Das Wichtigste in Kürze:
Im Streit um mögliche Störungen des Flugverkehrs durch neue 5G-Frequenzen haben die beiden grossen US-amerikanischen Mobilfunkanbieter AT&T und Verizon eine für diese Woche geplante Erweiterung ihrer Netze gestoppt.
Zuvor hatten sie am Wochenende noch verlauten lassen, sie wollten an ihrem Vorhaben festhalten und am Mittwoch zusätzliche 5G-Frequenzbänder in Betrieb nehmen.
Vorläufig kann nicht ausgeschlossen werden, dass 5G-Verbindungen die empfindlichen Instrumente im Flugzeug-Cockpit stören. Darum sahen sich die Luftfahrt-Aufsichtsbehörden mehrerer Länder vor Kurzem veranlasst, eine offizielle Warnung zuhanden der Industrie zu veröffentlichen.
Dazu weiter unten mehr.
Dass 5G-Signale die in Flugzeugen verbauten Höhenmesser beeinträchtigen könnten, ist schon länger bekannt. Die französische Luftfahrtbehörde Direction générale de l’aviation civile warnte im Februar 2021, dass die Nutzung von 5G-Geräten an Bord von Passagiermaschinen zu technischen Störungen – sogenannten Interferenzen – führen könnte.
Gerade beim Starten und bei der Landung – in den kritischen Flugphasen also – könnten 5G-Geräte die Bordinstrumente beeinträchtigen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete.
US-Fluggesellschaften äusserten seit längerer Zeit Bedenken wegen des 5G-Ausbaus. Sie befürchten einen zusätzlichen Dämpfer bei der Erholung der Luftfahrtbranche nach der Pandemie wegen zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen.
Vertreter der Mobilfunkindustrie sprechen von unbegründeten Ängsten und versichern, es gebe keine Probleme. Dies zeige nicht zuletzt der 5G-Betrieb in Europa.
Tatsächlich mangelt es an verlässlichen Studienergebnissen zur Problematik, wie die hiesigen Aufsichtsbehörden bestätigen. In der Schweiz sind das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) und das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) zuständig. Sie verweisen auf eine Studie, die derzeit noch in den zuständigen europäischen Gremien in Arbeit sei.
BAKOM-Sprecher Francis Meier:
Die Funkfrequenzen, die in den USA für 5G genutzt werden dürfen, liegen relativ nahe bei den Frequenzen, die für die empfindliche Flugzeugelektronik eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um einen Bereich, der C-Band genannt wird, im Englischen auch «Midband»-Spektrum.
AT&T und Verizon wollten ihren Kundinnen und Kunden ab dem 5. Januar 5G über das C-Band bieten, nachdem sie die Lancierung schon einmal verschoben hatten. Dann baten der US-Verkehrsminister Pete Buttigieg und der Leiter der US-Luftsicherheitsbehörde FAA, Steve Dickson, am vergangenen Freitag medienwirksam um eine erneute Verschiebung.
Der Airline-Verband Airlines for America hatte die US-Telekommunikationsbehörde (FCC) aufgefordert, das C-Band rund um US-Flughäfen zu stoppen. Ansonsten könnten Tausende Flüge täglich gestört werden. Die Gruppe drohte, vor Gericht zu ziehen, sollte die FCC nicht aktiv werden.
Hierzulande finden 5G-Verbindungen von Smartphones und anderen Mobilgeräten in einem anderen Frequenzband statt, als dies nun AT&T und Verizon vorhaben.
«Der Einsatz und die Nutzung der Frequenzen wurde mit der Flugsicherung Skyguide abgeklärt und bewilligt», zitierte der «Tages-Anzeiger» den Schweizer Provider Sunrise.
In Europa und der Schweiz sei 5G auf das Frequenzband 3,4–3,8 Gigahertz beschränkt. Das bedeute, dass es mehr als 200 Megahertz zusätzliches «Schutzband» gebe, bevor die Frequenz der Flugzeug-Höhenmesser erreicht wäre.
Trotzdem warnten nun mehrere Aufsichtsbehörden weltweit Anfang 2022 «Airlines, Operators und Piloten vor potenziellen Beeinträchtigungen der Flugzeugelektronik». Laut BAKOM-Sprecher Francis Meier handelt es sich um:
Diese Aufsichtsbehörden haben die Verantwortlichen in der privaten Luftfahrtindustrie angewiesen, «operationelle Massnahmen zu definieren», wie im Falle von unerwarteten Störungen des Radiohöhenmessers vorzugehen sei.
Eine «negative Beeinflussung könnte sich durch eine inkorrekte Höhenanzeige oder durch einen Totalausfall des Radiohöhenmessers bemerkbar machen», heisst es in der «Safety Information Notice», die Anfang 2022 publiziert wurde.
Gemäss BAKOM-Sprecher wurden insgesamt neun Empfehlungen zuhanden der Luftfahrtindustrie definiert: Sie reichten vom Nicht-Gebrauch von 5G-Geräten an Bord, der technischen Überprüfung von sicherheitsrelevanten Bordsystemen bis hin zur Meldepflicht von allfälligen Anomalien im Zusammenhang mit 5G (dazu gleich mehr).
Das BAZL empfiehlt den Verantwortlichen in der Luftfahrtindustrie unter anderem folgende Sicherheits-Massnahmen, die Flugreisende und das Flugpersonal betreffen:
Bis heute sind keine Zwischenfälle oder Störungen des Flugverkehrs in direktem Zusammenhang mit dem aktuellen Mobilfunk-Standard 5G und dessen Frequenzen bekannt.
Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) untersucht schon länger, ob 5G die in der Luftfahrt genutzten Funkhöhenmesser zu stören vermag. Wie oben erwähnt, liegen die 5G-Frequenzbänder in Europa nicht so nah an dem von Flugzeugen genutzten Frequenzband wie in den USA.
Bisher seien in Europa keine Vorfälle bekannt oder aus vorliegenden technischen Daten von Flugzeug- und Ausrüstungsherstellern abzuleiten, erklärte eine EASA-Sprecherin. Gleichwohl werde die Situation weiter genau beobachtet. Und man tausche sich mit der FAA über deren Bedenken aus.
In Europa gilt es die Ergebnisse der oben erwähnten Studie abzuwarten. Bis im Sommer 2022 soll der Bericht vorliegen. Beteiligt seien Funkkommunikationsexperten und Luftfahrtexperten, insbesondere Flugsicherheitsexperten.
Die US-Bundesluftfahrtbehörde FAA will Vorschläge der Mobilfunk-Provider zur Minimierung möglicher Interferenzen prüfen. Diese wollen sich an Frankreich orientieren, wo ein 5G-Spektrum genutzt wird, das weiter von den für Funkhöhenmesser genutzten Frequenzbändern entfernt ist.
Die zusätzlichen 5G-Frequenzbänder sollen in den USA frühestens in zwei Wochen genutzt werden, wie AT&T und Verizon am Montag in Dallas und New York mitteilten.
In dem Streit um die Sicherheit von 5G in der Luftfahrtindustrie hatten sich im Dezember 2021 die beiden grössten Flugzeughersteller zu Wort gemeldet. Hochrangige Vertreter von Boeing und Airbus zeigten sich von den 5G-Plänen der amerikanischen Mobilfunk-Provider nicht angetan.
Von der US-Pilotenvereinigung hiess es, dass die Diskussion in einer Sackgasse stecke. Das sei ein grosses Problem für Passagiere, Spediteure und die amerikanische Wirtschaft.
Mit Material der Nachrichtenagenturen Keystone-SDA, DPA und Reuters.
Sind nicht genau dafür die Behörden wie FCC und BAKOM da, um sicherzustellen, dass alle über längere Distanzen funkende Geräte einander nicht negativ beeinflussen?