Eigentlich will Elon Musk mit der Kettensäge den amerikanischen Staat zurechtstutzen. Derzeit aber gleichen eher Teslas Verkaufszahlen in Europa einem Massaker. Bereits Anfang Monat zeigten die ersten April-Daten aus mehreren Ländern, darunter der Schweiz, dass der Absturz anhält. Inzwischen haben mit Deutschland und Grossbritannien auch die beiden grössten Automärkte ihre April-Zahlen veröffentlicht – und diese offenbaren das gesamte Ausmass der europäischen Tesla-Krise.
Tesla tauchte im April in Grossbritannien um 62 Prozent und in Deutschland um 46 Prozent gegenüber dem bereits schwachen Vorjahresmonat.
Verglichen mit April 2024 haben sich die Tesla-Verkäufe in ganz Europa «ungefähr halbiert», bilanziert das E-Auto-Fachportal Electrek. Damit setzte sich der Abwärtstrend aus den ersten drei Monaten des Jahres fort.
In Deutschland verkaufte Tesla im April noch 885 Autos. Der Marktanteil schrumpfte auf 0,4 Prozent und Teslas Anteil am E-Auto-Markt sank auf 1,9 Prozent. Der Elektroautopionier flog im April aus den Top 10 der meistverkauften E-Auto-Marken und landete auf Rang 16.
In Grossbritannien setzte Tesla im April nur 512 E-Autos ab, im April vor einem Jahr waren es noch 1352. Der Anteil am britischen E-Auto-Markt schrumpfte auf unter zehn Prozent. Gleichzeitig erhöhten sich die Verkäufe von Volkswagen auf der Insel um 194 Prozent auf 2314 vollelektrische Autos.
Teslas Zahlen markieren den niedrigsten Stand seit über zwei Jahren in beiden Ländern. Bemerkenswert ist auch, dass der Elektroautomarkt insgesamt zulegte. In Deutschland um 53,5 Prozent und in Grossbritannien um 8,1 Prozent.
In Schweden brachen die Tesla-Verkäufe im April gegenüber dem Vorjahresmonat um 81 Prozent ein, in den Niederlanden um 74 Prozent und in Dänemark um 67 Prozent. Frankreich verzeichnete einen Rückgang von 59 Prozent und in der Schweiz gings 50 Prozent runter. Das sind teils historische Rückgänge. Lediglich in Italien und Norwegen fand Tesla zum Wachstum zurück.
Teslas Einbruch liegt nicht allein an Elon Musk oder der Umstellung auf das überarbeitete Model Y. Ein Teil des Rückgangs ist auf den verstärkten Wettbewerb zurückzuführen, insbesondere durch VW und BYD aus China.
China war bislang ein Lichtblick für Tesla. Anders als in Europa und den USA konnte der Elektropionier 2024 in China noch zulegen. Musks politisches Engagement für Trump scheint dem weltweit wertvollsten Autokonzern dort nicht zu schaden. Doch nun schwächelt Tesla auch auf dem weltgrössten Markt für Elektroautos.
Laut Daten des chinesischen Industrieverbands CPCA hat Tesla in diesem Jahr bislang 0,3 Prozent weniger Autos verkauft als im Vorjahreszeitraum. Im April gingen die China-Verkäufe um 9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zurück, und im Mai sieht es nicht besser aus. Dies, obwohl Tesla inzwischen das erneuerte Model Y verkauft. Der Rückgang klingt nicht dramatisch, ist aber mehr als ein Warnzeichen: Da der gesamte chinesische E-Auto-Markt weiterhin stark wächst, verliert Tesla rasch Marktanteile.
Im April stammte nur noch eins von 20 verkauften E-Autos in China von Tesla. Im gesamten chinesischen Automarkt sank Teslas Anteil auf 1,6 Prozent. Weiterhin Rückenwind haben heimische Autohersteller wie BYD und Geely.
Das spektakuläre Wachstum in der Türkei und Japan täuscht: In beiden Ländern verkauft Tesla nur sehr geringe Stückzahlen, was prozentual hohe Schwankungen verursacht. Teslas Marktanteil lag jeweils bei 0,2 Prozent.
Tesla machte die Produktionsumstellung auf das aufgefrischte Model Y und somit eine Auslieferungsdelle für sein schlechtes Abschneiden im gesamten ersten Quartal verantwortlich. Diesen Modellwechsel-Effekt gab es auch, er sollte inzwischen aber teils überwunden sein, zumal Tesla neu produzierte Fahrzeuge extrem zügig an Kunden ausliefern kann.
Da aber auch der April in Europa katastrophal und in China schwach verlief, würden Elon Musk «die Entschuldigungen ausgehen», meint Electrek. Teslas Verkäufe erholten sich «weder in Deutschland noch anderswo in Europa». Dies, «obwohl die Produktion des neuen Model Y in der Gigafactory Berlin angelaufen ist» und es «den ganzen April über verfügbar war». Auch im Mai gebe es bislang keine Erholung.
Dafür gibt es mehrere mögliche Gründe:
Ganz generell haben nebst den asiatischen auch die europäischen Automobilhersteller aufgeholt. Aktuell kommen also mehrere Faktoren zusammen, die erklären, warum es bei Tesla nicht mehr rund läuft. Dabei geht leicht vergessen, dass die Abwärtsspirale schon viel früher einsetzte. Musks Popularität schmilzt seit seiner Twitter-Übernahme im Oktober 2022 wie eine Raketenglace in der Märzsonne: erst gemächlich, dann immer schneller.
Bereits 2024 verkaufte Tesla weltweit 1 Prozent und in Europa 11 Prozent weniger Fahrzeuge als im Jahr zuvor. Seit Musk Trump und die AfD offen unterstützt und zu verdächtigen Grussbewegungen neigt, hat sich die Abwärtsspirale akzeleriert – sowohl aufgrund der Umstellung auf das neue Model Y als auch aufgrund des Imageschadens. Aus heutiger Sicht wird Tesla in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit weltweit zum zweiten Mal in Folge schrumpfen.
Schon jetzt verdampft der Gewinn schneller, als Musk twittern kann. Für ein Unternehmen, das auf ewiges Wachstum gepolt ist, um seine extrem hohe Börsenbewertung zu rechtfertigen, eine diffizile Situation.
Der Elektroautopionier steuert daher seit Anfang Mai in zahlreichen Ländern mit reduzierten Leasingangeboten dagegen. Deutsche Model-Y-Kunden sparen so über vier Jahre gut 10'000 Euro beim Basismodell, rechnet der Elektroautoverleiher Nextmove vor.
Aktualisierte Modelle und Rabatte helfen, aber die Frage bleibt, wie viele Konsumenten die Marke überhaupt noch in Betracht ziehen, zumal die Konkurrenz mit jedem Monat grösser wird.
Tesla hofft, in der zweiten Jahreshälfte mit der Allrad-Version des erneuerten Model Y den Abwärtstrend zu durchbrechen. Weitere Erholung soll im nächsten Jahr ein abgespecktes und günstigeres Model Y bringen. Einen von Grund auf neuen Kleinwagen hingegen hat Tesla offenbar auf Drängen von Musk zugunsten des Cybercabs eingestellt oder auf Eis gelegt. Das Robotaxi hat Vorrang.
Längst vom Tisch ist somit Musks einstiger Masterplan, «bis 2030 jährlich 20 Millionen Fahrzeuge zu bauen und auszuliefern». Aktuell sind selbst 2 Millionen unerreichbar.