Nach der Trauer kommt die Wut. Zwei Tage ist es her, als eine Gruppe bewaffneter Taliban-Kämpfer eine Schule in Peschawar stürmte und im Laufe eines blutigen Nachmittags 148 Menschen tötete, bevor sie von Sicherheitskräften überwältigt wurde. Tehrik-i-Taliban, eine Dachorganisation, in der sich die meisten der kleineren Taliban-Verbände Pakistans finden, übernahm in einem Bekennerschreiben bereits kurz nach dem Angriff die Verantwortung. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass Tehrik-i-Taliban tatsächlich hinter dem grössten Blutbad in der jüngeren Geschichte des muslimischen Staates steht.
Der Zorn der Verwandten und Bekannten der Verstorbenen – von denen ein Grossteil Schüler waren – richtet sich vor allem gegen einen Mann: Maulana Fazlullah. Der 40-Jährige ist nach der Tötung von Hakimullah Mehsud zur Nummer 1 der pakistanischen Taliban aufgestiegen – und weist eine bewegte Vergangenheit auf. Die Washington Post hat den Werdegang des Mannes, der unter dem Namen «Mullah Radio» zweifelhaften Ruhm erlangte, nachgezeichnet. Geboren als Fazal Hayat im Swat-Tal im Nordwesten Pakistans, radikalisierte sich der Paschtune nach der Heirat mit der Tochter eines einflussreichen islamistischen Aufständischen. Von da an war sein Weg vorgezeichnet: Er sollte ihn immer näher zu seiner Vision eines islamistischen Staates im Nordwesten Pakistans führen.
Grössere Bekanntheit erlangte Fazlullah dank einer illegalen Radiosendung, in der er gegen Bildung für Frauen wetterte, Amerika verteufelte und den Jihad propagierte. Eine Kultfigur war geboren, schreibt die Washington Post, «Radio Mullah». Die Zahl seiner Anhänger nahm laufend zu, bald darauf nahmen sie den bewaffneten Kampf gegen den pakistanischen Staat auf. Die strikte Ablehnung weiblicher Bildung bestimmte die Ziele der radikalen Islamisten: Über 1000 Schulen waren laut Buzzfeed seit 2009 Zielscheibe der Militanten.
Fazlullah soll auch hinter dem Attentat auf die pakistanische Schülerin und aktuelle Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai stehen. Taliban hielten den Schulbus an, in dem Malala unterwegs war und schossen ihr mehrmals in den Kopf und Hals. Die 14-Jährige überlebte den Angriff schwerverletzt. Das Engagement der Schülerin gegen die bildungsfeindliche Doktrin der Taliban machte sie zur perfekten Zielscheibe. (wst)