Exklusiv: SVP-Nationalrat Ueli Giezendanner zieht die Notbremse und tritt heimlich als Präsident eines umstrittenen Verbandes zurück
Der bekannte SVP-Politiker Ueli Giezendanner ist still und leise als Präsident des Schweizerischen Verbandes Mehrwertdienste (SAVASS) zurückgetreten. Kein typisches Vorgehen für den Transportunternehmer aus dem Kanton Aargau, der für seine markigen Sprüche bekannt ist.
Zu den Gründen sagt Giezendanner: «Ich will niemanden in den Dreck ziehen, aber nach den jüngsten Vorkommnissen war für mich klar, dass ich demissioniere. Es ging auch um meinen guten Ruf als Politiker.» Tatsächlich sind in den vergangenen Monaten immer neue Dinge rund um die sogenannten Mehrwertdienste publik geworden, die auch den Verband in ein ziemlich schlechtes Licht rücken.
Der Rücktritt sei vor drei Wochen erfolgt, verrät Giezendanner auf Anfrage von watson. Öffentlich kommuniziert wurde der Schritt bislang nicht. Auf der Verbands-Homepage wurde sein Name gelöscht.
Der «Tages-Anzeiger» brachte Mitte November den Ball so richtig ins Rollen, mit Berichten über die Inkassofirmen Paypay AG und Obligo AG, die im Auftrag von Mehrwertdienste-Anbietern Geldforderungen eintreiben. Bei beiden fungiert ausgerechnet der SAVASS-Geschäftsführer Hans-Ulrich Hunziker, ein Berner Anwalt, als Verwaltungsratspräsident. watson machte am Donnerstag publik, dass die Staatsanwaltschaft im Kanton Schwyz gegen beide Unternehmen ermittelt. Geklagt haben Private und auch der Bund.
Ueli Giezendanner wurde offenbar klar, dass einiges schief läuft und er zog die Notbremse. Gleichzeitig legt er gegenüber watson Wert darauf zu betonen, dass er nichts von möglicherweise illegalen Aktivitäten gewusst habe: «Über die Firmen, die in die Schlagzeilen geraten sind, kann ich nichts sagen, weil ich deren Tätigkeit nicht kenne.»
Er könne auch nicht beurteilen, wie viele schwarze Schafe es in der Branche gebe. Und weiter: «Ich habe keine geschäftlichen Verbindungen zur Branche der Mehrwertdienst-Anbieter und bin an keiner der Firmen beteiligt.»
Der Leitende Staatsanwalt Patrick Fluri erklärt gegenüber watson, dass die vom «Tages-Anzeiger» im November publik gemachte Sex-Abo-Falle nicht Gegenstand der Ermittlungen war. Die Staatsanwaltschaft konnte das von der Swisscom bestätigte Vorgehen nicht untersuchen, weil ihr dafür keine Anhaltspunkte vorlagen. Das SECO hatte auch nicht deswegen geklagt. (dsc)
Bald kein Zutritt mehr ins Bundeshaus
Auf den SAVASS-Geschäftsführer und dessen fragwürdige Rolle angesprochen, meint Giezendanner: «Hans-Ulrich Hunziker hat als Geschäftsführer des Verbandes gute Arbeit geleistet. Zu seinem geschäftlichen Engagement kann ich mich nicht äussern.»
Speziell: Giezendanner hat als eidgenössischer Parlamentarier das Privileg, zwei Personen freien Zutritt ins Bundeshaus zu verschaffen. Aktuell ist Hans-Ulrich Hunziker im Besitz einer solchen Freikarte, um hinter den verschlossenen Türen lobbyieren zu können. Damit dürfte bald Schluss sein. Auf Nachfrage von watson sagt Giezendanner, dass er Hunziker in einer Woche treffe und dies besprechen werde.
Und das sagt Hunziker zu Giezendanners Rücktritt
Hans-Ulrich Hunziker meldete sich auf Anfrage von watson per E-Mail: «Von unserer Seite möchte ich das nur insofern kommentieren, als dieser Rücktritt nichts mit der Kampagne gegen Obligo (und Paypay AG, Anmerk. der Red.) bzw. meine Person zu tun hat, bei der Sie sich nun überflüssigerweise auch noch haben einspannen lassen.»
Ehrenkodex erarbeitet
Noch vor ziemlich genau vier Jahren hatte sich Ueli Giezendanner, der seit 2005 als SAVASS-Präsident amtete, kämpferisch gezeigt. In einem Interview mit der Schweizerischen «Gewerbezeitung» sagte er:
Zur Frage, warum er als Transportunternehmer überhaupt SAVASS-Präsident wurde, sagt Giezendanner: «Ich wurde damals von mehreren Personen angefragt. Es ging darum, einen Ehrenkodex zu erarbeiten, um die in Verruf geratene Branche aus der Schmuddelecke zu holen. Diese Aufgabe bin ich mit Elan angegangen und habe einen tauglichen Ehrenkodex erarbeitet. Ein wichtiger Punkt war der Jugendschutz.»
Bleibt festzuhalten, dass die Branche trotz Giezendanners Bemühungen und dem Ehrenkodex immer wieder negativ auffiel, wie die folgende Auswahl von Zitaten und Medienberichten zeigt...
«Seit 2011 ist wieder eine steigende Anzahl an Beschwerden über Mehrwertdienste festzustellen.»
Jahresbericht 2013 der schweizerischen Schlichtungsstelle Telekommunikation (Ombudscom).
Nicht die nackte Frau anklicken! Das Smartphone als Kostenfalle
NZZ Online, im Januar 2014, über die besonders fiese Masche mit versteckter Werbung, die beim mobilen Surfen ein Sex-Abo auslöst. Die Technik dahinter wird als WAP-Billing bezeichnet.
Sex-Abo-Falle der Paypay AG und Pulsira Ltd.
Reklamationszentrale.ch warnt vor Anrufern, die versuchen, an die Adressen von ahnungslosen Handy-Besitzern zu gelangen.
Sexanbieter auf dem Handy: Der Bund klagt gegen dubiose Inkassofirmen – ins Straucheln gerät ein bekannter Lobbyist
watson.ch, im November 2014, über die Inkassofirmen Paypay AG und Obligo AG und deren Verwaltungsratspräsident Hans-Ulrich Hunziker, der ausserdem Geschäftsführer der SAVASS ist.