Die Grenze in München verläuft an diesem Montagabend ein weiteres Mal entlang der Trambahnlinie Sendlinger Tor: Östlich davon tragen die Leute Schilder wie «Bunt is gsund» und schwenken ihre Regenbogenfahnen. Die auf der westlichen Seite haben schwarz-rot-goldene Fahnen mitgebracht, auf ihren Schildern steht «Der Islam ist eine Kultur des Todes» oder «Lügenpresse».
Die auf der westlichen Seite sind dem Aufruf des Münchner Pegida-Ablegers Bagida gefolgt und demonstrieren gegen eine angebliche Islamisierung des Abendlandes. Die auf der anderen Seite wollen ein Zeichen setzen, dass München weltoffen und tolerant ist. Wie bereits in der Vorwoche sind die Gegner der Bewegung Pegida («Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes») deutlich stärker vertreten.
Von 12'000 Teilnehmern spricht die Polizei. Sie singen und tanzen zu Musik von «Blumentopf» oder «Schlachthofbronx» und applaudieren dem Schriftsteller Friedrich Ani, als dieser die Pegida-Demonstranten als «Nazis, Rassisten und sonstige Vollpfosten» bezeichnet.
Die Pegida-Gegner sind mit Musik und Bühnenprogramm lauter als die Islam-Gegner, auch wenn es weniger sind als noch in der vergangenen Woche: Da kamen 18'000 Gegendemonstranten. Doch auch die Bagida-Teilnehmer haben sich nach Angaben der Polizei verringert: Waren es vergangene Woche noch 1500, kamen an diesem Montag noch 1200. Für erhöhte Aufmerksamkeit bei den Sicherheitsbehörden hatte Bagida gesorgt, weil laut Schätzungen der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus der Stadt München rund 200 Neonazis und Rechtsextremisten unter den Demonstranten waren.
Daher stockte auch die Polizei auf und kam mit 1000 statt bisher 800 Mann. «Die rechtsextremistische Szene fühlt sich von Bagida beflügelt», sagte Markus Schäfert, Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes, SPIEGEL ONLINE. Lange Zeit sei es der Szene nicht gelungen, Anschluss in das bürgerliche Spektrum zu finden. Für die Rechtsextremisten sei die derzeitige Lage sehr komfortabel, so Schäfert: «Sie haben nur einen geringen organisatorischen Aufwand, weil Bagida die Demonstration anmeldet». Die Rechtsextremisten müssten «lediglich anreisen». Klar von Neonazis distanziert hatte sich Bagida bislang nicht.
Auch in anderen Städten gab es am Montag Demonstrationen gegen Pegida, nachdem deren Aufmarsch in Dresden verboten worden war. Rund 6000 Menschen haben am Montagabend in Magdeburg gegen eine Kundgebung von Magida, dem örtlichen Ableger der Pegida, protestiert. Laut Polizei waren es bei Magida selbst dagegen nur 600 Menschen. Die Polizei verhinderte mit einem starken Aufgebot, dass die Gruppen direkt aufeinandertrafen.
Ähnlich war die Situation in Düsseldorf: Ganze vier Gegendemonstrationen mit Hunderten Menschen gegen Dügida gab es dort. Für den Berliner Pegida-Ableger Bärgida gingen rund 400 Menschen auf die Strasse, einige hundert Gegendemonstranten zogen unter dem Motto «Gemeinsam gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung» vom Bundeskanzleramt Richtung Alexanderplatz.
In Würzburg nahmen laut Polizei etwa 1200 Bürger an einem Demonstrationsmarsch teil, in Nürnberg versammelten sich 1000 Menschen zu einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus. 2500 Menschen waren bei einer Kundgebung des Bündnisses «Für ein buntes Flensburg» gegen Rassismus und für Toleranz. Mehrere Tausend versammelten sich auch in Osnabrück gegen die Islamkritiker.
In Braunschweig wurde eine Bragida-Demonstration aus Sicherheitsgründen abgesagt, die Polizei beurteilte die Lage als «zu gefährlich». Zuvor hatten rund 5000 Gegendemonstranten die 250 Bragida-Anhänger in der Stadt eingekreist.
Auch in Dresden, wo die Pegida-Bewegung ihren Ursprung hat, wurden bereits am Sonntag alle Demos für Montag wegen einer Terrordrohung von Islamisten gegen Pegida untersagt. Der Grund: eine Morddrohung gegen den Gründer Lutz Bachmann. Auch die Gegendemos durften nicht stattfinden - der Eilantrag eines Pegida-Gegners blieb am Montag erfolglos. Auch die meisten Pegida-Anhänger hielten sich an das Verbot: Weniger als hundert Demonstranten drängten kurzzeitig sich an den Rand des Theaterplatzes vor der Semperoper. Die Polizei hatte das Zentrum des Platzes abgesperrt, hielt sich aber zurück und löste die Versammlung nicht auf. (dpa/hen/fot/mia)