Desmond Tutu ist tot. Der weltbekannte südafrikanische Friedensnobelpreisträger, Menschenrechtler und emeritierte Erzbischof starb am Sonntag im Alter von 90 Jahren, wie Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa bekannt gab.
Als prominentester Geistlicher des Landes war er jahrzehntelang das moralische Gewissen des Kap-Staates. Gemeinsam mit Nelson Mandela kämpfte er gegen das rassistische Apartheidsystem, das die weisse Dominanz festschreiben wollte. Nach dessen Überwindung prägte er einst den Begriff der «Regenbogennation».
«Für viele in Südafrika und auch der Welt war sein Leben ein Segen», schrieb seine Stiftung. Er sei ein aussergewöhnlicher Mensch gewesen, dessen Stimme Gewicht gehabt habe.
Das Nobelpreiskomitee sprach in einer Stellungnahme von einer «betrüblichen Nachricht», der britische Premierminister Boris Johnson würdigte ihn als wichtige Persönlichkeit im Kampf gegen die Apartheid und beim Aufbau eines neuen demokratischen Südafrikas.
David Sassoli, der Präsident des Europaparlaments, würdigte ihn als eine echte Inspiration und «einen Giganten im Kampf gegen Südafrikas Apartheid». Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äusserte sich ähnlich. EU-Ratspräsident Charles Michel nannte Tutu einen «Giganten, der gegen die Apartheid aufstand»: «Ein Mann, der mit starkem Engagement für die Menschenwürde sein Leben der Freiheit gewidmet hat.»
Papst Franziskus liess über ein Telegramm mitteilen, mit Trauer von der Nachricht über Tutus Tod erfahren zu haben. Er würdigte darin dessen Einsatz für die Versöhnung in Südafrika.
Die Schweiz habe mit Trauer vom Tod Tutus erfahren. «Sie gedenkt gemeinsam mit Südafrika und der internationalen Gemeinschaft dieses Mannes, der nie aufgehört hat, für die universelle Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde zu kämpfen», heisst es in einer Mitteilung des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
In Südafrika waren bereits am Mittag auf TV-Bildern Menschen zu sehen, die Blumen vor seinem Denkmal in Kapstadts Waterfront niederlegten. Die Stadtverwaltung will als Verbeugung vor Tutus Vermächtnis in den kommenden Tagen das Wahrzeichen der Stadt – den alles überragenden Tafelberg – im bischöflichen Violett anstrahlen.
Ob Rassendiskriminierung oder andere Ungerechtigkeit: Tutu fand stets klare Worte. Als streitbarer anglikanischer Gottesmann wurde er zur Stimme des Widerstands und erhielt 1984 für seinen gewaltlosen Einsatz gegen das Apartheidregime den Friedensnobelpreis.
«Er nahm Gott, Gottes Willen und Gottes Schöpfung todernst», schrieb Kapstadts Erzbischof Thabo Makgoba. Nach Angaben der aus Kapstadt stammenden Infrastrukturministerin Patricia de Lille starb Tutu friedlich im Kreise seiner Familie. «Er sah so friedlich aus – er schloss einfach seine Augen», sagte sie bei einer kurzen Gedenkveranstaltung.
Mit seinem aussergewöhnlichen Intellekt sei Tutu inspirierend, prinzipienfest und pragmatisch gewesen, meinte Präsident Ramaphosa. Er betonte: «Der Tod des emeritierten Erzbischofs Desmond Tutu ist ein weiteres Kapitel der Trauer im Abschied unseres Landes von einer Generation herausragender Südafrikaner, die uns ein befreites Südafrika hinterlassen haben.»
Nach Angaben der amtierenden Koordinatorin von Tutus Büros, Ramphela Mamphele, war Tutu am Morgen in einem Seniorenheim in Kapstadt gestorben. Südafrika und die Welt hätten eines ihrer moralischen Vorbilder verloren. «Der Erzbischof war ein moralischer Kompass für unsere Gesellschaft», sagte im TV-Sender eNCA Verne Harris von der Nelson-Mandela-Stiftung. Er sei seiner Zeit oft voraus gewesen.
Der am 7. Oktober 1931 in der Bergbaustadt Klerksdorp bei Johannesburg geborene Tutu war nach dem Ende der Apartheid einer der Verfechter der Aussöhnung zwischen Schwarz und Weiss. Er übernahm 1996 den Vorsitz der Wahrheits- und Versöhnungskommission, die die Verbrechen der Apartheidzeit aufarbeitete.
Die Schweiz hatte dieser Kommission zwei Experten zur Verfügung gestellt: Daniel Züst und Alain Sigg arbeiteten über Monate hinweg für die Kommission.
Obwohl sich Desmond Tutu dem heute regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) seines Freundes Nelson Mandela im Anti-Apartheid-Kampf verbunden fühlte, kritisierte er den ANC später für Missstände oder Fehlentwicklungen.
Aus der Öffentlichkeit zog er sich nach der Fussball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika immer mehr zurück. Obwohl er zunehmend zur Behandlung ins Krankenhaus musste, meldete er sich aber bei ihm ungerecht erscheinenden Ereignissen noch immer stets lautstark zu Wort. Er hinterlässt seine Frau Leah und vier Kinder.
Einen seiner letzten öffentlichen Auftritte hatte er Mitte September 2019, als ihm der britische Prinz Harry bei einer Afrikareise seine Familie vorstellte und der bereits sehr gebrechlich wirkende Tutu dem kleinen Archie einen Kuss auf die Stirn hauchte. (sda/dpa)