Man sagt, Windows 95 war das iPhone seiner Zeit.
Am 24. August 1995 öffneten in den USA viele Computerläden nachts genau um 00.00 Uhr die Türen, um die ersten Packungen mit Disketten oder CDs des neuen Microsoft-Betriebssystems unter die Leute zu bringen. «Ich musste das einfach kaufen», sagte ein junger Mann dem lokalen Fernsehsender in Seattle. Windows 95 sei «hip». Das Kuriose: Er besass noch nicht einmal einen PC.
Die Amis nannten es «Midnight Madness» (Mitternachts-Wahnsinn). Und auch die Schweizer Medien waren aus dem Häuschen. So schrieb etwa das Boulevard-Blatt «Blick» an jenem geschichtsträchtigen Sommertag:
Und der Schweizer Journalist Peter Achten, der als Korrespondent aus China berichtete, machte sich voller Stolz daran, das neue Betriebssystem auszuprobieren.
Mit Windows 95 holte Microsoft-Gründer Bill Gates den Personal Computer aus der Nerd-Ecke und kam seiner Vision «Ein PC auf jedem Schreibtisch» einen entscheidenden Schritt näher.
Auf dieser Website kann man Windows 95 starten.
Und für alle Nerds und Nostalgiker hat sich das deutsche Techportal Golem.de 20 Jahre danach noch einmal an die Installation von Windows 95 gemacht. Lesenswert!
Das neue System brachte eine grafische Oberfläche mitsamt virtuellem Papierkorb. Dies kam zwar den Besitzern eines Apple Macintosh bekannt vor, doch für die meisten PC-Benutzer bot Windows 95 eine echte Premiere.
Das System entfachte einen Upgrade-Boom, denn im Vergleich zum Kommando-Zeilensystem MS-DOS und frühen Windows-Versionen sah es viel besser aus und war einfacher zu bedienen.
Die «Weltwoche» sah Apple in Gefahr – und sollte damit Recht behalten. Zumindest vorläufig.
Apple geriet wegen des Booms von Windows 95 tatsächlich in Existenznöte. Der damalige Apple-Boss John Sculley hatte zuvor vergeblich versucht, frühe Windows-Versionen als rechtswidrige Mac-Kopien gerichtlich untersagen zu lassen. Mit seinem Macintosh-Betriebssystem steckten die Apple-Ingenieure in einer technischen Sackgasse.
Aus diesen Nöten konnte sich das Unternehmen erst zwei Jahre später mit der Rückkehr von Steve Jobs befreien, der sein Next-Betriebssystem mitbrachte.
Der zu Apple zurückgekehrte Steve Jobs nahm damals sogar die Hilfe von Bill Gates in Anspruch, um das in Schwierigkeiten geratene Unternehmen zu retten. Ein Schachzug, der bei der Ankündigung von lautem Buhen durch die Apple-Fans begleitet wurde.
Microsoft investierte 150 Millionen Dollar in 150'000 Apple-Aktien und zahlte Gerüchten zufolge weitere 100 Millionen Dollar für Urheberrechtsverletzungen der vergangenen Jahre. Dass Jobs viele Jahre später mit dem iPhone und iPad den Microsoft-Bossen Kopfschmerzen bereiten würde, war damals noch nicht abzusehen.
1995 wurden weltweit erst gut 60 Millionen Computer verkauft. Zehn Jahre später überschritt die Zahl der verkauften PCs weltweit erstmals die Schwelle von 200 Millionen, Microsoft hielt damals einen Marktanteil von über 95 Prozent.
Den Höhepunkt erlebte der PC-Markt 2011 mit 365 Millionen Geräten. Seitdem zeigt die Kurve deutlich nach unten, weil bei vielen Menschen das Smartphone oder ein Tablet-Computer die Funktion des PCs übernommen haben.
Beim Hype um Windows 95 übersahen die Kunden auch die Nachteile. Die Software bot nur eine schwache Sicherheitsarchitektur und war anfällig für Computer-Viren. Dieses Problems nahm sich Microsoft erst neun Jahre später mit dem Service Pack 2 für Windows XP ernsthaft an.
Vier Monate nach der Premiere von Windows 95 rief Gates zu einem «Internet-Strategie-Workshop» nach Seattle und änderte seinen Online-Kurs um 180 Grad. Gates wählte einen aussergewöhnlichen historischen Vergleich, um die neue Strategie zu verdeutlichen. Am Jahrestag des Überfalls Japans auf Pearl Harbour erinnerte er an den Kommentar des japanischen Admirals Yamamoto, «er fürchte, sie hätten (mit dem Überfall) einen schlafenden Giganten geweckt.»
Gates Ansage lautete: «Heute ist das Internet die treibende Kraft bei allen Verbesserungen, die wir bei all unseren klassischen Produkten vornehmen.» Microsoft verstrickte sich danach in einen schmutzigen «Browserkrieg». Der Kampf gegen Netscape führte fast zur Aufspaltung des Konzerns, weil sich die Aufsichtsbehörden an Microsofts umstrittenen Geschäftspraktiken störten.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA
(dsc)