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Um die AHV steht es plötzlich gut – sagen die neuen Zahlen des Bundes

Ja Parole der Gewerkschaft stehen an einer Wand im Vorfeld des Abstimmungsergebnisses zur 13. AHV Rente Initiative, am Sonntag, 3. Maerz 2024, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider).
Die 1. Säule galt lange als das Sorgenkind in der Schweizer Vorsorge – nun sieht es offenbar plötzlich ziemlich viel besser aus. (Symbolbild)Bild: keystone

Um die AHV-Finanzen steht es plötzlich gut – sagen die neuen Zahlen des Bundes

Die Statistiker des Bundes haben die Prognosen punkto Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung aktualisiert. Die Folgen für die AHV-Finanzierung sind frappant: Sobald die 13. AHV-Rente ausfinanziert ist, verschwindet das Finanzierungsloch auch mittelfristig.
21.08.2025, 04:2021.08.2025, 06:53
Anna Wanner / ch media
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Es ist ein Grund zum Feiern: Der Bund hat am Mittwoch neue Szenarien für die Finanzierung der AHV vorgelegt. Und sie zeigen ein komplett neues Bild: Die Finanzen der AHV sind langfristig stabil, sofern das Parlament die Finanzierung der 13. AHV-Rente hinkriegt.

Trotz guter Nachricht reibt man sich erstaunt die Augen. Seit Jahren wird der AHV eine grosse Finanzierungslücke prophezeit. Noch im Mai erklärte die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, sie rechne mit Milliardendefiziten jedes Jahr. Denn die Menschen werden älter, die Babyboomer gehen in Pension, die Zahl der Rentenbezüger steigt von 2,5 Millionen Personen auf 3 Millionen 2035. Baume-Schneider präsentierte darum bereits die Eckwerte der nächsten grossen AHV-Reform für 2030.

Ob es diese überhaupt noch braucht, ist aufgrund der aktualisierten AHV-Prognosen aber fraglich. Was ist passiert?

Neue Szenarien: Das hat sich seit 2020 geändert

Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat die Finanzperspektiven der AHV bis 2040 aktualisiert. Als Grundlage dienten dafür die neuen Demografieszenarien und Konjunkturprognosen des Bundes. Die Statistiker rechnen mit einer höheren Zahl an Erwerbstätigen und weniger Rentnerinnen und Rentnern als noch 2020 angenommen. Das hat gleich zwei positive Effekte auf die AHV-Kasse: mehr Einnahmen und weniger Ausgaben.

Allerdings kühlt sich die Konjunktur gemäss Prognosen ab, das kurzfristige Wachstum der Wirtschaft wurde nach unten korrigiert. Das bedeutet zwar weniger Lohneinnahmen, aber auch weniger Ausgaben für die AHV, weil die Renten aufgrund des Mischindexes (Lohn und Inflation) nicht so stark steigen. Weiter budgetiert das Amt auch die Anlagerenditen des AHV-Ausgleichsfonds neu, also höher.

Das Resultat ist frappant, die Milliardendefizite halbieren sich. Es bleibt nur ein grosses Hindernis: die Finanzierung der 13. AHV-Rente.

Das Defizit wächst in zehn Jahren auf vier Milliarden

Die Rentenerhöhung wird ab 2026 erstmals ausbezahlt. Ab diesem Zeitpunkt schreibt die AHV wieder rote Zahlen, ein Minus von 1,1 Milliarden. Ohne zusätzliche Finanzierung wächst das Defizit der AHV weiter an. So zahlt das Sozialwerk 2030 rund 1,9 Milliarden Franken mehr an Renten aus, als es über Steuern und Abgaben einnimmt. 2035 liegt das Defizit bei 4,2 Milliarden Franken.

Diese Finanzierungslücke ist längst adressiert: Das Parlament sucht nach einem Weg, um die 13. AHV-Rente zu finanzieren. Sollte das Parlament eine Lösung finden, sind gemäss neuen Finanzperspektiven die AHV-Renten mittelfristig gesichert.

Das lässt sich anhand der Finanzierungslösung des Bundesrats aufzeigen. Wird die Mehrwertsteuer ab 2027 um 0,7 Prozent erhöht, spült das 2030 rund drei Milliarden in den AHV-Fonds. Gemäss den aktualisierten Finanzperspektiven schreibt die AHV dank dieser Einnahme eine schwarze Null.

Und durch die zusätzlichen Einnahmen der höher angesetzten Anlagerenditen fällt das Betriebsergebnis bis 2040 nie ins Minus. Das wirkt sich positiv auf den AHV-Fonds aus. Dieser wächst bis 2040 auf 66 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Gemäss alter Rechnung ist unter den gleichen Voraussetzung das Betriebsergebnis ab 2033 negativ. Und der AHV-Fonds schrumpft auf 43 Milliarden Franken.

Zahlen sind mit grossen Unsicherheiten behaftet

Die Gewerkschaften jubilieren ob der neuen Zahlen, sie sprechen von «historischen AHV-Szenarien». Auf die Frage, ob es nun überhaupt noch eine grosse Rentenreform braucht, antwortet Innenministerin Baume-Schneider ausweichend. Der Bundesrat habe die AHV-Zahlen nicht besprochen. Sicher brauche es aber eine Finanzierung der 13. AHV-Rente.

Bundesraetin Elisabeth Baume-Schneider, rechts, spricht neben Stephane Rossini, Direktor des Bundesamtes fuer Sozialversicherungen, links, an einer Medienkonferenz zur Stossrichtung fuer die naechste  ...
Prophezeite noch vor kurzem grosse Defizite: Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.Bild: keystone

Und da ist das letzte Wort nicht gesprochen. Die Gewerkschaften wollen die Zusatzrente über Lohnprozente finanzieren. Der Bundesrat schlägt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte vor. Der Ständerat favorisiert eine Mischrechnung, die gleich auch noch die Ehepaarrenten besserstellt – sofern es für diese Änderung auch eine Mehrheit gibt. Und der Nationalrat hat sich noch nicht entschieden.

Klar ist aber auch, dass die neuen Finanzperspektiven mit Unsicherheiten behaftet sind. Das steht wie als Warnung auf jeder Berechnung. Zur Absicherung hat das Amt auch mehrere Projektionen abgebildet. Die Bandbreite der AHV-Ergebnisse variiert von Überschüssen und Defiziten von mehreren Milliarden Franken. In diesem Text wurden die Zahlen des «Referenzszenarios» verwendet, das den Trend der vergangenen Jahre fortschreibt. (aargauerzeitung.ch)

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213 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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hgehjvkoohgfdthj
21.08.2025 06:04registriert März 2020
Überrascht das jemanden? Die Panikmache der Konservativen und Rechtspopulisten kann man einfach nicht ernst nehmen. Seit Jahrzehnten werden Defizite prognostiziert und in der Realität macht die AHV Gewinn.
Muss für all die Politiker frustrierend sein, die uns eine Erhöhung des Rentenalters, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine "Anpassung" der Rentenleistungen schmackhaft machen wollen.
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Fuchs76
21.08.2025 06:28registriert September 2021
Es ist eigentlich ganz simpel. Mit den diversen massiven Berrechnungsfehlern in der Vergangenheit, aktuellen Fehlern wie beim Fixpreis der US-Flieger und der generellen Angstmacherei vor Abstimmungen, was die Finanzen betrifft, gehe ich einfach aktuell und mittelfristig davon aus, das uns der Bund regelmässig mit seinem Pessimismus verarscht. Und hierbei insbesondere die Bürgerlichen. Die jüngsten Erfahrungswerte werden von mir dementsprechend bei Abstimmungen berücksichtigt. Zumindest so lange, bis präsentierte Zahlen präziser, solider und somit belastbarer werden.
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ingmarbergman
21.08.2025 06:15registriert August 2017
Wo sind die Rohdaten, damit unabhängige Statistiker an Universitäten die Berechnungen gegenchecken können?
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