Wie du Putin und Irans Sittenwächtern bequem vom PC aus ein Schnippchen schlägst
Angesichts von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Verfolgung unschuldiger Frauen im Iran fühlen sich westliche Beobachterinnen und Beobachter vielleicht machtlos. Doch sie unterschätzen die Macht des Internets.
Damit zu «Snowflake».
Wenn das kleine Schneeflocken-Symbol im eigenen Web-Browser von Violett auf Grün ändert, hat man es geschafft: Man hilft aktiv mit, Internet-Zensur zu bekämpfen.
Es ist nur ein kleiner Beitrag, aber immerhin. Und vielleicht gelangen genau dank deiner Klicks unterdrückte Menschen online an wichtige Informationen, ohne dass ihnen deswegen die Verhaftung oder noch Schlimmeres droht.
In diesem Beitrag erfährst du, was es mit dem Tor-Snowflake auf sich hat, wer die Erfinderin des «Freiheitswerkzeugs» ist und wo die technischen Grenzen liegen.
Was ist das für eine Schneeflocke?
Es ist das Symbol für ein kleines Programm, das von seiner Erfinderin «Snowflake» getauft worden ist. Wer einen Laptop oder PC nutzt, kann es ganz einfach aktivieren. Voraussetzung ist lediglich ein Web-Browser, und zwar muss es Firefox oder Google Chrome sein (dazu weiter unten mehr).
Was hat das mit Putins Krieg gegen die Ukraine zu tun?
Als Russland im Februar 2022 in die Ukraine einfiel, wurde der militärische Vorstoss von einer weitreichenden innerrussischen Internet-Zensur begleitet. Putin wollte die eigene Bevölkerung so weit wie möglich von unabhängiger und kritischer Berichterstattung abschneiden. Damit schlug die Stunde von Snowflake. Das «Forum Informatikerinnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung» schrieb:
Wie funktioniert Snowflake?
Voilà! 😉
Die Kollegen von derstandard.at erklären:
- Das Snowflake-System besteht aus drei Komponenten: Freiwilligen, die Snowflake-Proxys betreiben, Tor-Benutzern, die sich mit dem Internet verbinden wollen, und einem Broker, der Snowflake-Proxys an die Benutzer liefert.
- Mit der Aktivierung der Snowflake-Erweiterung erstellt man also als Freiwillige einen Proxy mit dem eigenen Internetzugang und stellt ihn anderen zur Verfügung.
Die Browser-Erweiterung Snowflake bildet also einen Teil des weltumspannenden Tor-Netzwerkes, das anonymes Surfen und Zensurumgehung im Internet ermöglicht.
Die technische Dokumentation gibt's hier.
Wer profitiert?
Menschen rund um den Globus, die von staatlicher Zensur und Internet-Sperren betroffen sind und dies mithilfe der Anonymisierungs-Software Tor umgehen wollen, um sich frei und unkontrolliert im Internet zu bewegen.
Und wer Snowflake auf dem eigenen PC installiert bzw. aktiviert, trägt zu einem zensurfreien Internet und damit zu einer demokratischeren und besseren Welt bei.
Im Iran explodierten in den letzten Tagen die Tor-Nutzungszahlen, schreibt netzpolitik.org. Weltweit sei bei den Tor-Brücken eine Verdreifachung der Nutzung im Vergleich zum Beginn des Septembers zu verzeichnen.
Wer hat's erfunden?
Die Ideengeberin hinter Snowflake ist die frühere Hackerin, Google-Ingenieurin und nun hauptberufliche Konzertpianistin Serene. Sie hat nicht nur das technische Konzept entworfen, sondern auch die Software mitentwickelt.
Die US-Amerikanerin mit Jahrgang 1991, deren bürgerlicher Name nicht öffentlich bekannt ist, stammt ursprünglich aus China, sie emigrierte aber schon als kleines Mädchen in die USA, wie sie in ihrer Online-Biografie schildert.
Sie brachte sich schon in jungen Jahren das Klavierspielen und Programmieren selbst bei, später erlangte sie einen Abschluss in Computerwissenschaften an der renommierten Carnegie Mellon University. Wegen ihrer grössten Leidenschaft, der klassischen Musik, entschied sie sich, Berufspianistin zu werden, und gibt viel beachtete internationale Auftritte.
Nebenbei komponierte sie für Kanye Wests Oper «Mary». Davor arbeitete sie als Software-Ingenieurin – beim Technologie-Inkubator «Google Ideas», der heute Jigsaw heisst und eine Tochtergesellschaft des Alphabet-Konzerns ist.
Snowflake entwickelte sie während ihrer durch den Open Technology Fund unterstützten Arbeit am weltweit führenden Informatik-Forschungszentrum in Berkeley, Kalifornien, dem International Computer Science Institute (ICSI).
Zu ihren Beweggründen schreibt Serene:
Wer hat die Software weiterentwickelt und bietet sie heute an?
Die gemeinnützige Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) The Tor Project, die die bekannte gleichnamige Anonymisierungs-Software entwickelt und weltweit gratis anbietet.
Anonym im Internet surfen – mithilfe des Tor-Browsers: Das folgende Video erklärt ganz einfach, wie es läuft:
Es geht also ums Darknet, ist das nicht problematisch?
Nein, keineswegs. Zwar wird der Tor-Browser, also die Anonymisierungs-Software zum sicheren Websurfen, auch für kriminelle Zwecke verwendet. Jedoch sind alle übertragenen Daten so verschlüsselt, dass niemand Drittes mitlesen kann.
Man macht sich nicht strafbar, wenn man einen kleinen Teil dieses verschlüsselten Tor-Datenverkehrs über den eigenen Computer weiterleitet. Und es ist technisch ausgeschlossen, dass Hacker Zugriff aufs Gerät erlangen könnten.
Die Datensicherheit und der Schutz der Privatsphäre sind gewährleistet, wie die Macherinnen und Macher betonen.
Übrigens empfehlen auch die unabhängigen Fachleute des Chaos Computer Club (CCC) die Schneeflocke, auch wenn diese zu Unrecht einen schlechten Ruf habe:
Für welche Browser gibt's Snowflake?
- Für Firefox (Mozilla) hier als Add-on.
- Für Google Chrome hier als Erweiterung.
Man installiert die oben verlinkte Browser-Erweiterung bzw. das Add-on und aktiviert sie mit wenigen Klicks, um den Rest kümmert sich die Software völlig automatisch.
Und wenn man im Browser nichts installieren darf (oder will)?
Dann öffnet man eine von der Nicht-Regierungs-Organisation The Tor Project betriebene Webseite, die dem Browser die gleichen Zensur-Umgehungs-Fähigkeiten verleiht und aktiviert die Schneeflocke dort. Dann funktioniert es jedoch nur, solange der entsprechende Browser geöffnet bleibt.
Link: snowflake.torproject.org/embed.html
Funktioniert das auf dem Smartphone?
Ja, das bestätigt auch netzpolitik.org.
Und jetzt du!
Was hältst du von dem Anti-Zensur-Tool? Hast du bereits praktische Erfahrungen damit gesammelt – oder bestehen noch Zweifel oder Unsicherheiten bezüglich Technik?
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Eine aktualisierte Genehmigung ermöglicht es US-Unternehmen demnach, im Iran wieder mehr Online-Dienste anzubieten – wie etwa Social-Media-Plattformen, Videokonferenzsoftware und Cloud-Dienste.
Mit der Massnahme solle der «freie Informationsfluss und der Zugang zu faktenbasierten Informationen für die Menschen im Iran» erweitert werden, sagte US-Aussenminister Antony Blinken. «Diese Schritte werden dazu beitragen, den Bemühungen der iranischen Regierung, ihre Bürger zu überwachen und zu zensieren, entgegenzuwirken.»
US-Sanktionen, die bereits 2014 gegen den Iran verhängt worden waren, hatten bislang verhindert, dass IT-Firmen ihre Dienste in dem Land vollumfänglich anbieten konnten. Hintergrund des US-Kurswechsels ist die aktuell massive Einschränkung des Zugangs zum Internet durch die iranische Regierung infolge anhaltender Proteste.
(sda)
Quellen
- snowflake.torproject.org: Infoseite
- serene.cx: Snowflake
- netzpolitik.org: Mit einem Klick unzensiertes Netz und Anonymität spenden
- snowflake.fiff.de: Hilf mit, die Internetzensurin Russland zu umgehen
- derstandard.de: Browsererweiterung soll Internetzugang im Iran sichern: Was hinter Snowflake steckt
- deutschlandfunk.de: Initiativen für Pressefreiheit im Ukraine-Krieg
- wikipedia.org: Serene (pianist)