Aufgrund der anhaltenden Kämpfe im Sudan können Zehntausende Menschen in der Hauptstadt Khartum ihre Häuser weiter nicht verlassen. Auch am Donnerstag gab es Luftangriffe und Artilleriefeuer, wie Augenzeugen berichteten.
Laut einem dpa-Reporter versuchten Tausende Einwohner seit Mittwoch die Hauptstadt, in der die Kämpfe bislang am schlimmsten wüteten, zu verlassen. Sie stünden vor der Herausforderung, zu entscheiden, was sicherer sei: sich zu Hause zu verschanzen, mit der Gefahr bombardiert zu werden, oder zu fliehen – unter der Gefahr, dabei im Kreuzfeuer erschossen zu werden.
Besonders betroffen von den Kämpfen zwischen der Armee und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) waren weiterhin der Flughafen und das Generalkommando des Militärs in Khartum. Auch in anderen Teilen des Landes setzten sich die heftigen Gefechte fort.
Nach Angaben der UN gibt es in vielen Häusern seit Tagen keinen Strom oder fliessendes Wasser mehr. Tausenden Menschen gehen demnach Trinkwasser, Nahrungsmittel, Benzin und Medikamente aus. Die Gesundheitsversorgung sei so gut wie zusammengebrochen, sagte das sudanesische Ärztekomitee. Augenzeugenberichten zufolge liegen Leichen auf den Strassen der Hauptstadt. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stieg die bislang bekannte Zahl der Toten auf rund 330. Rund 3200 Menschen seien verletzt worden.
“They are fighting over seats of power, while we are fighting to be able to eat and drink. They’re fighting to steal and exploit, while we are fighting to eat, have education and healthcare”
— Karim Wafa Al-Hussaini (@DrKarimWafa) April 18, 2023
- Sudanese citizen about the situation#Sudan
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Die Welthungerhilfe hat aufgrund der anhaltenden Gefechte im Sudan vor einer «humanitären Tragödie» gewarnt. Am sechsten Tag der Kämpfe zwischen dem Militär und Paramilitär spitze sich die ohnehin schon schwierige Lage der Menschen weiter zu, teilte die Hilfsorganisation am Donnerstag mit.
Schon vor Ausbruch der Gewalt habe jeder Fünfte in dem nordostafrikanischen Land mit 46 Millionen Einwohnern Hunger gelitten, hiess es. Besonders dramatisch sei die Situation in der westlichen Region Darfur.
Die Welthungerhilfe warnt vor einer humanitären Tragödie im #Sudan und fordert sicheren Zugang zu Menschen in Not. Schon vor Ausbruch der Gewalt litt jeder Fünfte im Land Hunger. Wir werden unsere Arbeit fortsetzen, sobald es die Sicherheitslage erlaubt. https://t.co/kaFbCCGpkc pic.twitter.com/YZUZyzyOQV
— Welthungerhilfe (WHH) (@Welthungerhilfe) April 20, 2023
Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge.
Er ergänzt:
Mogge beklagte auch die Übergriffe auf Mitarbeiter von Hilfsorganisationen im Land. «Dass humanitäre Helferinnen und Helfer zur Zielscheibe werden, ist ein klarer Verstoss gegen internationales Recht», sagte er. Es brauche dringend eine Feuerpause, um humanitäre Korridore zu erstellen und die Sudanesen mit dem Nötigsten zu versorgen.
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef warnte, die eskalierende Gewalt gefährde Millionen von Kindern. Mindestens neun Kinder wurden Berichten zufolge bei den Kämpfen getötet und mehr als 50 verletzt. Zudem hätten die Kämpfe laut Unicef die lebensrettende Versorgung von etwa 50'000 akut unterernährten Kindern unterbrochen. Wegen landesweiten Stromausfällen seien kühlpflichtige Impfstoffe, Insulin und Antibiotika zerstört worden, teilte Save the Children mit.
Mehrere Versuche, eine Feuerpause zu organisieren, scheiterten in den vergangenen Tagen. Die Bundesregierung musste eine Evakuierungsmission deutscher Staatsbürger mit Bundeswehrmaschinen aus dem Sudan wegen der Sicherheitslage am Mittwochnachmittag abbrechen.
Dem Krankenhaus in El Fasher in Nord-Darfur gingen die medizinischen Vorräte zur Behandlung von Patienten aus, sagte Ghazali Babiker, der stellvertretender Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Sudan, am Donnerstag. Da der umkämpfte internationale Flughafen in Khartum seit Samstag geschlossen sei, hätten keine medizinischen Hilfsgüter oder Operationsteams eingeflogen werden können. Die WHO rief die Konfliktparteien erneut mit höchster Dringlichkeit zu einem humanitären Waffenstillstand auf.
In dem seit Jahren politisch instabilen Land im Nordosten Afrikas kämpft die Armee seit Samstag gegen die einst verbündeten RSF um die Macht. In dem gold- und ölreichen Land mit rund 46 Millionen Einwohnern regiert seit 2019 eine militärische Übergangsregierung, die diesen Monat eigentlich einen Prozess zur Demokratisierung einleiten sollte.
(sda/dpa)