Als die Menschenrechtsorganisation Invisible Children vor dreieinhalb Jahren den Dokumentarfilm «Kony» ins Netz stellte, war der Rebellenführer Joseph Kony über Nacht weltbekannt. 100 Millionen Mal wurde das Video auf YouTube angeklickt, Tausende Menschen weltweit gingen auf die Strasse, um die Schandtaten des Anführers der Lords Resistance Army (LRA, Widerstandsarmee des Herrn) anzuprangern.
Der grösste Erfolg der Kampagne aber war der öffentlich Druck auf die politischen Entscheidungsträger, der den US-Präsident Obama im Jahr 2011 schliesslich dazu bewog, das Kontingent an US-Truppen in der Region massiv aufzustocken.
Die NGO Invisible Children ist mittlerweile in der Versenkung verschwunden, der Gründer und Kopf hinter der Kony-Kampagne, Jason Russel, hat zuletzt von sich Reden gemacht, als er einen Nervenzusammenbruch erlitt und nackt auf den Strassen San Diegos aufgegriffen wurde.
Joseph Kony aber ist immer noch auf freiem Fuss. Trotz eines Strafbefehls des Internationalen Strafgerichtshof, trotz mehreren hundert Soldaten der Afrikanischen Union und trotz Hunderten von US-Militärberatern in der Region. Mit 200 Getreuen hat sich das selbsternannte «Sprachrohr Gottes» im unzugänglichen Gebiet zwischen dem Sudan, dem Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik verschanzt.
Von seinem Ziel einer christlich-theokratischen Republik in Uganda ist Kony weiter denn je entfernt. Die ehemals mehrere tausend Kämpfern umfassende LRA ist auf wenige hundert Kämpfer geschrumpft, hochrangige LRA-Generäle wurden getötet oder gefangen genommen. Dennoch ist die LRA noch immer aktiv: Von ihrem vermuteten Rückzugsgebiet im Westen des Sudan schwärmen immer wieder LRA-Kämpfer in die Demokratischen Republik Kongo und in die zentralafrikanische Republik aus. Die notwendigen Mittel für Waffen, Munition und Ausrüstung beschafft sich die Rebellenarmee mittels Schmuggel von Edelsteinen und Elfenbein.
Um den Warlord Kony zur Strecke zu bringen, scheut sich die USA nicht, unheilige Allianzen mit zwielichtigen Rebellenorganisationen in der Region einzugehen. «Wir arbeiten mit all denjenigen zusammen, die relevante Informationen [zu Kony] haben», sagte Amanda Dory, die stellvertretende Assistenz-Sekretärin für den Bereich Afrika des Pentagons gegenüber der «Washington Post».
Von dieser umstrittenen Zusammenarbeit profitieren etwa die zentralafrikanischen Séléka-Rebellen. Die muslimische Rebellenorganisation, verantwortlich für Plünderungen, willkürliche Exekutionen und Massenvergewaltigungen, putschte 2012 gegen die Regierung von Präsident François Bozizé. Seither gleitet das Land immer weiter ab in einen Strudel ethnischer Gewalt.
Ob Séléka tatsächlich dazu beiträgt, den Massenmörder Kony zu fassen, ist fraglich. Beobachter monieren, dass die Séléka ein Doppelspiel betreibe: Einerseits werde sie von Truppen der Afrikanischen Union und den USA unterstützt (auch wenn dies offiziell nicht zugegeben wird) und anderseits betreibe sie regen Handel mit der LRA.
Im kommenden Monat muss sich Obama entscheiden, ob er die US-Mission zur Ergreifung Konys um ein Jahr verlängert. Obwohl der Präsident Rückendeckung sowohl von Demokraten als auch Republikanern geniesst: Die Zusammenarbeit mit umstrittenen und die Region destabilisierenden Kräften dürfte für einige Diskussionen sorgen.
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