Das neue «Fallout 76» ist sehr kundenunfreundlich. Man mag sich streiten, ob die Ausrichtung auf einen reinen Online-Modus die richtige Entscheidung war, um dem Franchise neuen Antrieb zu verleihen. Dass es aber zum Release dermassen viele technische Fehler im Spiel gab, ist schon eine Zumutung. Mag sein, dass einige Bugs mittlerweile behoben wurden und das Spiel nicht mehr so oft abstürzt oder mit Geschwindigkeitsproblemen zu kämpfen hat, aber der Zustand zum Erscheinungstermin war alles andere als professionell.
«Fallout 76» ist ein Open-World-Action-Rollenspiel und eigentlich ein Prequel zum gesamten «Fallout»-Franchise, das 1997 zum ersten Mal für den PC erschien. Wie in der Spielreihe üblich, bietet auch diese Version eine alternative Geschichtsschreibung in einer postapokalyptischen Welt. Der Kalte Krieg zwischen West und Ost dauerte hier in diesem Universum viel länger, als wir es aus unseren Geschichtsbüchern kennen. Die 1950er-Jahre hatten dabei starken Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft und haben die USA vor allem technisch nachhaltig inspiriert und geprägt. Darum haben wir in diesem Spiel auch stets ein aussergewöhnliches Retro-Future-Design, das die Spielreihe so bekannt gemacht hat.
Wir schreiben das Jahr 2102. 25 Jahre nachdem die grossen Bomben abgeworfen wurden und die Welt quasi unterging, steigen wir aus dem Vault Nummer 76, um unsere Welt zurückzuerobern. Ein Vault ist vergleichbar mit einem Hightech-Bunker, den man nun als Mensch nach Wahl verlassen darf, um wieder eine Zivilisation mit allem drum und dran aufzubauen.
Der grosse Unterschied zu den anderen «Fallout»-Spielen ist, dass jeder menschliche Charakter, auf den man im Online-Spiel nun trifft, eine reale Person ist, die gerade selber irgendwo auf der Welt hinter dem Controller oder dem Rechner sitzt. Das ist besonders faszinierend, wenn man denn überhaupt mal jemanden trifft. Denn die Welt ist oft einfach nur menschenleer.
Dafür trifft man auf allerhand Mutanten, kuriose Tiergeschöpfe und Mischwesen, die nach Lust und Laune von der Natur neu erschaffen wurden. Die Welt, in der man sich bewegen darf, ist etwa vier Mal grösser als bei «Fallout 4». Hauptschauplatz ist der US-Bundesstaat West Virginia. Oder das, was halt noch von ihm übrig ist. Verbrannte Wälder, zerstörte Gebäude und Menschenopfer prägen das Gesamtbild.
Was muss oder darf ich denn nun in diesem Online-Spiel tun? In erster Linie gilt es in dieser Einöde zu überleben. Also Nahrung suchen, Gegenstände horten, sich aufleveln, verbessern, Rüstungen bauen und neue eigene vier Wände bauen. Und natürlich wird auch in diesem «Fallout» gekämpft und geschossen. Denn nach der nuklearen Katastrophe haben sich im Verlauf der Zeit viele kuriose Geschöpfe entwickelt, die meistens sehr aggressiv auf die überlebenden Menschen aus dem Bunker reagieren. Hier und da gibt es auch ganz konkrete Missionen zu absolvieren. Etwa eine Wasserquelle suchen oder auch mal eine Leiche auffinden, die wichtige Informationen oder Gegenstände bei sich trägt, um den Wiederaufbau voranzutreiben.
«Fallout 76» kann nebst dem Multiplayer-Part auch komplett alleine gespielt werden. Und da machen sich schnell einmal Einsamkeit und auch Langeweile breit. Man stampft durch die wahrlich hübsch heruntergekommenen Gegenden und vermisst dann schnell einmal ein menschliches Wesen, mit dem man kommunizieren könnte. Infos und Hintergründe für Minimissionen werden meistens von Tonbändern oder roboterähnlichen Geschöpfen wiedergegeben.
Doch diese Einsamkeit kann auch sehr faszinierend sein. Denn wann zuletzt war man in einem Spiel wirklich auf sich alleine gestellt und hatte niemanden zum Reden und musste mit sich selber klar kommen? Dieser eingeklemmte Zustand wäre also gar nicht so übel. Doch es fehlt mit der Zeit der Motivationsschub einer Geschichte, sprich die Notwendigkeit einer richtigen Aufgabe nachzugehen.
Klar kann man sich einer Gruppe von Online-Spielern beispielsweise anschliessen. Doch da geht es meistens nur darum gemeinsam irgendeine Nullachtfünfzehn-Mission zu erledigen oder eine Siedlung aufzubauen. Auch das kann natürlich spannend sein, wenn man nicht nach einem narrativen Faden dürstet.
Nochmals: «Fallout 76» kann im Alleingang eine wunderschöne Erfahrung sein, wenn man sich auf die virtuelle Einsamkeit einlassen möchte. Da wird die seltene Begegnung mit einem anderen Online-Spieler in der öden Landschaft immer zum kleinen Ereignis und man freut sich richtig. Wer mit einer Gruppe umherzieht, kann auch auf seine Kosten kommen, wenn er oder sie aber den dramaturgischen Anspruch herunterschraubt. Eine Geschichte, die den Weg weist und für Spannung sorgt, gibt es nicht. Wer damit klarkommt, wird eigentlich Spass haben.
Eigentlich. Denn die momentane Technik lässt doch etwas gar zu wünschen übrig. Entwickler Bethesda hat noch sehr viel zu tun in den kommenden Wochen. Denn das Spiel leidet an vielen Krankheiten, die durch diverse, kostenlose Updates ausgemerzt werden sollen. Gerade diese technischen Fails bremsen den Spielspass ungemein. Wenn es immer wieder zu Unterbrüchen, Rucklern oder gar Server-Abstürzen kommt, wird die Geduld sehr stark in Anspruch genommen.
Fazit: «Fallout 76» ist ein Spiel, das viel Geduld verlangt. Egal ob man alleine oder in der Gruppe durch die immer noch sehr faszinierende, postapokalyptische Welt wandert, ohne eine treibende Geschichte entwickelt sich alles langsam und gemächlich. Das wird viele Spielerinnen und Spieler abschrecken. Doch diese Einsamkeit kann auch eine neue Spielerfahrung sein, die befriedigt.
Unbefriedigend ist jedoch die Technik zum Start des Spiels, die auch noch nach dem Release und nach Updates immer noch herumzickt. Wer also das neue «Fallout» noch nicht gekauft hat, aber dennoch interessiert ist, sollte lieber warten, bis auch der letzte Bug vernichtet wurde.
«Fallout 76» ist erhältlich für Playstation 4, Xbox One und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.
Habt ihr «Fallout 76» schon gekauft und installiert oder wartet ihr noch, bis es richtig funktioniert? Die Kommentarspalte ist geöffnet!