Brenzlige Situationen in luftiger Höhe: Drohnen werden weder vom Boden- noch vom Flugzeugradar erkannt.Bild: KEYSTONE
«Böse» Drohnen: Die neue Gefahr für Flugzeuge und wie wir damit umgehen
Immer häufiger kommt es im Luftverkehr zu Zwischenfällen oder Fast-Kollisionen mit ferngesteuerten Flugobjekten. Wie gross schätzen Fachleute die Bedrohung durch Quadcopter und Co. ein?
Beim Landeanflug auf London Heathrow kollidierte kürzlich ein Airbus A-320 von British Airways mit einem Flugobjekt. Gemäss Aussagen des Piloten war es eine Drohne.
Der Zwischenfall lief glimpflich ab, es entstand kein Schaden, die Maschine landete sicher. «Die Kollision war eine Frage der Zeit», sagte Steve Landells, Flugsicherheitsspezialist der British Airline Pilots Association.
Inzwischen sind die Untersuchungen abgeschlossen. Die Experten gehen davon aus, dass das Flugzeug damals nicht mit einer Drohne kollidierte. Trotzdem sind die ferngesteuerten Flugobjekte zunehmend eine Gefahr.
Beinahe-Zusammenstoss
Bereits im September 2015 kam es zu einer kritischen Situation in Hamburg, als die Piloten eines Embraer-Jet von Finnair eine Drohne in 30 Meter Distanz auf gleicher Höhe sichteten, schreibt der Aviatik-Journalist Andraes Spaeth in seinem kürzlich erschienenen Buch «Crash Test». Ein Ausweichen wäre kaum möglich gewesen. Drohnen sind klein und auf dem Radar nicht erkennbar.
Fachleute sind alarmiert. Von 2013 bis September 2015 zählte der Airline-Verband Iata in einer eigenen Erhebung 856 Zwischenfälle oder Fast-Kollisionen mit ferngesteuerten Flugobjekten. Die meisten davon in den USA. Die US-Zivilluftfahrtbehörde FAA sagte, dass in den USA im Winter eine Million «Freizeitdrohnen» verkauft wurden.
«Drohnenflieger sind sich oft nicht bewusst, dass sie eine Gefahr für die Fliegerei darstellen.»
Aeropers-Sprecher Thomas Steffen
Flugverbot in Flughafennähe
Drohnen fliegen nicht im rechtsfreien Raum. In der Schweiz und in Deutschland existieren bereits Regelungen. Drohnen und ferngesteuerte Flugzeuge darf man in der Schweiz nicht näher als fünf Kilometer von Flughäfen fliegen lassen, wobei Kantone ergänzende Einschränkungen erlassen können. In Reinach BL ist das Thema Drohne ein Politikum. Im revidierten Polizeireglement wird der Einsatz von «unbemannten Luft- und Modellluftfahrzeugen» stark limitiert. Im Siedlungsgebiet ist es bald nur noch möglich, über Privatgrundstücken zu fliegen.
Lernen aus Fast-Katastrophen
Der Erfolg der Zivilluftfahrt im Bereich der Sicherheit liegt bei der Analyse der bisherigen Katastrophen und Zwischenfälle. Sie sind für den Erkenntnisgewinn noch wichtiger als die eigentlichen Katastrophen. Alleine deshalb, weil die Piloten Aussagen machen können und das Flugzeug nicht zerstört ist. Autor Andreas Spaeth schildert in seinem Buch detailreich und spannend auch Unfälle und Zwischenfälle, die dank hoher Professionalität der Besatzung nicht in gigantischen Katastrophen endeten. Zum Beispiel der Flug QF32 von Quantas am 4. November 2010 mit 469 Menschen an Board. Nach dem Start erschütterte ein Knall den riesigen Kahn. Dann ein Zweiter. Eines der Triebwerke war explodiert. Trümmerteile hatten die Steuerung verletzt, ein Teil der Elektronik kam zu Schaden, der Treibstofftank hatte ein Loch. Trotzdem konnte der Pilot das Flugzeug landen. Und die Flugsicherheit war durch die Erfahrung einen Schritt weiter.
Auf schweizerischer Ebene braucht es für den Betrieb von Drohnen und Flugmodellen mit einem Gewicht von über 30 Kilogramm eine Bewilligung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL). Auch das Fliegen von Drohnen ohne direkten Augenkontakt ist nur mit einer Bewilligung des BAZL möglich. Doch schon heute sind Multikopter erhältlich, die man per Videobrille steuern kann. Das Amt legt die Bedingungen für die Zulassung und den Betrieb in jedem einzelnen Fall fest.
Diese Aussichten sind wenig erfreulich. Auch beim Schweizer Pilotenverband Aeropers sind Drohnen immer mehr ein Thema. «Drohnenflieger sind sich oft nicht bewusst, dass sie eine Gefahr für die Fliegerei darstellen», sagt Aeropers-Sprecher Thomas Steffen, der beruflich A-320 fliegt. Besonders in der Startphase sind Kollisionen heikel. Gerät eine Drohne in ein Jettriebwerk, könnten Turbinenschaufeln verbogen werden. Dann sinken Luftdurchsatz und Leistung; das Triebwerk überhitzt. Im schlimmeren Fall kann sich ein Turbinenrad zerlegen, Trümmer könnten in Treibstofftanks einschlagen Noch nicht erforscht ist die Explosion einer Lithium-Batterie im Triebwerk.
Wie Buchautor Spaeth schreibt, würde die FAA in diesem Jahr beginnen, testweise Triebwerke mit Drohnen zu «beschiessen», um die Risiken eine Kollision besser abschätzen zu können. Bisher wurden solche Test nur mit toten Vögeln gemacht.
«Wirkliche Kollisionen gab es weltweit bisher zwei bis drei. Kollisionen mit Vögeln gibt es praktisch täglich.»
BAZL-Sprecher Urs Holderegger
Der Bund beschwichtigt
Wenn ein Flugzeug in einen Vogelschwarm gerät, hat das nicht nur für die Vögel fatale Konsequenzen, sondern eventuell auch für das Flugzeug. So geschehen am 15. Januar 2009, als ein US-Airways-Airbus kurz nach dem Start in einen Gänseschwarm geriet und auf dem Hudson in New York notwassern musste.
Drohnen werden weder vom heutigen Boden- noch vom Flugzeugradar erkannt. A-320-Pilot Steffen würde es deshalb begrüssen, wenn Systeme zur Erkennung von Drohnen in Flugplatznähe entwickelt würden. Weiter existiert bereits die Möglichkeit, unbemannte Flugkörper mit sogenanntem Geo-Fencing zu versehen. Die Drohne ist damit so programmiert, dass sie in der Nähe von Flughäfen via GPS-Lokalisierung blockiert wird und nicht abhebt.
Jetzt auf
Urs Holderegger, Sprecher des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, relativiert die Drohnengefahr. «Ein Viertel so dramatisch. Wirkliche Kollisionen gab es weltweit bisher zwei bis drei. Kollisionen mit Vögeln gibt es praktisch täglich.» Er weist darauf hin, dass das Bazl in der Schweiz vor zwei Jahren mit einer grossen Aufklärungskampagne begonnen hatte. «Vielleicht hat es genützt, vielleicht hatten wir auch einfach Glück.»
Mit Adlern gegen Drohnen
Der Zwischenfall in Heathrow hat eine Debatte über die Luftsicherheit ausgelöst. Drohnen werden zur Gefahr am Himmel, Kollisionen mit Flugzeugen häufen sich. Schärfere Sicherheitsvorschriften haben sich bislang nicht als probates Mittel erwiesen. Die Luftsicherheitsbehörden tüfteln daher an neuen Methoden zur Drohnenabwehr.
So hat die Stadtpolizei in Tokio vor wenigen Monaten die erste Drohnen-Abwehr-Einheit vorgestellt. Wie die Tageszeitung «Japan Today» berichtet, sollen die eigens geschulten Polizisten am Boden patrouillieren und Piloten, die dort widerrechtlich ihre Drohnen aufsteigen lassen, zur Landung der Flugobjekte zwingen. Kommt der Pilot der Aufforderung nicht nach oder wird er nicht ausfindig gemacht, soll die Polizeieinheit drei Meter lange Abfangdrohnen mit einer Spezialkamera und einem Fangnetz aufsteigen lassen, die die Drohnen in der No-Fly-Zone einfangen. Der Satz «Der Polizei ist ein Krimineller ins Netz gegangen» bekäme dann eine ganz neue Bedeutung.
Der europäische Rüstungskonzern MDBA hat auf seinem Testgelände in Schrobenhausen vergangenes Jahr ein System getestet, das Drohnen mithilfe eines hochpräzisen Tracking-Verfahrens und anhand elektromagnetischer Emissionen automatisch erfasst und mit einem Lasereffektor abschiesst. Bei dem Versuch wurde eine Mini-Drohne in wenigen Sekunden zerstört. Der Laser soll Ziele bis in eine Entfernung von 500 Metern zerstören können.
Es gibt aber auch weniger martialische und technisch deutlich ausgefeiltere Abwehrsysteme. Zum Beispiel Spoofing. Dabei handelt es sich um eine Methode, bei dem die GPS-Antenne der Drohne mit falschen Koordinaten manipuliert wird. Drohnen sind hochkomplexe Flugobjekte und lassen sich wie ein Computer oder die Bordelektronik eines Flugzeugs hacken. Die GPS-Antenne einer Drohne kann so gestört werden, dass sie keine Satellitensignale mehr zur Peilung empfängt. Anschliessend kann man falsche Ortungssignale schicken, sodass die Drohne gezielt auf einen anderen Kurs gelenkt wird und so per Fernsteuerung aus einer No-Fly-Zone herausmanövriert wird. Hacken statt abschiessen also. Das Verfahren ist allerdings umstritten, weil es in den USA verboten ist, GPS-Signale zu stören.
Es muss nicht immer Hightech sein, um der Drohnenproblematik Herr zu werden. Zuweilen reichen auch Low-Tech-Lösungen. Die niederländische Polizei setzt in einem Pilotprojekt Adler als Abfangjäger ein. Die Greifvögel, die von erfahrenen Falknern trainiert werden, krallen sich an die unbemannten Flugobjekte und bringen die «Beute» sicher zu Boden. Einen Haken hat die gefiederte Drohnenabwehr aber: Die Drohnen werden durch die scharfen Krallen häufig zerstört, was die Tests kostspielig macht und im Realbetrieb wohl zu hohen Schadensersatzforderungen führen kann. Ohnehin können die Abfang-Adler nur punktuell aufsteigen. Die grossen Vögel von Airbus und Boeing, die durch den zunehmenden Drohnenverkehr im Luftraum beeinträchtigt werden, werden dadurch nicht besser geschützt.
Die Drone Racing League (DRL) veranstaltet ab Februar 2016 Rennen in US-Stadien. Kollisionen mit Hindernissen oder anderen Boliden sollen der Veranstaltung Spannung verleihen.
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