der reichste Mensch der Welt und seine Firma ist drauf und dran, Apple als wertvollstes Unternehmen der Welt abzulösen. 

Was bleiben wird, ist Bezos Firmenkultur – zumindest bis er sein Arbeitsheer durch Roboter, sprich automatisierte Verteilzentren, ersetzen kann. 

Update:

Amazon schreibt:

«Die Vorwürfe zeichnen kein wahrheitsgetreues Bild der Arbeit bei Amazon. Wir sind stolz auf unsere Sicherheitsstandards und tausende Mitarbeiter, die jeden Tag daran arbeiten, sie zu verbessern. Amazon hat allein im letzten Jahr 130.000 Arbeitsplätze geschaffen und beschäftigt weltweit nun über 560.000 Menschen. Unsere Priorität ist es, für alle Mitarbeiter sichere Arbeitsbedingungen zu bieten. Wir fordern jeden dazu auf, sich selbst ein Bild zu machen und ein Logistikzentrum zu besuchen. Eine Anmeldung ist unter www.de.amazonfctours.com möglich.»

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76 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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jangoB
31.07.2018 17:47registriert Januar 2015
Einfach nichts mehr bei Amazon bestellen. Ganz einfach. Der Konsument entscheidet.
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Multitalent
31.07.2018 18:10registriert Juni 2018
Wenn ihr nicht bestellen würdet, wäre das nicht der Zustand. Leider seht ihr das nicht ein, bis es euch auch trifft. Das ist leider die moderne Gesellschafft. Lieber lokal und regional Einkaufen, da wo man arbeitet, da es auch mich treffen könnte.
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Mutzli
31.07.2018 18:16registriert Dezember 2016
Gab auch einen weltweiten Streikaufruf zum Prime-Day, bei dem die Angestellten die Kundschaft gebeten haben, doch bitte auf Bestellungen bei Amazon zu verzichten. War ein bisschen schade, dass es hier eigentlich nicht in den Medien kam. Auch Watson hat, glaube ich, leider nichts dazu gebracht.

Link zu Artikel-> https://www.vox.com/2018/7/16/17577614/amazon-prime-day-strike-boycotts
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