Ist Puber aus Ihrer Sicht ein Künstler?
David Kümin: Künstler zu sein ist eine Frage der Haltung, und ich glaube nicht, dass Puber sich selbst als Künstler versteht. In der Graffiti-Szene ist der Künstlerstatus kein erstrebenswertes Ziel. Es geht dabei viel mehr um Ruhm für die eigene Crew, um Fame und die Mechanismen der Selbstbewerbung. Wenn Sie mich fragen, ob Puber ein guter Werber ist, würde ich das auf jeden Fall mit Ja beantworten.
Wieso sprayt Puber in diesem Ausmass?
Puber will Aufmerksamkeit. Er will seine eigene Plattform. Sein Name soll überall zu lesen sein.
Eine Message hat er nicht?
Keine erkennbare. Das einzig Interessante, was ich bei ihm aus dem Kunstfokus heraus erkennen kann, ist seine Strategie, wie er seinen Namen promotet. Er setzt sich mit den Mechanismen des öffentlichen Raumes auseinander, infiltriert diesen, um ihn schliesslich nach seinem Geschmack zu gestalten.
Wieso gilt der bekannte Street-Artist Banksy als Künstler und Puber nicht?
Das sind zwei verschiedene Welten. Puber sprayt aus einem reinen Selbstzweck heraus. Er provoziert nur um der Provokation Willen. Zudem befolgt er die ungeschriebenen Gesetze der Street-Art-Szene nicht und hat keinen Respekt vor fremden Graffitis. Banksys Werke hingegen sind künstlerisch interessant. Er reflektiert seine Umgebung und lässt seine Werke mit ihr interagieren. Seine Werke haben eine Message.
Wieso ist das Interesse für Puber so gross?
Das hat sicher mit der Quantität seiner Sprayereien zu tun. Andererseits hat Puber die Medienaufmerksamkeit selber gesucht. Wer es schafft, mit so etwas wie den Puber-Graffitis so viel Aufmerksamkeit zu bekommen, dem sollte vielleicht tatsächlich Respekt gezollt werden.
Geniesst Puber denn noch Respekt in der Szene?
Er wird eher gefürchtet als respektiert. Man hat lieber nichts mit ihm zu tun. Die Schweizer Sprayer-Szene ist generell nicht gewaltbereit – Puber hingegen schon. Er und seine Begleiter schrecken vor Gewalt nicht zurück. Ein Sprayer aus seinem Umfeld sagte einmal in einem Interview, dass man für sie oder gegen sie ist. So akzeptiert die Schweizer Graffiti-Szene lieber ein überspraytes Tag als sich mit Puber anzulegen.
Wieso findet er immer noch Leute, die zu ihm halten?
Ich denke, es sind wechselnde Zweckbeziehungen. Puber hat in der Szene einen zweifelhaften Ruhm erlangt, der vor allem jüngere Sprayer anzieht. Sie bewundern ihn und wollen ihm ein Stück weit nacheifern.
Warum ist die Szene so verschwiegen?
Ähnlich wie bei elitären Klubs lebt das Ganze von der Verschwiegenheit und von subversiven Allianzen. Würde der Künstler seine Identität an die grosse Glocke hängen, würden die Graffitis wohl sehr viel an Authentizität einbüssen. Als Street-Art-Aktivist muss man verborgen bleiben, sonst ist man raus aus dem Spiel.
Wie meinen Sie das?
In der Graffiti- oder Street-Art-Bewegung steht nicht der Künstler mit seinem Gesicht im Zentrum, sondern sein Werk. Er lebt durch seine Bilder. Die Person dahinter ist irrelevant. Sie sollte im Untergrund bleiben. Wenn man wüsste, wer Banksy ist, würde ein grosser Teil seines Mythos' verpuffen. Auch sein Ruf in der Street-Art-Szene würde stark bröckeln.
Muss ein Graffiti illegal sein, damit es als Graffiti gilt?
Authentisches Graffiti in Form von Schriftzügen bedingt ein Stück weit die Illegalität. Es ist aber durchaus legitim, in sogenannten Hall of Fames, Übungsplattformen, zu trainieren, ohne von der Szene deswegen Hohn und Spott zu ernten. Meiner Meinung nach geht es bei der Street-Art mehr um die Qualität der Auseinandersetzung als um die zwingende Illegalität.
Könnte man Sie selber als «kultivierten Sprayer» bezeichnen?
Ich würde mich nicht so nennen. Ich benutze zwar die Sprühdose als gestalterisches Medium und mein Background ist Graffiti, worauf ich stolz bin. Aber ich habe mich mit dem Medium zusammen weiterentwickelt, weswegen ich mich selber seit einigen Jahren nicht mehr als Sprayer bezeichne.
Was ist die Hauptmotivation Ihrer Street-Art?
Unsere Gesellschaft hat akzeptiert, dass der öffentliche Raum zum grössten Teil nur noch von kommerziellen Unternehmen in Form von Werbung gestaltet werden darf, was ich persönlich als fragwürdige Entwicklung erachte. So wird das freie, künstlerische Gedankengut in institutionalisierte Kunsträume oder Galerien verschoben. Die Street-Art-Bewegung versucht unter anderem, sich solche Gestaltungsfreiräume zurückzuholen.