David Pogue hat es getan.
Der bekannte Tech-Journalist hat die Mutter aller Fragen gestellt, und auch beantwortet:
Und nein, es geht nicht um das Henne-Ei-Problem, sondern ein viel brisanteres Thema:
Pogue hat recherchiert, welcher Tech-Gigant die wichtigsten Smartphone-Innovationen als erster lanciert hat, und wer am häufigsten abgekupfert hat:
Untersuchungszeitraum: das moderne Smartphone-Zeitalter: Also die Zeit seit der Lancierung des iPhones, 2007.
Pogue hat seine Untersuchungsergebnisse Mitte September beim Online-Portal Yahoo veröffentlicht. Der Titel «New iPhones, new Galaxies – Who's the bigger copycat?» wird dem Umfang seiner Arbeit nicht gerecht. Denn es geht darin um viel mehr als nur die neusten iPhones und Samsung-Handys, wie du gleich sehen wirst ...
Zwar handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Studie, doch erklärt Pogue detailliert, wie er vorging:
Pogue fasst die von ihm als relevant erachteten Smartphone-Features in folgenden Kategorien zusammen:
Zu jeder Kategorie gibt's einen Zeitstrahl. Dieser zeigt, welcher Tech-Konzern eine Idee zuerst auf den Markt brachte, und wie lange es dauerte, bis sie ein Konkurrent kopierte. Was auf den ersten Blick verwirren mag: Es wird jeweils immer nur der Innovator aufgeführt sowie ein Follower. Das Unternehmen, das dann als drittes folgte, ist hingegen nicht aufgeführt.
Das sieht dann für die Innovationen rund um den Smartphone-Bildschirm so aus:
Lesart: Apple gewinnt die Kategorie «Screen» mit 6 Innovationen, Samsung ist zweiter mit 4 Innovationen. Google lag mit Android (und ab 2016 den Pixel-Smartphones) nie vorn, war also in den meisten Fällen «Follower», wie es Pogue nennt.
Damit sind wir bei der «Kamera», die heute für viele User einige der wichtigsten Features bieten dürfte. Kaum mehr zu glauben: Die ersten Smartphones hatten weder Blitz noch Frontkamera und konnten keine Videos aufnehmen.
Lesart: In der Kategorie Kamera fällt das Rennen fast unentschieden aus: Apple hat laut Pogue 6 Innovationen, die von der Konkurrenz übernommen wurden, Google kommt mit Android ebenfalls auf 6 und Samsung erreicht 5.
Die Kategorie «Sicherheit» dreht sich um den Schutz des Smartphones selbst, etwa wenn es abhanden kommt, als auch um die auf dem Gerät gespeicherten Inhalte.
Pogue nennt als Beispiel die Aktivierungssperre, die verunmögliche, ein gestohlenes iOS-Gerät ohne Apple-ID des Besitzers zu nutzen. Dieses Feature allein sei verantwortlich für den Rückgang von iPhone-Diebstählen auf der ganzen Welt. Pogue: «Warum sich die Mühe machen, ein Handy zu stehlen, wenn man es nicht löschen und weiterverkaufen kann?»
Apple gewinnt laut Pogue die Kategorie «Sicherheit» mit 3 zu 1 gegen Samsung. Android war nur einmal «Follower».
Wir sehen am Beispiel der Gesichtserkennung aber auch, dass Erster sein nicht bedeutet, dass das Potenzial einer neuen Idee voll ausgeschöpft worden ist. Samsungs Lösung war 2017 technisch nicht ausgereift und konnte einfach überlistet werden, Apples Face ID gilt als vergleichsweise sicher.
Damit sind wir bei einer Kategorie «Text und Stimme», in der es aus Sicht der User ausschliesslich um Software geht ...
Ob Copy-Paste auf dem virtuellen Keyboard oder automatische Spracherkennung übers Mikrofon: Seit 2007 hat sich einiges getan, und Google liegt hier vorn: Für Android gibt es laut Pogue 6 Innovationen zu verzeichnen, für Apple 5.
Alle Infografiken gibt's hier bei Yahoo.
Apple gewinnt laut Pogues Recherche mit 44 Innovationen. Googles Android ist auf dem zweiten Platz, mit 31. Und Samsung rücke mit 12 Innovationen in den Hintergrund.
Wobei der Wettstreit natürlich nicht beendet ist. Das Innovations- und Imitations-Karussell dreht sich immer weiter.
Er habe «das Spiel» bewusst auf diese drei Spieler beschränkt, schreibt Pogue. Einige Funktionen seien wohl zuerst in Handys von anderen Herstellern aufgetaucht, aber die meisten der «Du hast das gestohlen»-Anschuldigungen beträfen die Grossen Drei. Bei den Softwarefunktionen gehe es speziell um Apples iOS vs. Googles Android, und bei den Hardware-Features sei es Apples iPhone gegen die Galaxy-Serie von Samsung.
Ein Kommentarschreiber bei Yahoo wendet aber völlig zurecht ein, dass es viele der untersuchten Features schon bei Palm und Windows Mobile gegeben habe, also lange bevor die Grossen Drei überhaupt mit Smartphones anfingen.
Am Beispiel der Kategorie «Kamera» sieht man, dass Pogues Arbeit schon bald veraltet sein dürfte und in Zukunft wohl andere Hersteller wie Huawei einbezogen werden sollten: Mittlerweile gibt's die ersten Smartphones mit Triple-Kamera.
Auch wenn die Zeiten der grossen Fan-Kommentarschlachten vorbei sind und sich die meisten iPhone- und Android-User darauf geeinigt haben dürften, dass alle Hersteller von allen kopieren: Die Frage, wer neue Ideen zuerst realisiert hat, bleibt laut Pogue wichtig. Das Smartphone ist das persönlichste Gerät, das wir nutzen, und kann starke Emotionen hervorrufen.
Bleibt anzumerken, dass viele Ideen erst den Durchbruch schaffen, nachdem sie von einem grossen Unternehmen aufgegriffen werden. Das müssen dann nicht zwingend die attraktivsten sein. Die «Notch», die zuerst auf einem Essential Phone von Android-Gründer Andy Rubin auftauchte, lässt grüssen.