Jeder kennt sie, die lautlosen, abgasfreien Dreirad-Roller der Schweizer Post. Der Hersteller Kyburz ist nun der erste seiner Art, der Akkus im eigenem Betrieb recycelt und zwar nach einem neuen, umweltschonenden und nachhaltigen Verfahren. Die Empa stand bei der Anlage Pate.
Elektromobile sind ein Segen für die Umwelt. Allerdings haben sie oft einen Tolggen im Reinheft ihrer Ökobilanz, nämlich die ressourcenintensiven Lithium-Ionen-Batterien, die mangelhaft recycelt werden.
Manche Hersteller sparen sich die Wiederaufbereitung der verwendeten Materialien sogar ganz, weil es rentabler ist, neue Rohstoffe in Entwicklungsländern abzubauen als die alten aus den Akkus wieder zu extrahieren. Das bemängelte eine am Donnerstag erschienene Studie von VCS und zwei Hilfswerken. Batterien seien «der Knackpunkt der Elektromobilität», es gebe viele Missstände zu beseitigen. Probleme bestünden «vor allem bei der Transparenz der Lieferketten, der Rohstoffförderung und beim Recycling der Akkus».
Verantwortungsvollere Hersteller – auch Kyburz – beauftragten bisher auswärtige Spezialfirmen mit dem Recycling. Diese schreddern die Batterien, schmelzen sie wieder ein oder behandeln sie mit Chemikalien.
Beides verbraucht viel Energie: Beim heissen (Schmelz)verfahren (Pyrometallurgie) gehen wertvolle Rohstoffe verloren, das kalte, (chemische) Verfahren (Hydrometallurgie) belastet die Umwelt. Ganz abgesehen vom Transport der ausgedienten Akkus zu den Recyclingfirmen und zurück, der auch nicht gerade klimaneutral ist.
Das alles ist nicht nachhaltig, wie Kyburz anlässlich der Eröffnung ihrer hausinternen Recycling-Anlage in Freienstein-Teufen ZH am Freitag bemängelte.
Auf der Suche nach einer Alternative stiess das Unternehmen auf Olivier Groux. Der gelernte Chemielaborant hatte im Rahmen seines Bachelor-Studiums Umweltingenieurwesen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) einen Weg gesucht, wie sich Lithium-Ionen-Batterien nachhaltig recyceln lassen.
Einen Recycling-Prozess zu entwickeln, der effizient, umweltschonend und sicher ist, war sein Ehrgeiz. Seine Lösung: optimales Entladen, eine sorgfältige Zellenzerlegung und eine Aufreinigung mittels Wasser statt Chemikalien.
Der Entwickler erklärt den Recycling-Prozess im Video gleich selber:
Geschäftsführer Martin Kyburz überzeugte die Idee und so stellte er Olivier Groux als Projektverantwortlichen ein. «Wir legen grossen Wert auf Nachhaltigkeit und suchen nach Wegen, wie wir die Ideen der Circular Economy in unserem Betrieb umsetzen können. Eine Inhouse-Anlage für das Recycling unserer Akkus ist ein grosser Schritt in diese Richtung», lässt sich Martin Kyburz in einer Mitteilung vom Freitag zitieren.
Die Grundlagen für den Aufbau der Inhouse-Recycling-Anlage, welche am Freitag den Medien präsentiert wurde, entwickelte Olivier Groux in enger Zusammenarbeit mit Marcel Gauch, Lorena Toledo und Rolf Widmer von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) St.Gallen, der sich seit langem mit der Thematik befasst.
Die Erkenntnisse aus dem Projekt fasste das Projektteam in einem Forschungspapier zusammen, das anlässlich des World Resources Forum mit dem ersten Preis prämiert wurde.
Natürlich haben auch die ganz Grossen in der Elektromobilitätsbranche das Recycling-Potenzial erkannt. Tesla schreibt in seinem diesjährigen Umwelt-Bericht, man wolle langfristig viel Geld sparen mit wiederverwerteten statt immer neu zugekauften Akku-Materialien. Und ein ehemaliger Top-Manager von Elon Musk hat dafür extra das US-Start-up Redwood Materials gegründet. Dessen erklärtes Ziel ist eine Art umgekehrte Gigafactory, wie JB Straubel kürzlich verriet: Man wolle die Rohstoffe in alten Produkten im Prinzip so schnell wiederverwendbar machen wie Tesla sonst neue produziert.
Straubel hofft, dass sein Recycling innerhalb eines Jahrzehnts den Preis für Rohstoffe im Vergleich zum umweltbelastenden Abbau in Minen auf etwa die Hälfte senken wird. Das könnte entscheidend dazu beitragen, Elektrofahrzeuge – vom Lastwagen bis zum Zug – allgegenwärtig zu machen.
Bereits im April 2019 hatte Tesla Pläne zur Eröffnung einer eigenen Batterierecyclinganlage angekündigt. Damals hiess es, dass man über ein neues Verarbeitungszentrum in der Nevada Gigafactory Lithium, Kobalt, Aluminium, Kupfer und Stahl aus gebrauchten Batterien zurückgewinnen wolle.
Solche Leute bringen 'uns' weiter.
Jetzt bloss nicht von Tesla oder einem anderen Big Player aufkaufen lassen, sondern sowohl das Know-how als auch das Marktpotential sichern.