Hope County im Bundesstaat Montana war einst ein schaurig schöner Ort, wo die Bevölkerung von einer Sekte terrorisiert wurde. Am Ende von «Far Cry 5» wurde die Glaubensgemeinschaft Eden's Gate jedoch regelrecht weggefegt. Denn die prophezeite Apokalypse trat tatsächlich ein, verwüstete die Welt und somit auch das von der Umwelt abgeschnittene Tal.
17 Jahre sind seit dem atomaren Zwischenfall vergangen. Viele Menschen sind gestorben, doch viele konnten sich auch retten und haben in Hope County die Grundpfeiler für eine neue, friedliche Zivilisation aufgebaut. Doch wie es sich für ein Endzeitszenario gehört, gibt es auch böse Buben, die Chaos und Terror verbreiten. In diesem Fall werden die Buben, die sogenannten Highwaymen, von illustren Zwillingsschwestern angeführt. Mickey und Lou sind zwei typisch durchgeknallte «Far Cry»-Antagonistinnen, die jedoch in Sachen Charaktertiefe kaum an frühere Bösewichte herankommen. Doch dazu später mehr.
Die Aufgabe des Spielers ist klar: Als männlicher oder weiblicher Freiheitskämpfer muss die Anarchie-Bande ausradiert und deren Einfluss gestoppt werden. Dazu werden Aussenposten eingenommen und geplündert. Man begibt sich, wahlweise wieder mit einer menschlichen oder auch tierischen Begleitung, auf Schatzsuche, rekrutiert wieder neue Mitglieder für den Widerstand, sammelt ganz viele Gegenstände und Pflanzen ein, levelt sich hoch, baut seine Basis aus und sorgt sich um das Wohlergehen der Bevölkerung.
Viele Geschäfte und Missionen drehen sich dabei um Ethanol, das nicht nur als Treibstoff dient, sondern generell überall seinen Einsatz findet, um sowohl die technische als auch die gesellschaftliche Welt aufzubauen und zusammenzuhalten. Und natürlich gibt es wieder ganz viele Waffen, die man finden oder auch selber bauen kann. Vom Sägeblattwerfer bis zum brachialen Granatwerfer ist alles dabei. Und auch hier gilt: Nur wer viel und regelmässig plündert und Gegenstände einsammelt, kann sich sein Objekt der Begierde und auch diverse Vehikel selber zusammenbauen.
Im Verlauf der Geschichte trifft man wie gewohnt auf kuriose und auch bereits bekannte Figuren aus dem «Far Cry»-Universum, die neue Missionen freigeben. Hauptantrieb der Storyline ist vorerst die Frage, ob der Sekten-Guru Joseph Seed überhaupt noch lebt und was aus den Mitgliedern geworden ist. Auf der Reise durch das verwüstete, aber dann doch wieder neu erblühte und sehr bunte Hope County trifft man auf kuriose Tiere und neuartige Pflanzen, die durch die kurze aber intensive Evolution von Mutter Natur hervorgebracht wurden. Dass sich die Umwelt nach nur 17 Jahren bereits von einer nuklearen Katastrophe dermassen erholt hat, wollen wir hier einfach mal glauben und die Logiklöcher ausblenden.
Man kann Hope County neuerdings auch mal kurz verlassen, indem man an Expeditionen teilnimmt, dort auf Schatzsuche geht oder Missionen an aussergewöhnlichen Ortschaften bestreitet. Eroberte Aussenposten können übrigens nach der Plünderung wieder den Gegnern überlassen werden. Diese bauen die Stellung wieder aus und füllen sie erneut mit Material, das man stehlen kann. Doch dieses Mal muss man mit viel mehr Widerstand rechnen.
Die Spielwiese ist erheblich kleiner als bei «Far Cry 5». Viele Gebiete sind nicht begeh- oder befahrbar, weil sie von der atomaren Strahlung verseucht wurden. Auch der Story-Part ist für ein «Far Cry» eher kurz und nach etwa 12 bis 15 Stunden durchgespielt. Natürlich gibt es auch viele Nebenmissionen und andere Herausforderungen zu meistern, doch alles bleibt schön überschaubar. Auf der Landkarte wird man nicht mit Symbolen überflutet. Ein sehr angenehmes und überraschendes Gefühl, weil sich Ubisoft meistens kaum zurückhalten kann und an jeder Ecke nach Aufmerksamkeit schreit.
Mickey und Lou sind schön brutal und schön irre. Wie es sich für Bösewichte im «Far Cry»-Universum gehört, ticken sie regelmässig aus, lassen das Blut spritzen und sorgen für einige denkwürdige Momente. Doch die Zwillingsschwestern bekommen auf dem Bildschirm viel zu wenig Zeit, um sich in Szene zu setzen. Ihre Motivation und ihr Antrieb, ihre Leidenschaft, in dieser neuen, rauen Welt zu herrschen, gehen völlig unter. Oberflächlich dienen sie nur als Schaubudenfiguren, weil die Geschichte nach einem Gegenpart verlangt. Trotz der etwas kurzen Spielzeit hätte man die beiden Damen mehr in den Fokus rücken können, um ihnen eine verdiente Tiefe zu geben.
«New Dawn» kann man durchaus spielen, ohne den Vorgänger zu kennen. Durch Dialoge wird man einigermassen aufgeklärt. Um noch mehr zu erfahren, sollte man sich etwas Zeit nehmen und die verstreuten Briefe und Dokumente brav lesen, um auf den neusten Stand gebracht zu werden. Wer jedoch in den vollen Genuss der Geschichte kommen und viele Hinweise richtig deuten möchte, sollte den Vorgänger gespielt respektive die Welt von Hope County vor dem Kollaps kennengelernt und erlebt haben. Zudem hat das Spiel seine stärksten Momente, wenn es Bezug zum vorherigen Abenteuer nimmt und dramaturgisch darauf aufbaut.
Fazit: Auch wenn «New Dawn» ein paar starke Momente und Überraschungen auf Lager hat, sie bleiben dann doch belanglos und sind schnell wieder vergessen. Die Geschichte ist vorhersehbar, hat zu wenig Biss und stolpert gegen Ende sogar über ihre eigenen Beine. Wer mit «Far Cry 5» seinen Spass hatte und unbedingt wissen möchte, wie es nach der Apokalypse in Hope County weitergeht, wird für ein paar Stunden gut unterhalten. Wer aber wirklich «Far Cry»-müde ist, macht einen grossen Bogen und investiert die knapp 50 Franken lieber in die Konkurrenz.
«Far Cry New Dawn» ist ab dem 15. Februar erhältlich für Playstation 4, Xbox One und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.
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Far Cry 3 war mit Abstand das beste Spiel und sucht bis heute seinesgleichen.