Von aussen betrachtet wirkt das Hotel mitten im Wald eigentlich ganz friedlich, ja zutiefst beruhigend. Doch der Schein trügt gewaltig. Bereits beim Eintritt in die Empfangshalle wird sofort spürbar, dass hier etwas nicht stimmt. Es war ein schriftlicher Hilferuf, der uns im Jahr 1898 in dieses abgelegene Gebiet lockte. Denn niemand Geringeres als die Liebe unseres Lebens wird hier im Gebäudekomplex gegen ihren Willen gefangen gehalten. Warum genau und wo sie sich befindet, gilt es nun Schritt für Schritt herauszufinden.
Die holde Maid Elizabeth hat sich zwar versteckt, nimmt aber via Telefon in der Hotelhalle Kontakt mit uns auf und geleitet ihren Thomas durch das riesige Haus und die angrenzenden Areale, wo bestimmte Gegenstände via Egoperspektive gefunden werden müssen, um den Weg durch die verschiedenen Etagen fortsetzen zu können.
Bald schon wird ersichtlich, dass in diesem einst wunderschönen Hotel ein mysteriöser Kult gewütet hat. Das Personal und die Gäste haben sich nämlich in blinde, herumschlurfende Gestalten verwandelt, die auf jedes Geräusch aggressiv reagieren und sofort auf Konfrontationskurs gehen.
Dagegen wehren kann sich unser Held Thomas jedoch nicht. Somit muss hauptsächlich herumgeschlichen und möglichst leise agiert werden, um den direkten Kontakt zu vermeiden. Wer rennt oder schon nur aufrecht geht, verursacht Lärm und lockt die Gegner an. Auch das blosse Atmen sollte in der Nähe der Kreaturen unterdrückt werden.
Wer also auf Knopfdruck regelmässig die Luft anhält und geduldig wartet, bis die Wesen vorbeigezogen sind, überlebt den Horror. Im späteren Spielverlauf findet man zwar eine Steampunk-Schallwaffe, aber die Munition dafür ist sehr rar gesät. Die Unholde lassen sich dadurch sowieso nur kurz lähmen und bleiben immer noch hartnäckig.
Konkret bedeutet das, dass sie in jeden einzelnen Raum plötzlich eindringen können, egal ob ein Geräusch sie anlockt oder der Kollege Zufall es so will. Nur im Save-Raum, wo bei einem Grammophon der Spielfortschritt gespeichert werden kann und immer neue Audioschnipsel Story-Hintergründe mitteilen, ist man sicher und kann erstmal durchatmen.
So wandert, respektive schleicht Thomas mutig von Stockwerk zu Stockwerk, untersucht jeden einzelnen Raum und löst das eine oder andere Rätsel, um die Suche nach seiner grossen Liebe fortzusetzen. Schlüssel finden, um damit bestimmte Türen zu öffnen oder verlorene Gegenstände aufzutreiben, um sie andernorts einzusetzen, das ist wahrlich nichts Neues im Survival-Horror-Genre.
Verwinkelte Herrenhäuser mit alten Gemälden an den Wänden, versteckte Türen, labyrinthartige Kellergewölbe und immer wieder die blutigen Spuren eines seelenlosen Kultes, «Maid of Sker» bedient sich genüsslich aus dem Genre-Topf. Fans lieben das innig und bekommen schon alleine in der Eintrittshalle wohlige Erinnerungen an das allererste «Resident Evil»-Abenteuer.
Die Köpfe von Wales Interacive müssen generell ganz grosse «Resi»-Fans sein. Es gibt nicht nur versteckte Anspielungen an die bekannte Game-Reihe, sondern auch der wortkarge Hüne Mr. X aus dem zweiten Teil hat es ins Spiel geschafft, respektive scheint Pate für eines der Übermonster gestanden zu haben. Denn auch in «Maid of Sker» gibt es einen stampfenden Riesen, der euch verfolgt und schon mal eine Wand durchbricht. Allerdings geschieht dies nur in einem bestimmten Spielabschnitt. Für den permanenten Terror setzen die Macher dann doch lieber auf die vielen blinden Gesellen, die man umgehen muss.
Die Geschichte wird sehr stringent erzählt und liefert nicht viele Überraschungen. Kennerinnen und Kenner erahnen schon in den ersten Spielminuten, wie hier der Horror-Hase läuft und auf was Wales Interactive hinaus will.
Dafür punktet das Spiel mit beklemmender Atmosphäre. Der Weg zur Ehefrau scheint zwar kurz zu sein, das Spiel ist in etwa sechs Stunden durchgespielt, aber der ständige Terror, der von den herumschleichenden Spukgestalten ausgeht, ist allgegenwärtig. Auch wenn man mit der Zeit den Bogen raushat, wie diese Kerle zu umgehen sind, darf man sich nie sicher sein.
Richtige Schockmomente, die einem in die Glieder fahren, sind selten. Doch wenn sie auftreten, dann aber richtig und heftig. Unvorhergesehenes Puls-Schütteln hat das Waliser Entwicklerstudio sehr gut drauf.
Während die Atmosphäre sich durchaus selber auf die Schulter klopfen kann, muss die Technik Kritik einstecken. Die Optik ist stellenweise dann doch etwas zu düster geraten. Auch wenn in den Einstellungen die Helligkeit nach oben geschraubt werden kann, gibt es Passagen, wo eine Orientierung schwierig wird und nur der ständige Blick auf die Karte beim Überleben hilft.
Zudem wirken einige Areale visuell verwaschen und ohne Feinschliff. Das sorgt durchaus für Gruselflair, weil aus der Entfernung nicht sofort alles erkennt werden kann und die Unsicherheit noch gesteigert wird. Geht man aber auf Entdeckungstour und möchte in den Räumlichkeiten etwas herumstöbern, müssen die Augen Überstunden leisten.
Ausserdem leidet der Titel an ein paar Design-Schwächen. Warum zum Beispiel in einem gesamten Stockwerk keine einzige Trinkflasche zur Energiegewinnung auffindbar ist, wissen wohl nur die Design-Götter.
Fazit: «Maid of Sker» ist für Genre-Fans schnell durchschaubar und auch sehr schnell durchgespielt. Grosse Überraschungen gibt es nicht. Trotzdem war ich während den sechs Spielstunden total angespannt und liess mich gerne durch die gruselige Hotelanlage mit ganz viel Gothic-Horror-Flair treiben. Dieses ständige Gefühl von Unbehagen hat Wales Interactive sehr gut drauf. Da verzeiht man auch die kleinen Design-Schwächen und die eine oder andere Inhaltslücke, die sich vor einem öffnet. Für einen schaurig schönen Kurztrip am Wochenende lohnt sich dieser Horror-Titel auf jeden Fall.
«Maid of Sker» ist erhältlich für Playstation 4, Xbox One und PC. Die Switch-Version folgt im Oktober. Freigegeben ab 18 Jahren.
Ist gut geschrieben und als Film würde ich es mir anschauen 😁