Für den FC Luzern kommt es derzeit knüppeldick: Der Club hat sich zwar «in aller Schärfe vom rassistischen Auftritt einiger Personen in St.Gallen» distanziert. Der Fanzug der Luzerner Fussballfans durch die Stadt am vorletzten Sonntag wurde von einem als Juden verkleideten Mann angeführt und von einem Fan-Fotografen festgehalten.
Der als Jude Verkleidete hat sich inzwischen bei der Staatsanwaltschaft St.Gallen gemeldet, wie Thomas Hansjakob gegenüber watson bestätigt. Es liege ein anonymes Schreiben vor. Der Mann habe auf keinen Fall die jüdische Glaubensrichtung diskriminieren wollen und entschuldige sich beim Israelitischen Gemeindebund.
Mit dem temporären Entzug der Akkreditierung, welcher der Club gegen den Fotografen ausgesprochen hat, manövriert sich der FCL aber immer mehr ins Abseits, wie sich jetzt zeigt. So schreibt der FCL auf seiner Webseite: «Wir sind überzeugt, dass ein solches Bild nicht einfach nur gross und plakativ im Web hochgeladen werden darf.»
Für Bruno Schmucki, Pressesprecher bei der Mediengewerkschaft Syndicom, ist die Sperrung des Fotografen hingegen ein absolut unverständliches Vorgehen: «Das ist eine unzulässige Massnahme.»
Der Fotograf habe weder rechtlich noch berufsethisch einen falschen Entscheid gefällt. Auch moralisch-ethische Bedenken würden in diesem Fall keine Rolle spielen: «Eher im Gegenteil; der Fotograf hat einen wichtigen Hinweis darauf geliefert, dass etwas schief läuft in dem Club», sagt Schmucki. «Die Sperrung ist eine ungerechtfertigte eine Einschränkung der Pressefreiheit.»
Auch bei Berufskollegen stösst die Massnahme des FCL auf grosses Unverständnis: Claudio De Capitani ist Gymnasiast und fotografiert in seiner Freizeit Fussballspiele für kurzpass.ch, eine ähnliche Seite wie fan-fotos.ch, deren Fotograf vom FCL gesperrt wurde. Der 19-Jährige trifft auf ähnliche Situationen wie der Fan-Fotograf von St.Gallen. «Eine Szene dieser Tragweite habe ich zwar noch nie fotografiert, aber auch bei mir kommt es vor, dass ich Bilder von brennenden Pyros mache, die die Clubs lieber nicht sehen wollen», sagt er.
Doch für ihn ist klar: «Ich hätte das Bild auch veröffentlicht. Es ist die Aktion, die schlecht war, nicht das Bild», sagt er. Ausserdem glorifiziere das Bild die Aktion nicht, sondern bilde sie neutral ab. «Ohne das Foto wäre sie nie an die Öffentlichkeit gekommen», sagt De Capitani.
Wie ungeschickt die Reaktion des FC Luzern war, ist auch Markus Hostettler aufgefallen. Der Berner ist selbständiger Kommunikationsberater und setzt sich seit Jahren aus persönlichem Interesse gegen antisemitische Tendenzen ein. «Kommunikativ ist es sehr ungeschickt vom FC Luzern, die Aktion einerseits zu verurteilen und gleichzeitig mit der Sperrung des Fotografen einen riesigen Widerspruch aufzutun», sagt Hostettler. «Beim FC Luzern weiss die linke Hand wohl nicht genau, was die rechte tut, anders ist dieses Vorgehen nicht zu erklären», ergänzt er.
Ihm sei der unbeholfene Umgang des FCL mit der Antisemitismus-Thematik schon letzte Woche sauer aufgestossen. Nachdem ihm am Freitag ein Facebook-User auffiel, der die Aktion in St.Gallen zu rechtfertigen versuchte, und Kommentare wie «Hört auf, die Juden für alle Ewigkeit als Opfer darzustellen» absetzte, forderte er den FCL dazu auf, diese Kommentare zu löschen.
Doch der FCL antwortete bloss: «Wir haben die von Ihnen besagten Aussagen mit grösster Aufmerksamkeit mitverfolgt.» Sie würden zwar keinesfalls der Meinung des FCL entsprechen und seien an der Grenze, jedoch weder strafbar noch beleidigend. «Weil die Diskussion bezüglich dieses Themas enorm wichtig ist – und geführt werden soll und muss – haben wir die entsprechenden Posts im Sinne der Meinungsfreiheit nicht gelöscht», heisst es weiter. Für Markus Hostettler ein No-Go: «Anitsemitisches Gedankengut als freie Meinungsäusserung zu klassifizieren, ist inakzeptabel.»
Welche Konsequenzen die Aktion für die betroffenen Fans haben könnte, ist noch offen. Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA strich der St.Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob heraus, dass es vor allem entscheidend sei, ob die als Jude verkleidete Person vor den Fans hergetrieben worden sei, ob sie dabei erniedrigt wurde oder ob sie den Fanzug angeführt habe.
Die Staatsanwaltschaft werde abwarten, bis die Polizei die Videobilder von der Aktion ausgewertet habe. Die Identifizierung der Beteiligten könne allerdings schwierig werden.
Ohne Zweifel ist das zitierte Facebook-Posting eher dumm, aber eine Löschung rechtfertigt es eher weniger.
Vielmehr wäre es wichtig, solchen Aussagen aktiv entgegenzutreten und sie argumentativ zu entkräften, denn das hat Wirkung. Eine Löschung wiederum ist doch genau Wasser auf die Mühlen derer, die sowieso schon ein undifferenziertes und simplifiziertes Weltbild haben.