Donald Trump pflegte Wladimir Putin noch so gerne öffentlich die Hand zu schütteln und ihn dabei in den höchsten Tönen zu loben. Ihn auch öffentlich zu rügen, wäre ihm jedoch nie in den Sinn gekommen. Präsident Joe Biden hat nun genau dies getan. Vor laufenden Kameras verkündete er gestern, welche neuen Sanktionen die USA gegen Russland verhängen – und auch, weshalb sie es tun.
Zunächst die Sanktionen: Die USA weisen zehn «Diplomaten» aus, will heissen, als Diplomaten getarnte Spione. Auch sechs russischen Tech-Firmen wird der Zugang zum amerikanischen Markt verwehrt. Vor allem jedoch dürfen US-Banken bis auf Weiteres keine russischen Staatsanleihen auf dem Primärmarkt kaufen.
Die Sanktionen sind die Reaktion auf verschiedene Vorfälle: Im Vordergrund steht dabei ein Hackerangriff. Via Software einer Firma namens SolarWinds ist es dem russischen Geheimdienst gelungen, Daten von tausenden amerikanischen Verwaltungsstellen und Unternehmen zu ergattern. Gemäss Experten soll es sich dabei um den bisher gefährlichsten Datenraub der Russen handeln.
Der Fall von Alexei Nawalny spielt ebenfalls eine Rolle. Putins bekanntester Gegenspieler wurde zunächst vom russischen Geheimdienst vergiftet und überlebte nur dank der raschen Reaktion eines Piloten und der medizinischen Kunst von Ärzten in Berlin.
Nach seiner Rückkehr aus Deutschland wurde Nawalny ein Showprozess gemacht, in dem er zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Derzeit ist er in einem Straflager untergebracht. Nawalny ist gesundheitlich angeschlagen und befindet sich in einem Hungerstreik.
Keine Folgen hingegen hat das «Kopfgeld», das Putin angeblich für getötete US-Soldaten in Afghanistan ausgesetzt haben soll. Die Beweise dafür seien «schwach bis mittelmässig», erklärte ein hoher US-Regierungsbeamter.
Hingegen wird die Konzentration russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine in Washington mit wachsender Besorgnis beobachtet.
Präsident Biden machte auch klar, dass er sich grundsätzlich ein geregeltes Verhältnis mit Russland wünscht. Die Sanktionen sind daher primär als Warnschuss zu verstehen. Die härteste Massnahme, das Verbot des Kaufs von russischen Staatsanleihen, kann relativ einfach umgangen werden. Amerikanische Banken dürfen weiterhin diese Papiere auf dem Sekundärmarkt erwerben.
«Ich habe Präsident Putin erklärt, dass wir weiterreichende Massnahmen hätten ergreifen können, dies jedoch bewusst nicht getan haben», erklärte denn auch Biden. Am Dienstag hatte er mit dem russischen Präsidenten telefoniert und ihm dabei ein Treffen an einem neutralen Ort angeboten.
Erwartungsgemäss hat der Kreml auf die amerikanischen Massnahmen harsch reagiert. Regierungssprecherin Marija Sacharowa erklärte: «Dieses aggressive Verhalten wird energisch zurückgewiesen und Reaktionen auf die Sanktionen sind unausweichlich. Washington muss erkennen, dass es einen Preis für die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen zu entrichten hat.»
Gleichzeitig mit der Verkündung der Sanktionen hat das amerikanische Finanzdepartement einen brisanten Bericht veröffentlicht. Darin wird mit einem Pfeiler des Lügengebäudes der Trump-Welt aufgeräumt: mit der Behauptung, es habe im Wahlkampf 2016 keine Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst gegeben.
Tatsächlich konnten der Sonderermittler Robert Mueller und sein Team keine kriminelle Verschwörung zwischen dem Trump-Team und den Russen nachweisen. «No collusion, no collusion» wurde daher zum festen Bestandteil des Vokabulars des Ex-Präsidenten.
Doch bereits im Mueller-Report taucht der Name von Konstantin V. Kilimnik auf. Dabei handelt es sich um einen Agenten im russischen Geheimdienst. Kilimnik war auch ein Geschäftspartner von Paul Manafort, dem ehemaligen Wahlkampfmanager von Trump. Manafort wurde wegen Steuerhinterziehung zu 7,5 Jahren Gefängnis verurteilt. Trump hat ihn vor Verlassen des Weissen Hauses begnadigt.
Im nun veröffentlichten Bericht heisst es: «Während den US-Wahlen im Jahr 2016 hat Kilimnik den russischen Geheimdienst mit sensitiven Informationen der Wahlkampagne versorgt.»
Mit anderen Worten: Über die Verbindung Manafort - Kilimnik wussten die Russen über die Strategie des Trump-Teams Bescheid und konnten ihre Aktivitäten darauf abstimmen. Diese Verbindung konnte der Sonderermittler nie nachweisen.
Rick Gates, Manaforts Stellvertreter, erklärte zwar, die Informationen, die über diesen Kanal geflossen sind, seien trivial und öffentlich zugänglich gewesen. Doch das ist nicht der Punkt. Entscheidend ist die Tatsache, dass es diesen Kanal und damit eben auch eine «collusion» gegeben hat.
Das letzte Wort in dieser Sache dürfte daher noch nicht gesprochen sein. Im Bericht wird festgehalten, die Verbindung Manafort - Kilimnik sei «die bedeutendste direkte Beziehung zwischen führenden Mitgliedern des Trump-Teams und dem russischen Geheimdienst» gewesen.
Das FBI hat derweil eine Belohnung von 250’000 Dollar ausgesetzt für sachdienliche Hinweise, die zur Ergreifung von Mr. Kilimnik führen.