Rund 30 Kinder unterschiedlichen Alters stehen in der Eishockey-Arena in Zürich Altstetten Spalier, jubeln und schlagen mit den Stöcken auf den Boden, als er das Eis betritt. Er ist Jonas Siegenthaler, Schweizer Nationalspieler, zweifacher Vizeweltmeister und einer der besten Defensivverteidiger der NHL.
In Zürich findet zum zweiten Mal das Jonas Siegenthaler Summer Camp statt. Während vier Tagen können Buben und Mädchen im Stadion der ZSC Lions mit dem 28-Jährigen trainieren, ein wenig «chneblä» und ihn mit Fragen löchern. Immer wieder spielt der Nati-Verteidiger perfekte Pässe, die die Kinder mal mehr und mal weniger souverän verwerten.
Es ist offensichtlich, dass beide Seiten Spass haben. «Am lustigsten sind die Fragen der Kids», erzählt Siegenthaler. «Die Kinder denken anders, sie sind ehrlich und offen. Es ist wirklich lustig, mit ihnen zu tratschen.» Der NHL-Verteidiger muss erklären, wie er sich nach dem verlorenen WM-Final gefühlt hat, oder schätzen, wie viele Tore er in seiner Karriere schon geschossen hat. Spoiler für alle Kinder, die mitlesen: In seiner Profikarriere hat Jonas Siegenthaler in 788 Spielen bislang 33 Mal getroffen.
Doch nicht nur in Zürich kommen Kinder in Genuss von Jonas Siegenthalers Zeit. Vor einem Jahr veranstaltete der frühere ZSC-Spieler ein gleiches Camp in Chiang Mai in Thailand. «Das war ein Projekt, von dem ich schon lange geträumt hatte», erklärt Siegenthaler, der Sohn einer Thailänderin und eines Schweizers.
Eigentlich wäre der Nati-Verteidiger auch dieses Jahr wieder gerne nach Thailand gereist, doch war das aus einem schönen Grund nicht möglich: Siegenthaler und seine Frau Nola wurden vor wenigen Tagen erstmals Eltern. Nächstes Jahr soll es aber erneut ein Thai-Camp geben, dieses Mal in Bangkok. «Thailand ist meine zweite Heimat. Und dort etwas zurückgeben zu können auf eine sportliche Art, ist wunderschön», erklärt Siegenthaler.
In Thailand seien er, die NHL und Eishockey ganz allgemein natürlich nicht so bekannt wie in der Schweiz. Als einziger NHL-Spieler mit thailändischen Wurzeln stelle er aber fest, dass das Interesse immer mehr steige. «Natürlich wird es nie der Nummer-1-Sport sein, aber wenn ich nur schon 100 oder 200 Kinder mit dem Hockeyfieber anstecke, dann ist das extrem cool», sagt der Zürcher.
Die Verbundenheit zum Land seiner Mutter – mittlerweile ist sie gemeinsam mit dem Vater wieder dorthin zurückgezogen – ist offensichtlich. Siegenthaler hat auch Thai-Charaktereigenschaften geerbt: «Wie viele Thais bin ich eher gelassen und ganz grundsätzlich ein fröhlicher Mensch.» Diese Ruhe helfe ihm auch in chaotischen Situationen auf dem Eis, die Nerven nicht zu verlieren und den Überblick zu behalten.
Die Sturheit, oder vielleicht auch den Biss, sich ein Ziel zu setzen und dieses dann auch konsequent zu verfolgen, ordnet der NHL-Söldner seinen Schweizer Genen zu. So geniesst er es auch, bei den New Jersey Devils auf zwei Schweizer Teamkollegen zählen zu können. «Uns ist bewusst, dass das etwas sehr Spezielles ist, und du weisst nie, wann das plötzlich wieder zu Ende geht», sagt Siegenthaler. Insbesondere bei den Auswärtsreisen verbringt er viel Zeit mit Nico Hischier und Timo Meier. Dann gehen sie gemeinsam Abendessen, Kaffee trinken oder klopfen auch mal einen Jass.
In New Jersey kochen die Devils-Teamkollegen auch gerne füreinander. Siegenthaler bezeichnet sich selbst als guten Koch, hat aber seine Mitspieler noch nie auf einen Thai-Abend eingeladen. «Das wäre eigentlich noch was …», meint er mit einem Schmunzeln.
Beim Sommercamp in Zürich steht der NHL-Schweizer nach dem Eistraining dann doch noch in der Küche. Er schöpft als Werbegesicht für einen Hersteller von Thai-Lebensmitteln in der Schweiz das Mittagessen auf die Teller der Kinder und ihrer Eltern – natürlich gibt es Thai-Currys. Nach der Essenspause bekommen alle Kinder ein Autogramm und haben die Gelegenheit für ein Foto mit ihrem Idol.
Es ist offensichtlich, dass den ganzen Tag der Spass im Vordergrund steht. Und das ist es auch, was Siegenthaler den Camp-Teilnehmern mitgeben will: «Sie sollen nie den Spass am Hockey vergessen. Der Spass steht an vorderster Stelle.» Natürlich zeige er auch, dass Durchhaltevermögen und ein starker Wille wichtig seien. Doch der Schweizer NHL-Star betont: «Es bringt dir am Ende nichts, wenn du dir jahrelang den Hintern aufreisst und am Ende den Spass verlierst. Dann ist etwas schiefgelaufen.»