Donald Trump schockte die Schweiz am 1. August mit seiner Zollankündigung. 39 Prozent Aufschlag sollen auf Schweizer Exporte in die USA anfallen. Eine Hiobsbotschaft für die Schweizer Wirtschaft und im Endeffekt für das ganze Land.
Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter versuchte das Unheil unmittelbar vor Ablauf der Frist – Trump hatte das Inkrafttreten der Zölle mehrmals und schliesslich auf den 1. August verschoben – durch ein direktes Gespräch mit dem US-Präsidenten abzuwenden. Doch beim Telefonat mit dem unberechenbaren und impulsiven Trump traf sie dieses Mal nicht den richtigen Ton, wie Details, die nun bekannt werden, zeigen.
So schreibt die SonntagsZeitung, dass Trump trotz des Austauschs von Höflichkeiten bereits zu Beginn des Gesprächs «eher schlecht gelaunt» war. Er machte demzufolge beim Kernthema, dem Zollsatz, klar, dass das Handelsdefizit der USA mit der Schweiz viel zu gross sei, als dass etwa zehn Prozent Zoll akzeptabel wären. Die Schweiz müsse viel mehr zahlen. Über die Obsession des US-Präsidenten mit dem Handelsdefizit berichtete Keller-Sutter bereits unmittelbar nach dem Telefonat mit Trump am 31. Juli, als sie auf X bekannt gab, dass es keinen Deal mit den USA geben werde.
Dass Trumps Auslegung des Handelsdefizits vollkommen willkürlich ist und Wirtschaftsexperten mehr oder weniger einhellig der Meinung sind, dass Trumps Überlegungen jeglicher ökonomischer Vernunft widersprechen, spielte in diesem Fall keine Rolle. Das musste dem Bericht zufolge auch Keller-Sutter erfahren. Über eine halbe Stunde lang hat die Bundespräsidentin versucht, Trump zu erklären, wie das Defizit zustande komme. Dieser habe die Ausführungen je länger, desto mehr als «oberlehrerhaft» empfunden – und angefangen, über Zölle jenseits der 30-Prozent-Marke zu reden.
Keller-Sutter habe versucht, ihm dieses Vorhaben auszureden und auch immer wieder den provisorischen Deal, den die Schweiz mit Trumps Unterhändlern ausgehandelt hatte (siehe weiter unten), angesprochen. Doch schnell sei der Eindruck entstanden, dass Trump gar nicht verhandeln wolle, wie auch der SonntagsBlick berichtet. Keller-Sutter habe bald gemerkt, dass man quasi vor vollendeten Tatsachen stehe.
Weil sie ohne Rücksprache mit dem Bundesrat und dem Parlament auch gar nicht in der Lage war, andere Optionen für einen Deal vorzuschlagen, habe sie deshalb mit den bereits bekannten Argumenten weitergemacht und Trump versucht zu verdeutlichen, dass die Schweiz eine gute Handelspartnerin sei.
Doch rationale Argumente, so viel Sinn sie auch ergeben, haben den US-Präsidenten noch nie beeindruckt. Im Gegenteil: Wohlwissend über die Impulsivität des eigenen Chefs habe Seco-Vertreterin Helene Budliger während des Gesprächs, um 20.38 Uhr, eine SMS aus Trumps Umfeld erhalten: Es sei wohl besser, das Gespräch zu beenden, bevor es eskaliere, so die Botschaft.
Keller-Sutter sah dann wohl ein, dass es hoffnungslos ist, Trump beeinflussen zu wollen. Zwei Minuten später war die Unterhaltung beendet. Und lediglich zwei Stunden nach diesem Gespräch tauchte die neue Zoll-Liste der USA auf. 39 Prozent für die Schweiz, der vierthöchste Satz weltweit.
Weshalb genau der Satz noch deutlich höher ist als die ursprünglich veranschlagten 31 Prozent, ist bisher nicht ganz klar. Nach dem Auftauchen der neuen Details zum Telefonat liegt der Verdacht nahe, dass es sich um einen weiteren willkürlichen und spontanen Entscheid des US-Präsidenten handelte, den Wert noch höher anzusetzen.
Dabei hatte es in der Affäre eigentlich lange gut ausgesehen für die Schweiz. Karin Keller-Sutter gehörte zu den ersten Staatsoberhäuptern überhaupt, die mit Trump nach seinem «Liberation Day» am 2. April, wo er erstmals globale Zölle für den Handel mit den USA ankündigte, sprechen konnte. Sogar die «New York Times» spekulierte, dass Keller-Sutters Intervention dazu beigetragen hatte, dass Trump die Zölle aussetzte und ein erstes Mal auf Juli verschob.
Positiv waren die Schweizer Regierung und die Vertreter des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco auch in der Folge. Die Schweiz konnte rasch Verhandlungen mit den USA aufgleisen und angeführt von der Bundespräsidentin einen Entwurf für einen Deal mit US-Finanzminister Scott Bessent und dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer aushandeln. Seit Anfang Juli sei der Entwurf unterschriftsbereit auf Donald Trumps Tisch gelegen, darin soll man sich auf zehn Prozent Zölle geeinigt haben. Das wäre gegenüber dem Rest der Welt ein vorteilhafter Satz für die Schweiz gewesen.
Doch dann geschah: nichts. Der US-Präsident unterschrieb nicht. Die Schweizer Unterhändler gaben sich weiter optimistisch, kündigten mehrfach an, dass sie mit einem baldigen Abschluss rechnen würden. Erst in der Woche vor Ablauf der Frist per 1. August sollen sich bei Bundesrat und Seco ernsthafte Bedenken breitgemacht haben, wonach es womöglich tatsächlich keine Übereinkunft geben könnte. Am 31. Juli griff Karin Keller-Sutter dann zum Hörer – und das Unheil nahm endgültig seinen Lauf. (con)
Das hätte KKS auch wissen müssen.