Dein Sterblichkeitsrisiko hängt stark von deiner Bildung ab
Die Schweiz verfügt über ein besonders starkes und leistungsfähiges Gesundheitssystem, vor allem im internationalen Vergleich. Doch nicht die gesamte Bevölkerung profitiert gleichermassen davon. Einige soziale Gruppen haben grössere Schwierigkeiten, Zugang zu Gesundheitsdiensten zu erhalten, und sind Krankheiten daher stärker ausgesetzt. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan), die am Montag veröffentlicht wurde.
«Gesundheitliche Chancengleichheit ist in unserer Gesellschaft noch nicht Realität», stellen die Autoren des Berichts fest. Konkret gilt: Je tiefer die materiellen und sozialen Ressourcen einer Bevölkerungsgruppe sind, desto schlechter ist ihr Gesundheitszustand. Dies betrifft insbesondere inhaftierte Personen, Asylsuchende, Sans-Papiers oder Menschen ohne festen Wohnsitz.
Eine weitere soziale Kategorie, an die man vielleicht weniger denkt: Menschen mit niedrigem Bildungsniveau. Denn diese «weisen schlechtere Gesundheitsindikatoren auf, haben eine höhere Krankheitslast sowie einen geringeren Zugang zu medizinischer Versorgung», betonen die Autoren der Studie.
Manchmal sehr grosse Unterschiede
Diese Situation ist «systematisch» und zieht sich durch alle 30 Gesundheitsindikatoren, die in der Studie berücksichtigt wurden – von Übergewicht bis zu depressiven Symptomen oder schlechter Zahngesundheit. Die Ergebnisse sind immer dieselben: Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau sind deutlich stärker betroffen.
Die Unterschiede sind teils erheblich. Zum Beispiel sind 61 Prozent der Menschen ohne post-obligatorische Ausbildung übergewichtig, während dies bei der Hälfte derjenigen mit einer Matura und 39 Prozent der Hochschulabsolventen der Fall ist.
Stärker gebildete Menschen sind auch deutlich weniger anfällig für schlechte Zahngesundheit, sind fast doppelt so wenig von depressiven Symptomen betroffen und haben ein zweimal geringeres Risiko, an Diabetes zu erkranken, schreiben die Autoren der Studie.
Krebs und Schlaganfälle
Diese Unterschiede zeigen sich auch, wenn man sich die beiden Hauptursachen für die Sterblichkeit in der Schweiz anschaut: Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Das Risiko, solche Krankheiten zu entwickeln, «ist eng mit dem Bildungsniveau verbunden», schreiben die Forschenden.
Die Zahlen lassen keinen Raum für Zweifel: Menschen, die nur die obligatorische Schulbildung abgeschlossen haben, haben im Vergleich zu jenen mit höherer Ausbildung ein um 34 Prozent höheres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Bei Personen mit einem Abschluss der Sekundarstufe II liegt dieses Risiko um 23 Prozent höher als bei Personen mit einem Hochschulabschluss.
Das Risiko für einen Schlaganfall folgt einem ähnlichen Muster. In beiden Fällen, so der Bericht, ist dieser Unterschied bei Frauen besonders ausgeprägt.
Die Situation bei Krebs ist etwas differenzierter. Man findet auch hier die gleiche Korrelation zwischen niedrigem Bildungsniveau und einem erhöhten Risiko, insbesondere bei Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs und Dickdarmkrebs. Auch hier gibt es teils erhebliche Unterschiede:
Im Gegensatz dazu zeigt sich bei Hautkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs ein umgekehrter Zusammenhang: Das Risiko ist bei höher Gebildeten grösser.
Um 60 Prozent höheres Sterblichkeitsrisiko
Die Auswirkungen aller analysierten 30 Risikofaktoren summieren sich im Laufe eines Lebens und können zum vorzeitigen Tod führen, erklären die Autoren der Studie. Auch hier spiegeln sich die Zahlen deutlich wider:
Tatsächlich haben Menschen mit einem Abschluss der Sekundarstufe II ein um 35 Prozent höheres Sterblichkeitsrisiko im Vergleich zu Menschen mit einem tertiären Abschluss. Bei denjenigen ohne post-obligatorische Ausbildung liegt das Risiko gar 60 Prozent höher.
Lebensstil und körperlich anstrengende Arbeit
Dafür gibt es mehrere Gründe: Der Erste hängt mit dem Gesundheitsverhalten zusammen. «Menschen mit höherem Bildungsniveau ernähren sich gesünder, bewegen sich häufiger und rauchen seltener», besagt die Studie. Doch der Lebensstil erklärt nicht alles. Der Alkoholkonsum sei bei höher Gebildeten tendenziell etwas höher.
Die Belastungen durch die Arbeit spielen ebenfalls eine Rolle, da körperlich anstrengende Tätigkeiten «deutlich häufiger von Menschen ohne post-obligatorische Ausbildung» ausgeführt werden. Diese verzichten auch «viel häufiger aus finanziellen Gründen auf medizinische Behandlungen». Zudem nehmen sie auch seltener an Vorsorgeuntersuchungen zum frühzeitigen Erkennen von Dickdarm- und Prostatakrebs teil.
«Zusammenfassend lässt sich sagen, dass soziale Ungleichheiten in der Schweiz in Bezug auf Gesundheit, Krankheit und Gesundheitsverhalten klar sichtbar sind», kommentieren die Forschenden und stellen abschliessend fest:
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