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Die Epstein-Verschwörung wird antisemitisch und ein Problem für Trump

Fotomontage zeigt Donald Trump, Steve Bannon und Marjorie Taylor Greene vor den Epstein-Files und einem Davidstern
Bild: watson/keystone/imago
Analyse

Die Epstein-Verschwörung wird antisemitisch

Der verstorbene pädophile Milliardär soll angeblich ein Mossad-Agent gewesen sein.
15.07.2025, 16:3215.07.2025, 16:39
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Die erste Reaktion ist Schadenfreude, und sie ist verdient. Donald Trump, der mehr Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt hat als jedes andere lebende menschliche Wesen, muss sich jetzt selbst gegen eine Verschwörungstheorie zur Wehr setzen. Und er ist am Verlieren, und das sind die Gründe:

Bisher hat die Maga-Meute alles geschluckt: Die Mauer gegen Mexiko, die nicht gebaut und auch nicht von den Mexikanern bezahlt wurde. Die Lüge, dass Barack Obama nicht in den USA auf die Welt kam und deshalb ein illegaler Präsident war. Die Big Lie, wonach die Wahlen von 2020 gezinkt waren. Wer dem widersprach, der verbreitete Fake News von Marxisten und Sozialisten oder von einem angeblichen Deep State. Selbst die offene Korruption der Trump-Familie stecken die Fans mit einem Achselzucken weg.

epa08879709 Former National Security Advisor and convicted felon Michael Flynn speaks to supporters of US President Donald J. Trump who gathered outside the Supreme Court to echo Trump's baseless ...
Glaubt Trump nicht: Michael Flynn, ehemaliger Sicherheitsberater.Bild: keystone

Die zweite Reaktion ist Staunen. Wie kann es sein, dass Trump nicht in der Lage ist, die Sache mit der Epstein-Liste aus der Welt zu schaffen? Normalerweise reicht ein Hinweis auf Hillary Clintons E-Mails oder Hunter Bidens Laptop – und die Suppe ist gegessen. Doch diesmal versagen selbst die beliebtesten Trump-Hits. Und das, obwohl man dem US-Präsidenten etwas nicht absprechen kann: Er hat einen untrüglichen Sinn für die Stimmung seiner Maga-Meute.

Selbst die eigenen Leute sind erstaunt. Mike Cernovich, ein einflussreicher Blogger der rechtsextremen Art, postete am vergangenen Sonntag auf X: «Die Reaktion auf Epstein sollte ihn aufrütteln. Niemand glaubt ihm. Niemand will das Thema ruhen lassen.»

Michael Flynn, Trumps kurzzeitiger Sicherheitsberater und langzeitiger QAnon-Gläubiger, doppelt ebenfalls auf X nach: «Das Ding wird nicht vorübergehen.» Derweil fleht Roseanne Barr, eine frühe und äusserst loyale Trump-Anhängerin: «Mr. President – ja, die Epstein-Sache ist uns wichtig. Wie kann man sich nicht um einen Sexhandel mit Kindern kümmern? Verstehen Sie endlich, was da los ist.»

Die Vertreter der Maga-Meute werden selten eines übermässig hohen IQs beschuldigt. Doch wie Jonathan Chait im «Atlantic» feststellt: «Die von Maga unterstützte Theorie, wonach Epstein mit stiller Duldung der Regierung mächtige Leute unterstützt hat, ist nicht verrückt. (Nicht bewiesen, aber auch nicht undenkbar.) Das Verrückte daran ist die Tatsache, dass die These in eine Pro-Trump-Weltanschauung umgewandelt wurde.»

Wie alle Verschwörungstheorien lebt die Epstein-Liste von Gerüchten und Vermutungen. Die wenigen Fakten, die bekannt sind, belasten ausgerechnet Trump selbst. Er war einst ein guter Kumpel von Epstein und dessen Freundin Ghislaine Maxwell, die mittlerweile im Knast sitzt und der Trump einst alles Gute gewünscht hat.

Maxwell hat eines der Epstein-Opfer, Virginia Giuffre – sie hat inzwischen Selbstmord begangen –, in Mar-a-Lago angeworben. Ebenso ist bekannt, dass Trump wie Epstein eine Vorliebe für sehr junge Frauen hatte. So haben sich die Teilnehmerinnen seiner Miss-Wahlen beklagt, er sei öfters unangemeldet in ihren Umkleideräumen aufgetaucht.

Epstein-Liste und Donald Trump: Das MAGA-Land tobt.
Waren einst Kumpels: Jeffrey Epstein und Donald Trump.Bild: keystone

Ja, auch Bill Clinton, Bill Gates und verschiedene Hollywood-Stars waren Passagiere auf dem «Lolita Express», Epsteins Privatjet. Wie man jedoch Trump ausblenden kann, ist rational nicht nachzuvollziehen.

Ebenso unverständlich ist die Art und Weise, wie Trump sich aus der Sache herauswinden will. Im Wahlkampf hat er öfter die Existenz einer Epstein-Liste bestätigt und versprochen, sie im Falle eines Wahlsiegs auch zu veröffentlichen. An die Spitze des FBI setzte er zwei der vehementesten Vertreter der Epstein-Verschwörungstheorie, Kash Patel und Dan Bongino. Beide haben nun zur Verblüffung der Maga-Meute erklärt, es gebe leider nichts zu sehen.

Trump selbst verwickelt sich derweil in Widersprüche, die selbst für seine Verhältnisse haarsträubend sind. Zuerst liess er seine Justizministerin Pam Bondi erklären, sie sei im Besitz der Epstein-Liste und werde sie demnächst veröffentlichen. Dann erfolgte der überraschende Rückzug mit der Begründung, es gebe gar keine Liste. Und jetzt erklärt Trump, doch, doch, es existiere eine Liste, nur sei diese von den üblichen Verdächtigen (Clinton, Obama, Biden, Comey) gefälscht worden.

All dies mag unfreiwillig komisch sein. Es ist jedoch auch brandgefährlich, denn die Maga-Meute hat der Epstein-Lüge eine neue Wendung verpasst. Jetzt heisst es: Der Mann sei in Tat und Wahrheit ein Agent des Mossads, des israelischen Geheimdienstes, gewesen. Prominenter Vertreter dieses Unsinns ist kein Geringerer als Tucker Carlson, der gefeuerte Star-Moderator von Fox News. Er erklärte in seinem Podcast: «Im Zentrum dieser Geschichte stecken die amerikanischen und israelischen Geheimdienste, und sie werden beschützt.»

Tucker Carlson speaks before Republican presidential nominee former President Donald Trump at a campaign rally at Madison Square Garden, Sunday, Oct. 27, 2024, in New York. (AP Photo/Evan Vucci)
Glaubt an die Mossad-These: Tucker Carlson.Bild: keystone

Natürlich ist diese absurde These postwendend von der israelischen Regierung dementiert worden. Vergeblich. Doch die Regierung von Netanjahu konnte es sich dabei nicht verkneifen, ihre innenpolitischen Gegner zu diffamieren. Amichai Chikli, Minister für Diaspora-Angelegenheiten, fügte seiner Antwort hinzu, ihn würde die Verbindung von Epstein zu den früheren israelischen Premierministern Ehud Barak und Ehud Olmert ebenfalls sehr interessieren.

All dies bedeutet, Öl in ein brennendes Feuer zu giessen. Antisemitismus ist auf dem Vormarsch, nicht nur wegen des Verhaltens der israelischen Armee im Gaza-Streifen. Auch in der rechten Szene wird er wieder salonfähig. So verbreitet Grok, der Chatbot von Elon Musk, neuerdings offenen Judenhass und bezeichnet sich selbst als «MechaHitler».

Fazit. Was eigentlich Stoff für eine surreale Komödie bildet, verwandelt sich in politisches Gift und lässt alle ratlos zurück, auch die Maga-Meute. So erklärte Natalie Winter, eine junge Reporterin in Steve Bannons «War Room», gegenüber der «New York Times»: «Es ist alles so bizarr. Ich verstehe gar nichts mehr.»

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213 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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The Destiny // Team Telegram
15.07.2025 18:19registriert Mai 2014
Der Autor vermischt auch generelle Kritik an Israel mit Antisemitismus. Das ist ein grosser Fehler.
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The Destiny // Team Telegram
15.07.2025 18:18registriert Mai 2014
Der Autor verpasst es aufzuzeigen wo der Antisemitismus ist und der Zusammenhang zu der casa Epstein. Der verweis auf eine KI welche einen Bug hat ist nicht ausreichend.
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s'Paddiesli
15.07.2025 18:06registriert Mai 2017
Es gibt Berichte über umfangreiche Treffen zwischen Jeffrey Epstein und dem ehemaligen israelischen Premierminister Ehud Barak. Laut einem Bericht des Wall Street Journal, der auch von The Times of Israel zitiert wird, soll Barak Epstein zwischen 2013 und 2017 etwa 30 Mal in dessen Anwesen in Florida und New York besucht haben. Dazu gehörte auch ein Privatflug mit Epstein im Jahr 2014.
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