Diagnose: Reichweitenangst – immer noch ist die Sorge vorm Liegenbleiben ein grosses Hemmnis für «Stromer»-Skeptiker. Wohl niemand möchte mit leerem Akku auf dem Standstreifen der Autobahn ausrollen oder stundenlang an der Stromsäule ausharren, bis die Fahrt bis zum nächsten Ladepunkt weitergehen kann.
Ist die Angst berechtigt?
Längst nicht mehr, wie ein Test der P3 Group zeigt. Die Stuttgarter Beratungsgesellschaft prüfte 21 beliebte Elektroautos: Wie viele Kilometer sind nach zehn Minuten Ladezeit wieder machbar, wie viele nach 20 Minuten?
Das Ergebnis: Selbst günstigere Modelle der Kompaktklasse sind inzwischen schnelle Lader. Der VW ID.3 etwa ist nach 20 Minuten fit für weitere 154 Kilometer (getestet wurde das günstigere Modell mit dem 58-kWh-Akku). Und der Beste im Test, der Kia EV6, schafft sogar das Doppelte. Kommt hinzu, dass die Hersteller die Ladeleistung per Update erhöhen können, wie das beispielsweise VW bei seinen ID-Modellen neulich getan hat.
Reichweitenangst ist ein Phantomthema, bestätigt der Mobilitätsexperte Richard Gutjahr im Podcast «Ladezeit» von t-online – nicht allein wegen der schnellen Ladezeiten. «Vor allem würden Leute darüber sprechen, die noch nie in einem E-Auto sassen.» Denn was oft vergessen geht: Der durchschnittliche Arbeitsweg in der Schweiz misst knapp 15 Kilometer, entsprechend laden viele Berufspendler ihr E-Auto höchstens einmal pro Woche – und das in der Regel nicht an einer öffentlichen Schnellladestation, sondern gemächlich und akkuschonend zu Hause (oder am Arbeitsplatz).
Kia und Hyundai (gehören beide zur Hyundai Motor Group) laden aktuell über alle Kategorien gesehen mit ihrem 800-Volt-Bordnetz am schnellsten. Marktführer Tesla kann nicht ganz mithalten. Bei Teslas Model 3 und Y falle die Ladekurve innerhalb des getesteten Ladefensters zwischen 10 und 80 Prozent Akkustand viel schneller ab als bei Kia und Hyundai, schreiben die Tester.
Das Mittelklasse-Modell (ab 52'700 Franken) mit 800-Volt-Bordnetz kann in 20 Minuten genug Strom für 309 Kilometer aufnehmen – selbst die teureren Modelle der Oberklasse schneiden nicht besser ab. Der EV6 erreicht eine maximale Ladeleistung von deutlich über 200 kW. Damit empfiehlt sich der Kia besonders als E-Auto für Langstrecken.
Die maximale Reichweite nach WLTP gibt Kia mit 528 km an. Die reale Reichweite liegt bei etwa 400 Kilometern. Dies gilt für die Ausstattung mit dem grossen Akku (74 kWh). Mit dem kleinen Akku (58 kWh) sind real rund 300 Kilometer möglich.
Die elektrische S-Klasse lädt mit 400-Volt-Bordnetz in 20 Minuten den Strom für 275 Kilometer (maximale Ladeleistung: 200 kW).
Dank des grossen Akkus (107,8 kWh) hat die elektrische S-Klasse eine reale Reichweite von rund 640 Kilometern (784 km nach WLTP).
Auch dem SUV von BMW ermöglicht ein 400-Volt-Bordnetz seine hohe maximale Ladeleistung von knapp 200 kW. Im Durchschnitt liegt sie bei 152 kW. Das ergibt eine Reichweite von 273 km nach 20 Minuten am Stromkabel.
Der Elektro-SUV hat eine reale Reichweite von rund 500 Kilometern (630 km nach WLTP).
Im Hyundai steckt ähnliche Technik wie im Kia (Platz 1, beide gehören zur Hyundai Motor Group). Auch ihm hilft ein 800-Volt-Bordnetz beim schnellen Laden – auf 272 km Reichweite nach 20 Minuten.
Der Ioniq 5 mit 74-kWh-Akku hat eine reale Reichweite von knapp 400 Kilometern (507 km nach WLTP).
Im Porsche steckt ebenfalls ein 800-Volt-Bordnetz, maximale (276 kW) und durchschnittliche Ladeleistung (227 kW) sind die besten im Test – zumindest anfangs: In nur zehn Minuten lädt er Strom für 183 km; in den folgenden zehn Minuten aber lediglich für 88 km. Insgesamt sind es deshalb nach 20 Minuten nur 271 km.
Weitergehende Informationen zum Schnelllade-Test finden sich hier.
Die ganze Diskussion um Ladezeiten und Reichweite ist reines Marketing der deutschen Autoindustrie, für den Alltag völlig belanglos!
Sonst sollte man auf die real benötigte Fahrdistanz im Alltag abstellen. Diese lässt sich meist ziemlich genau schätzen und ist deutlich kleiner.
Man kauft schliesslich auch nicht extra einen Kleinbus wegen zweimal Familienfest pro Jahr...