Schon nach den ersten Spielminuten legt sich meine Stirn in Falten und ich kratze mich am Hinterkopf. Denn ich verstehe wieder mal nicht viel, was da auf dem Bildschirm gerade abgeht.
Die Superhexe Bayonetta bewegt sich wieder mit voller Anmut von einer Ausgeburt der Hölle zur nächsten und zerlegt diese wunderschön in ihre Einzelteile. Sie ballert, schlägt und stampft sich wie gehabt durch ein krudes Science-Fiction-Fantasy-Setting und hinterlässt ganz viele Fragezeichen.
Nein, ich verstehe nicht viel, aber das war schon bei den Vorgängern so. Die Verwirrung ist gross, aber auch irgendwie vertraut. Denn Teil 3 fühlt sich genau so an wie die letzten Abenteuer und verzückt schon fast mit nostalgischen Gefühlen. Vor allem, wenn man sich an das Jahr 2009 erinnert, wo der erste Titel dieses überraschenden Hack-and-Slay-Feuerwerks für kurzweilige Nächte sorgte.
Die «Bayonetta»-Reihe ist und war schon immer ein Videospieltrip, der uns mit seinem japanischen Überstil fast schon erschlägt, viele Fragezeichen hinterlässt, uns aber auch berauschend verzückt. Und diese Attribute haben wir stets an dieser überbordenden Marke so sehr geliebt und können dieser Anziehungskraft auch heute nur schwer widerstehen.
Bayonetta trägt übrigens nicht etwa einfach nur einen hautengen Anzug, während sie reihenweise dunkle Gestalten vermöbelt. Nein, der Anzug ist genau genommen eine Fortsetzung ihrer Haarpracht und besitzt so etwas wie ein Eigenleben. Mit dieser magischen Mähne erschafft sie schliesslich turmhohe Monster und sonstige Zaubereien, um ordentlich auf den Putz zu hauen.
Und immer wenn sie ihre Haare in den Kampf schickt und sich daraus ihre Monster-Dämonen-Kollegen formieren, steht die Hexe eigentlich komplett nackt auf dem Platz. Die nackten Tatsachen werden zwar stets gut kaschiert, aber ja, Bayonetta ist eigentlich immer ganz schön viel nackig unterwegs. Einfach, dass wir das hier nochmals festgehalten haben und damit unterstreichen, wie abgedreht diese Videospielreihe nun mal ist.
Aber um was geht es denn nun eigentlich im dritten Teil, respektive, was ist denn zuvor alles passiert? Nun, es ist kompliziert, man bräuchte eine eigene PowerPoint-Präsentation und sehr viel Zeit sowie Verständnis für interdimensionale Vorkommnisse.
Auf jeden Fall hat die Hexe den Weltuntergang mehrmals verhindert und diversen Dimensionsmonstern und Kultanhängern den Allerwertesten versohlt. Doch auch im dritten Teil kommt die Heldin nicht zur Ruhe. Denn ein neuer Feind, die sogenannte Singularität, möchte mit einer Mensch-Monster-Roboter-Armee plus obligate turmhohe Gegner alles auf der Erde und gleich auch noch das gesamte Multiversum vernichten.
Um das alles zu verhindern, besucht Bayonetta unterschiedliche Levels, wo sie sich auf die Suche nach den sogenannten Chaosgetrieben macht, um Zugang zur einen übrig gebliebenen Welt zu erlangen, wo dann der Showdown wartet. Irgendwie so.
Also alles wie bei den Vorgängern? Fast. Während den ersten Spielstunden schleicht sich durchaus dieses Gefühl herbei, dass hier alles beim Alten ist. Die überbordenden, teils sehr hektischen Kämpfe mit den überdimensionierten Gegnern, die vertraute Musik, die wieder verwendeten Soundeffekte, der stets übercoole Händler, alles scheint direkt aus den ersten beiden Spielen übernommen worden zu sein.
Doch je länger wir uns in dieser überdrehten Comicwelt befinden, desto mehr tauchen neue Inhalte und Details auf, die uns doch mit grosser Überraschung verwundern. Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass nun auch in der «Bayonetta»-Mythologie ein Multiversum Einzug gehalten hat und uns mit Figuren segnet, die uns doch sehr, sehr bekannt vorkommen. Ja, das wird dann alles noch verwirrender und der Kopf muss wirklich bei der Sache bleiben, um hier den Durchblick zu bewahren.
Aber auch die Levelstruktur hat ein paar Überraschungen auf Lager. So können wir zum Beispiel fernab von der Thirdperson-Perspektive auch mal in einer simplen 2D-Welt in einem Sidescrolling-Minispiel von rechts nach links wandern, um unser Ziel in einer speziellen Umgebung zu erreichen. Das tun wir sogar in der Rolle der alten Kumpelin Jeanne, die sich der Superhexe im Kampf anschliesst.
Zudem dürfen wir jetzt riesige Dämonen direkt auf dem Schlachtfeld steuern, in bestimmten Arealen mehr als jemals zuvor auf Entdeckungsreise gehen und auf dem Rücken von ausgewählten Super-Ungeheuern über einstürzende Häuserschluchten rennen, während vor uns ein noch viel grösseres Ungetüm unsere Aufmerksamkeit verlangt.
Und auch eine ganz neue Hexe dürfen wir steuern: Viola ist zwar noch in der Lernphase, hat es aber jetzt schon faustdick hinter den Ohren. Wer sie genau ist, wollen wir hier natürlich nicht verraten.
Fazit: Auch wenn es ein paar kleine, aber feine Neuerungen ins Spiel geschafft haben, können sie nicht davon ablenken, dass sich die «Bayonetta»-Reihe nicht grundlegend verändert hat und sogar ziemlich felsenfest stehen geblieben ist.
Noch immer teilt die Hexe lasziv gegen eine Horde von Monstern aus, die immer wie grösser und abgefahrener werden. Und noch immer hält die Kamera ab und zu auf ihren Allerwertesten drauf und setzt die Hexe besonders plakativ in Szene. Parallel bekommen wir ein heimeliges Gameplay serviert, dass uns ohne grosse Experimente an die Vorgänger erinnert.
Auch der dritte Teil vom Entwickler Platinum Games ist kein Meisterwerk geworden, doch er bietet immer noch das, was wir an dieser Hexe halt auch seit vielen Jahren einfach mögen: Knallharte, wunderbar durchchoreografierte Action vor einer abgefahrenen Kulisse, die uns eine Mindfuck-Geschichte präsentiert, der wir überhaupt nie böse sein können, wenn wir wieder mal den Anschluss verpasst haben.
«Bayonetta 3» ist erhältlich für Nintendo Switch und freigegeben ab 16 Jahren.