Das deutsche Anonymous-Kollektiv hat die Webseite des früheren Moderators und YouTubers Ken Jebsen gehackt und ist offenbar an einen grossen Datensatz gekommen: Daraus gehen Geldflüsse und Unterstützer des Querfront-Aktivisten hervor, der eine der ersten Leitfiguren für «Querdenker» war, schreiben die Aktivisten.
Manche Namen aus Jebsen Datenbank könnten den Anonymous-Aktivisten schon mehrfach begegnet sein: Sie haben seit Beginn der Pandemie bereits einige Drahtzieher und Protagonisten der «Querdenken»-Szene angegriffen und Daten erbeutet.
Hier gibts die wichtigsten Fragen und Antworten.
Der digitale Einbruch in Jebsens Online-Auftritt ist nur ein weiteres Kapitel von «OpTinfoil». Ziele waren vorher unter anderem: Der mittlerweile als Hitler-Fan auftretende Attila Hildmann , der vom Umsturz träumende Schwindel-Arzt Bodo Schiffmann mit einer Parteigründung und die Partei «DieBasis», die aus Schiffmanns früherer Partei entstanden ist.
Die Abkürzung steht für «Operation Alufolie» – Anonymous sieht sich im Kampf gegen «Aluhüte», die mit abstrusen Falschmeldungen und unbelegten Spekulationen gezielt Unruhe schüren und der Gesellschaft schaden wollen.
Anonymous zu t-online: «OpTinfoil wurde gestartet, um Verwirrung und Paranoia in dieser Schwurbel-Szene zu stiften!». Es gehe aber auch darum, durch solche Aktionen vielleicht Menschen zum genaueren Hinschauen zu bringen, die «noch nicht so tief ins Verschwörungsloch» gefallen sind.
Die Hacker suchen nach Schwachstellen in der Struktur von Internetauftritten, um Rechte und Zugriffe zu bekommen. Vieles wird der Gruppe mit dem seit 2011 bestehenden Account «AnonNewsDE» auch von anderen zugespielt – und von dort dann verbreitet. Wenn Anonymous Zugriff bekommt, werden auch Mails ausgewertet. So bei Samuel Eckert, wo Anonymous zeigte, dass Eckert ein Treffen mit einem abseitigen Wissenschaftler arrangierte, der die Existenz von Viren allgemein bestreitet. Anonymous bereitet die Entdeckungen dabei in eigenen Texten auf.
Anonymous trickst aber auch: Bei Attila Hildmann hatte die Gruppe Infos bekommen, wo er ist – und liess ihn glauben, er würde mit einem Peilsender verfolgt. Über eingeschleuste Admins in seinen Telegram-Chat gelangte Anonymous an Interna – und räumte auf. Bodo Schiffmann wurde von Anonymous vorgeführt, als bei seiner Parteigründung mit der Mitgliederzahl geprahlt wurde.
Anonymous zeigte dann, dass die Gruppe automatisiert massenhaft vermeintliche Mitglieder erzeugt hatte. Schiffmann wütet seither, «echte» Anons würden so etwas nicht tun, sondern «gegen das System» kämpfen.
Anonymous dazu: «Was Schiffmann sagt, ist uns egal. Der ist unwichtig, hat fast alles verloren.» Schiffmann kenne Anonymous wohl nur aus dem Film «V wie Vendetta», in dem die typischen Masken zu sehen sind. «Er kann sich ja eine Guy-Fawkes-Maske kaufen und damit auf Safari gehen.» Schiffmann ist nach Tansania geflüchtet, will dort Reisen für «Querdenker» anbieten. Mehr dazu liest du hier bei T-Online.
Ken Jebsen ist vielleicht die prominenteste Zielscheibe bei der OpTinfoil: Er bekam als 27-Jähriger 1994 eine ZDF-Sendung («MondScheinShow») nach dem «Aktuellen Sportstudio». Später hatte er eine vierstündige Sonntagssendung bei der RBB-Jugendwelle«Fritz» – bis er dort 2011 rausflog: Auslöser waren fragwürdige Äusserungen, zuletzt hatte er den «Holocaust» als «PR-Erfindung» bezeichnet.
Jebsen, der eigentlich Kayvan Soufi-Siavash heisst, machte auf YouTube weiter, war nach der Annexion ukrainischer Gebiete einer der Köpfe einer Querfront-Bewegung, den Montags-Mahnwachen.
Anonymous urteil über ihn: «Er hat mit Antisemitismus, Verschwörungsmythen und Umsturzphantasien viel Geld verdient.» Journalist und damit der Wahrheit verpflichtet sei Jebsen seit langem nicht mehr.
In der Corona-Krise war Jebsen früh aufgefallen: Er erklärte im Mai 2020 die Pandemie zu einem Projekt von Bill Gates zur Reduzierung der Weltbevölkerung mit Impfungen. Ein entsprechendes Video hatte mehr als drei Millionen Abrufe.
Inzwischen ist es nicht mehr abrufbar – YouTube hat den Kanal im Novmber 2020 wegen wiederholter Verstösse gegen die Covid19-Richtlinien zu Falschinformation dicht gemacht . Inzwischen prüft auch Berlins Verfassungsschutz Jebsen und sein Angebot als Verdachtsfall, er hat erklärt, ins Ausland ziehen zu wollen. An dem Hack gab es auch vereinzelt Kritik: Ein Anonymous-Prinzip sei es doch, Medien nicht anzugreifen.
Die Aktion ist ein öffentlichkeitswirksamer Stich gegen Jebsen und dessen Umfeld, Jebsen war lange eine der wichtigsten Stimmen, um unbedarfte Nutzer in die Truther-Szene zu ziehen, er war auch zeitweilig das Medium, auf dem sich die Querdenken-Bewegung Infos holten. Dass Anonymous seine Seite bis auf eine Botschaft leerräumte, dürfte ihn zwar nicht so hart treffen. Sie ist wieder am Netz.
Aber: Das Kollektiv hat nach eigenen Angaben 39'000 persönliche Daten von Abonnenten abgegriffen, dazu die Daten eines Teils der Spender über die Homepage bis 2019. Auf diesem Weg erzielte er demnach 38'000 Euro. Seither kamen über Bitcoin-Spenden rund 200'000 Euro rein.
Solche Datenverluste verunsichern Unterstützer sehr. So gab es auch Aufruhr, als Anonymous die Mitgliederdatenbank der Partei «DieBasis» mit Adressen und Telefonnummern erbeutete . Das dürfte schon mehr Wirkung erzielt haben. Die Hacker machten unter anderem öffentlich, dass der Rechtsanwalt Rainer Fuellmich, einer der Köpfe, nur den Mindestbeitrag zahlt. Die Hacker selbst bezeichnen auch eine andere Aktion von «OpTinfoil» als grössten Erfolg.
Anonymous nennt dazu eine Aktion, die öffentlich eigentlich wenig Wirbel gemacht hat: Der «OCG-Hack bekam damals nicht so viel Reichweite, weil die kaum jemand bis dato kannte». OCG ist die Sekte des Schweizers Ivo Sasek mit eigenem Sender kla.tv und Treffen zur Vernetzung der Szene.
Anonymous gelangte unter anderem an Tausende E-Mails und an interne Schulungsvideos, die tiefe Einblicke in Denken und Strukturen ermöglichten: «Aktivist*innen haben da über 400GB Daten rausgezogen und vieles offengelegt, was aufzeigt, wie gefährlich solche Art von Sekten sind», so Anonymous zu t-online. Typisch für «Anonymous» war, dass die Gruppe auch einen besonderen Gruss hinterliess: Der Schichtplan für den Sender wurde gelöscht und neu erstellt: Alle Schichten für den Sohn des Sektenführers.
Konkrete Ankündigungen gibt es nicht. Anonymous geht jedoch zumindest davon aus, dass noch Arbeit zu tun ist und noch Material kommen könnte.
«Querdenken wird zwar immer kleiner. Aber am Ende bleibt ein stark radikalisiertes Trüppchen, auf das man weiterhin schauen muss.»
Aus grosser Macht folgt grosse Verantwortung.