Nein, Steve Bannon ist kein Kommunist. Er war einst Investmentbanker bei Goldman Sachs und soll dort sehr viel Geld verdient haben. Er verkehrt mit Milliardären und politisch steht er irgendwo rechts von Dschingis Khan. Und trotzdem soll Bannon eine grosse Bewunderung für Lenin hegen. Weshalb?
Wladimir Iljitsch Lenin war der Anführer der Revolution, welche die Kommunisten in Russland an die Macht gebracht hat. Er war ein brillanter Stratege und ein skrupelloser Machtmensch.
Zunächst gelang es ihm, die Wirren des Ersten Weltkrieges auszunützen. Ein schwacher Zar und unfähige Generale hatten die russische Armee von einer Niederlage gegen die Deutschen zur nächsten geführt. In einem ersten Streich wurde der Zar unter massgeblicher Beteiligung der Kommunisten gestürzt. Lenin bot den Deutschen die Kapitulation an.
Nach dem Sturz des Zaren – er wurde später zusammen mit seiner Familie erschossen – nutzte Lenin geschickt die Widersprüche und Streitereien einer sozialistisch-liberalen Regierung aus. Obwohl die Bolschewiken, wie sich die russischen Kommunisten nannten, niemals eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatten, kamen sie auf diese Weise an die Macht, allerdings erst, nachdem ein jahrelanger, äusserst blutiger Bürgerkrieg rund zwölf Millionen Todesopfer gefordert hatte.
Vor der Revolution war Lenin ein Aussenseiter, der mit ein paar verschworenen Mitstreitern gegen das Zaren-Regime ankämpfte. Dabei versuchte er, so viel Chaos anzurichten wie nur möglich. Seit seiner Vertreibung aus dem Weissen Haus ist auch Steve Bannon ein solcher Aussenseiter. Anders als Lenin, der aus dem Ausland agieren musste – er wohnte bekanntlich eine Zeit lang in Zürich –, hat Bannon seinen «war room» in Washington aufgeschlagen, in einer alten Villa in der Nähe des Weissen Hauses.
In dieser Villa hat Bannon auch ein kleines Studio eingerichtet, aus dem er täglich während drei Stunden einen Podcast ausstrahlt. Dort empfängt er auch seine Mitstreiter, darunter Matt Gaetz, den Anführer der Rebellion gegen Kevin McCarthy, den gestürzten Speaker des Abgeordnetenhauses.
In der Öffentlichkeit war Bannon in den letzten Monaten kaum präsent. Das soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ihm gelungen ist, ein potentes, rechtsextremes Netzwerk aufzubauen. Der erfolgreiche Aufstand gegen McCarthy ist ein Resultat davon. Oder wie die «New York Times» schreibt:
Bannon will die bestehenden Institutionen zerschlagen, und er macht kein Hehl daraus: «Wir müssen einen Feuersturm entfachen, der alles ändert», sagt er. «Die Menschen glauben immer noch, die Regierung sei da, um ihnen zu helfen. Ich werde aufzeigen, dass die Regierungsausgaben verseucht sind.»
Mit dem Sturz von McCarthy ist Bannon ein Teilerfolg gelungen. Im US-Kongress herrscht derzeit Chaos, und ein Ende ist nicht absehbar. Der alte Speaker, der Anführer der Mehrheit im Abgeordnetenhaus, ist zwar gestürzt, doch wer ihn – und wann – ersetzen soll, steht in den Sternen. Zwei potenzielle Kandidaten sind im Gespräch: Jim Jordan und Steve Scalise. Beide politisieren am äussersten rechten Rand der Grand Old Party.
Scalise war Stellvertreter von McCarthy. Er ist eine Spur gemässigter als Jordan. Dieser spricht wie ein Maschinengewehr, trägt meist eine gelbe Krawatte und kein Jackett. Er steigt mit einem grossen Vorsprung ins Rennen, mit einer Empfehlung von Donald Trump. «Der Abgeordnete Jim Jordan war ein STAR lange vor seiner erfolgreichen Reise nach Washington», verkündete der Ex-Präsident auf seiner Plattform Truth Social. «Er wird ein grossartiger Speaker sein und hat meine volle Unterstützung.»
Ob dies reicht, ist allerdings fraglich. Allmählich haben auch die moderaten Republikaner die Schnauze voll vom Schmierentheater des äusserst rechten Flügels. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse könnte der Kampf um die Speaker-Nachfolge daher lange dauern.
Steve Bannon kann dies nur recht sein. Er will einzig Chaos säen und hämmert seinen Anhängern ein: «Macht alles so empörend wie möglich.» Sein Ziel ist es zu demonstrieren, dass die Demokratie versagt und durch ein autoritäres System im Sinne von Putin und Orban ersetzt werden muss.
Um dieses Ziel zu erreichen, muss Bannon allerdings noch ein paar gewichtige Hürden überwinden. So wirr die politischen Verhältnisse derzeit in Washington sind, sie lassen sich nicht vergleichen mit der Situation Russlands im Ersten Weltkrieg.
Und der Möchtegern-Lenin hat auch ein kleines persönliches Problem: Er muss zwar nicht wie sein Vorbild einst ins Ausland flüchten. Aber er wandert wahrscheinlich demnächst für ein paar Monate in den Knast.
Lenin wollte immerhin einen autokratischen Staat ablösen (der steht’s für Chaos berüchtigt war), keine vergleichsweise sehr gut laufende Demokratie.
Und Dschingis Khan rechts?
Bitte mal die Secret History of Mongolia lesen (also die Geschichte aus mongolischer Sicht). Irgendwie passen Links und Rechts nicht so recht auf die politischen Verhältnisse in der mongolischen Steppe des 13.Jahrhunderts. Die hatten ganz andere Probleme, z B das Fehlen jeglichen Rechtsstaats. Auch Dschingis Khan, der hat schließlich mal sehr klein angefangen.
Ist bei uns leider genau gleich.
Wieso wählen arme Menschen reiche Egoisten?