Indien
Gesellschaft & Politik

Der grösste Urnengang der Welt

Der Präsident der Opposition Bharatiya Janata Party (BJP) Rajnath Singh wird mit Blumen überschüttet.
Der Präsident der Opposition Bharatiya Janata Party (BJP) Rajnath Singh wird mit Blumen überschüttet.Bild: Reuters
In Indien wird gewählt

Der grösste Urnengang der Welt

Indien steht bei der Parlamentswahl, die an diesem Montag beginnt, vor einer Herkulesaufgabe. Fast 815 Millionen Menschen sollen ihre Stimme abgeben, das sind ungefähr 100 Millionen mehr als vor fünf Jahren.
06.04.2014, 16:4906.04.2014, 17:29
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Die Wahlkommission und die Sicherheitskräfte, die in Indien am Montag alle 930'000 Wahllokale bewachen sollen, können das nicht an einem einzigen Tag bewältigen. Deswegen wird an neun Tagen zwischen dem 7. April und dem 12. Mai abgestimmt, vier Tage später soll dann das Ergebnis verkündet werden.

Die Zeichen stehen auf Wechsel. Die Menschen in Indien sind unzufrieden mit der Regierung, denn die Wirtschaft schwächelt, die seit Jahren hohe Inflation lässt die Preise vor allem für Lebensmittel steigen. Dann geriet die Regierung auch noch durch zahlreiche Korruptionsskandale in Misskredit.

Beim grössten Urnengang der Welt sorgt das Militär für Sicherheit.
Beim grössten Urnengang der Welt sorgt das Militär für Sicherheit.Bild: Reuters
Ein Polizist betrachtet eine Liste mit verschiedenen Wahllokalen.
Ein Polizist betrachtet eine Liste mit verschiedenen Wahllokalen.Bild: Reuters

Der 81-jährige Premierminister Manmohan Singh tritt nach zehn Jahren als Regierungschef nicht mehr an. Angeführt wird der Wahlkampf der derzeit regierenden Kongresspartei von Rahul Gandhi, dem 43-jährigen Spross der mächtigen Nehru-Gandhi-Familie, welche die Geschicke des riesigen Landes die meiste Zeit seit der Unabhängigkeit 1947 lenkte.

Favorit trotzt Massakervorwurf

Alle Umfragen sehen derzeit die hindu-nationalistische BJP in Führung, die den charismatischen Narendra Modi ins Rennen schickt. Modi hat sich im Bundesstaat Gujarat einen Namen als Wirtschaftsförderer und effektiver Verwalter gemacht.

Narendra Modi, von der hindu-nationalistischen Partei BJP, wird vorgeworfen, für ein Massaker verantwortlich zu sein, bei dem 2002 über tausend Menschen starben.
Narendra Modi, von der hindu-nationalistischen Partei BJP, wird vorgeworfen, für ein Massaker verantwortlich zu sein, bei dem 2002 über tausend Menschen starben.Bild: Reuters

Unter seinen Augen geschah 2002 ein Massaker, bei dem in Gujarat mehr als 1000 Menschen ermordet wurden, überwiegend Muslime. Modi wies stets alle Anschuldigungen von sich, dabei als Regierungschef des Bundesstaates weggeschaut oder gar zu dem Morden angestachelt zu haben.

Trotzdem fürchten viele, dass bei einem Sieg Modis die Spannungen zwischen Hindus, Muslimen, Sikhs, Christen und Buddhisten aufbrechen könnten.

Die Kongresspartei betonte denn auch unablässig, Indien müsse ein geeinigtes Land bleiben, in dem alle Kasten und Religionen friedlich zusammenleben. Daneben hat sich Rahul Gandhi die Stärkung der Frauen auf die Fahne geschrieben – ein Thema, das seit den Protesten gegen Vergewaltigungen die Gemüter im Land erhitzt. Ausserdem verspricht die Kongresspartei in ihrem Wahlprogramm Unterkunft und Krankenversorgung für alle.

Sandskulpturen-Künstler fordern die Inder zum Wählen auf.
Sandskulpturen-Künstler fordern die Inder zum Wählen auf.Bild: Reuters

Jungpartei gegen Korruption

Die grosse Unbekannte in den Wahlen ist die junge Antikorruptionspartei Aam Aadmi Party (AAP), also die Partei des einfachen Mannes. Ihr Anführer Arvind Kejriwal kämpft unermüdlich gegen Korruption sowie die Verflechtung von Wirtschaft und Politik.

Als die politischen Neulinge Ende vergangenen Jahres völlig überraschend die Wahl in der Hauptstadt Neu Delhi gewannen, war selbst Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen «geneigt zum Jubeln». Endlich verstehe einer, dass die Menschen den Wandel wollten, meint Sen.

«Die Menschen haben die Schnauze voll von der Kongresspartei.»
Hartosh Singh Bal, Journalist von «The Caravan» 

Umstritten aber ist, wie viele Wähler wegen dieser Haltung in die Arme der BJP oder der AAP flüchten. Journalist Hartosh Singh Bal vom Magazin «The Caravan» meint: «Eines zumindest ist klar: Die Menschen haben die Schnauze voll von der Kongresspartei. Sie wolle diese Politiker nicht mehr an der Macht sehen.»

Wahlbeamte kontrollieren noch einmal ihre Geräte für die Abstimmung.
Wahlbeamte kontrollieren noch einmal ihre Geräte für die Abstimmung.Bild: EPA/EPA
Wahlbeamte geniessen die Ruhe vor dem Sturm.
Wahlbeamte geniessen die Ruhe vor dem Sturm.Bild: AP/AP

Neben der Kongresspartei und der BJP werden auch dieses Mal die zahlreichen Regional- und Splitterparteien ein Wort mitreden können, weil ohne sie keine Mehrheit im Parlament zustande kommen dürfte. Etwa 1500 Parteien sind bei der indischen Wahlkommission registriert, rund 60 davon nehmen aktiv an der Wahl teil.

Etwa ein Dutzend kleine Parteien gründeten vor der Wahl eine «Dritte Front» – die wegen den grossen Unterschiede aber schnell wieder zerbrach. Aus dem Pool der Kleinen ragen drei schillernde Politikerinnen heraus, die als derzeitige oder ehemalige Ministerpräsidentinnen ihrer Bundesstaaten sehr beliebt sind: Mamata Baerjee aus Westbengalen, J. Jayalalithaa aus Tamil Nadu und Mayawati Kumari aus Uttar Pradesh. (pru/sda/dpa)

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