Gesellschaft & Politik
Islamischer Staat (IS)

Milliarden von Dollars und jetzt auch noch Blutzoll: Die teuren Kriege des Iran

Mindestens 120 Offiziere aus der islamischen Republik Iran unterstützen die Regierungstruppen und schiitischen Milizen im Irak beim Kampf gegen die Terrormiliz IS.
Mindestens 120 Offiziere aus der islamischen Republik Iran unterstützen die Regierungstruppen und schiitischen Milizen im Irak beim Kampf gegen die Terrormiliz IS.Bild: Uncredited/AP/KEYSTONE
Einsätze in Syrien und im Irak

Milliarden von Dollars und jetzt auch noch Blutzoll: Die teuren Kriege des Iran

Iran steht in Syrien und im Irak an vorderster Front. Die Kriegseinsätze kosten Milliarden Dollar – und wichtigen Generälen das Leben. Doch aufgeben will Teheran auf keinen Fall, zu viel steht auf dem Spiel.
20.01.2015, 23:5921.01.2015, 14:44
raniah salloum / Spiegel online
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Die Amerikaner nennen es «Mission Creep», wenn sich ein überschaubarer Auslandeinsatz schleichend ausweitet. Bei dem Begriff schwingt eine Warnung mit: Es ist eine Mission, in die man leicht hineingerät – und kaum wieder heraus. In einen solchen Einsatz hat sich Iran manövriert und das gleich in zwei Ländern.

Kein anderes Land ist tiefer in die Bürgerkriege in Syrien und im Irak verstrickt.

Ein Überblick:

  • Irans Kampfjets haben Angriffe auf IS-Stellungen im Irak geflogen.
  • Iran liefert Waffen an Syrien und den Irak.
  • Die Iraner unterhalten dort Trainingslager für Milizen.
  • Iranische Militärberater sind im Irak und in Syrien im Einsatz.
  • Teheran setzt Überwachungsdrohnen ein.
  • Sogar iranische Kämpfer sind in beiden Ländern im Einsatz, Militärs und vor allem Freiwilligen-Milizen.
  • Iran unterstützt seine Bündnispartner mit Milliardenhilfen. Allein Syrien hat nach offiziellen iranischen Angaben seit 2011 neun Milliarden Dollar aus Teheran bekommen. Syrische Oppositionsgruppen gehen sogar von 15 Milliarden Dollar aus – sie zählen die Materialspenden dazu, ebenso Öllieferungen. Wie viel Geld Irans Verbündete im Irak bekommen, ist nicht bekannt.

Mindestens fünf Generäle der iranischen Revolutionsgarden sind im Irak und in Syrien bereits umgekommen. Sie wurden meist von regierungsfeindlichen syrischen und irakischen Milizen getötet. Zuletzt starb zudem ein iranischer General in Syrien nach Beschuss durch Israels Luftwaffe

Wie viele iranische Milizionäre und Militärs niedrigeren Ranges ums Leben gekommen sind, ist nicht bekannt. Allein im Irak sind nach offiziellen Angaben Teherans mindestens 120 iranische Militärs im Einsatz.

Anfang Dezember des vergangenen Jahres griffen iranische Kampfjets erstmals ins Kriegsgeschehen im Irak ein.
Anfang Dezember des vergangenen Jahres griffen iranische Kampfjets erstmals ins Kriegsgeschehen im Irak ein.Bild: EPA

Woher nimmt das Land das Geld?

Die Milliarden, die Iran für diese Kriege ausgibt, fehlen im heimischen Budget. Eigentlich muss die Regierung sparen: Die Sanktionen im Streit ums iranische Atomprogramm sind zum Grossteil noch wirksam. Zudem leidet Iran unter dem niedrigen Ölpreis. Manche Iraner fragen schon, warum sie für Syrien zahlen sollten, wenn ihnen selbst das Geld fehlt.

Dennoch wird Iran den kostspieligen Einsatz fortführen, davon sind viele Experten überzeugt.

«Mittlerweile hat Iran kaum eine andere Wahl, als sein Engagement fortzusetzen, vor allem im Irak», sagt Mohamad Bazzi, ein Journalist, der bis vor Kurzem beim aussenpolitischen Think Tank «Council on Foreign Relations» über die Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien forschte. «Die Konflikte in Syrien und Irak haben für Iran die höchste aussenpolitische Priorität.»

Alles zum Kampf gegen die Terrormiliz

Von den beiden Ländern sei Irak, mit dem Iran eine knapp 1500 Kilometer lange Grenze teilt, für Teheran am wichtigsten, erklärt Bazzi. Dort würden Irans Sicherheitsinteressen durch den Aufstieg der Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) unmittelbar bedroht.

«Teheran wird alles tun, um eine Iran-freundliche schiitisch-geführte Regierung in Bagdad an der Macht zu halten», sagt Bazzi. So wolle Iran sichergehen, dass von Irak nie wieder eine existenzielle Gefahr ausgehe wie in den Achtzigerjahren, als Iraks sunnitischer Diktator Saddam Hussein im Iran einmarschierte und einen achtjährigen Krieg auslöste.

Mit General Soleimani zeigte sich zuletzt auch ein iranischer Spezialist für Auslandseinsätze an der Front im Irak.
Mit General Soleimani zeigte sich zuletzt auch ein iranischer Spezialist für Auslandseinsätze an der Front im Irak.Bild: AP/Office of the Iranian Supreme Leader

Zudem ginge es für Iran auch darum, seine Position als Regionalmacht zu verteidigen und auszuweiten, glaubt Bazzi: «Irak gibt Iran strategische Tiefe und einen Puffer gegen Saudi-Arabien und andere sunnitische arabische Staaten, mit denen Iran um die Vorherrschaft in der Golfregion konkurriert.»

In Syrien stünden zwar keine unmittelbaren iranischen Sicherheitsinteressen auf dem Spiel – das Land teilt keine Grenze mit Iran, der Irak liegt zwischen beiden Ländern. Doch auch dort ginge es um Irans Einfluss in der Region.

Jetzt auf

«Iran wird eher Steuern anheben, als Einsätze zurückzufahren»

Mehrzad Boroujerdi, Iran-Experte an der amerikanischen Universität in Syracuse, sieht das ähnlich. «Syrien und Irak sind die beiden wichtigsten Verbündeten Irans in der Region. Iran kann es sich nicht leisten, sie zu verlieren», sagt er. «Sie geben Iran strategische Tiefe.» Die meisten anderen arabischen Länder stünden Teheran inzwischen kritisch gegenüber.

Es sind Irans Sicherheitsexperten, nicht die Regierung, die über die Linie im Irak und in Syrien entscheiden, erklärt Boroujerdi. Der Oberste Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei bestimme die Einsätze zusammen mit dem Nationalen Sicherheitsrat, in dem neben Vertretern der Regierung und des Ajatollahs vor allem auch Revolutionsgardisten sitzen.

«Sicherlich wird es für die Iraner immer schwieriger, so viel Geld nach Syrien zu pumpen», sagt Boroujerdi: «Aber Teheran wird eher Steuern weiter anheben oder Subventionen streichen als den Einsatz in Irak zurückzufahren oder Syrien aufzugeben.»

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