International
Afrika

Volksgruppen in Namibia lehnen Aussöhnungsabkommen mit Deutschland ab

Volksgruppen in Namibia lehnen Aussöhnungsabkommen mit Deutschland ab

31.05.2021, 16:1831.05.2021, 16:26
Mehr «International»
People hold banners as they stage a protest in Windhoek, Namibia, Friday May 28, 2021. Germany has reached an agreement with Namibia that will see it officially recognize as genocide the colonial-era  ...
Proteste in Windhoek, Namibia.Bild: keystone

Ein Verband von Häuptlingen der Volksgruppen der Herero und Nama hat das von Deutschland vorgeschlagene Abkommen abgelehnt, durch das die deutsche Regierung die Verbrechen der deutschen Kolonialmacht vor mehr als 100 Jahren im heutigen Namibia als Völkermord anerkennt.

Sie fordern, dass die geplante Unterzeichnungszeremonie zwischen Deutschland und Namibia verschoben wird.

Die von der deutschen Regierung angebotenen Unterstützungszahlungen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre seien «eine schockierende Offenbarung», «inakzeptabel» und ein «Affront gegen unsere Existenz», erklärten Vertreter des von der namibischen Regierung anerkannten Rates der Häuptlinge in einer am Montag veröffentlichten Mitteilung. Der «beleidigende Betrag» werde abgelehnt.

Zwar begrüsse der Rat die Anerkennung des Völkermords durch die Bundesregierung, das Schuldeingeständnis für die mehr als 100 Jahre zurückliegenden Gräueltaten und die geplante Bitte um Vergebung. Die Reparationsfrage müsse jedoch neu verhandelt werden, hiess es.

Nach fast sechs Jahren Verhandlungen hatten sich die deutsche und die namibische Regierung vergangene Woche auf ein Abkommen zur Aussöhnung gekommen. Der Rat der Häuptlinge erklärte nun, er sei nicht rechtzeitig in die Verhandlungen eingebunden worden, um die betroffenen Volksgruppen zu konsultieren.

Die Ovaherero Traditional Authority, eine weitere Herero-Gruppe, hatte das Abkommen vergangene Woche bereits als PR-Coup Deutschlands und Betrug der namibischen Regierung bezeichnet.

Die namibische Regierung zeigte sich über die Stellungnahme des Rates der Häuptlinge überrascht und sprach von einem schwerwiegenden Rückschritt. Der Rat sei im gesamten Verhandlungsprozess involviert gewesen, sagte der Sonderbeauftragte und Verhandlungsführer der namibischen Regierung, Zed Ngavirue, der Deutschen Presse-Agentur.

Das namibische Parlament befinde sich bis zum 8. Juni in einer Sitzungspause; danach werde der Premierminister einen Bericht vorlegen. Man müsse die Verhandlungen nun neu bewerten. «Ich denke, Deutschland war sich der Tatsache bewusst, dass es in diesem Land Spaltungen gibt ... Wir alle müssen beurteilen, inwieweit (die Stellungnahme des Rats der Häuptlinge) ernsthaft in Betracht gezogen werden muss», betonte Ngavirue.

Die deutsche Regierung hatte immer wieder betont, dass es aus ihrer Sicht keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung gebe. Die 1,1 Milliarden Euro seien als politisch-moralische Verpflichtung zu verstehen.

Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika und schlug Aufstände brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 kam es zu einem Massenmord, der als erster Genozid im 20. Jahrhundert gilt.

Historiker schätzen, dass 65'000 von 80'000 Herero und mindestens 10'000 von 20'000 Nama getötet wurden. Seit 2015 verwendet das Auswärtige Amt dafür den Begriff Völkermord in seinem allgemeinen Sprachgebrauch. Jetzt werden die Gräueltaten auch offiziell als Völkermord bezeichnet. (aeg/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
37 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Haarspalter
31.05.2021 18:07registriert Oktober 2020
„Der «beleidigende Betrag» werde abgelehnt.“

Na ja - ich verstehe freilich nichts von solchen historischen Wiedergutmachungen, welche von den unschuldigen Nachkommen der Täter den unschuldigen Nachkommen der Opfer offeriert werden...

Aber wichtig ist doch, dass das Geschehene von D historische als Völkermord anerkannt wird. Und somit die eine Nation der anderen die Hand (und nicht nur den kleinen Finger) reicht.

So weit würden andere Länder (z.B. Erdoganien) gar nie gehen...

Welcher Betrag wäre dann nicht mehr beleidigend?
18413
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bivio
31.05.2021 16:41registriert März 2018
Also geht es nur ums liebe Geld. Mal wieder....
12428
Melden
Zum Kommentar
avatar
PaLve!
31.05.2021 18:35registriert Juni 2017
Wieso wird nicht genauer drauf eingegangen wieso sie das ablehnen?
So viel ich weiss stehen viele Vertretee der Volksgruppen der Zahlung kritisch gegenüber, weim sie einfach im Sumpf der Regierung versickern könnten. Ist das dieses Mal auch so?
271
Melden
Zum Kommentar
37
    20-Millionen-Klage gegen Rapper Fat Joe – das sind die schweren Vorwürfe
    Ein Ex-Mitglied von Fat Joes Team erhebt schwere Vorwürfe gegen den Rapper: Der Missbrauch Minderjähriger und systematische Ausbeutung stehen im Raum.

    Der Rapper Fat Joe war insbesondere in den frühen 2000er-Jahren präsent im Mainstream-Hip-Hop und Teil der Black-Music-Welle. Er arbeitete mit etlichen Grössen der Branche zusammen, trat auch in Filmen («Scary Movie 3») auf. Sein grösster Hit ist «Lean Back» aus dem Jahr 2004.

    Zur Story