Es ist ein Grund zum Feiern: Der Bund hat am Mittwoch neue Szenarien für die Finanzierung der AHV vorgelegt. Und sie zeigen ein komplett neues Bild: Die Finanzen der AHV sind langfristig stabil, sofern das Parlament die Finanzierung der 13. AHV-Rente hinkriegt.
Trotz guter Nachricht reibt man sich erstaunt die Augen. Seit Jahren wird der AHV eine grosse Finanzierungslücke prophezeit. Noch im Mai erklärte die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, sie rechne mit Milliardendefiziten jedes Jahr. Denn die Menschen werden älter, die Babyboomer gehen in Pension, die Zahl der Rentenbezüger steigt von 2,5 Millionen Personen auf 3 Millionen 2035. Baume-Schneider präsentierte darum bereits die Eckwerte der nächsten grossen AHV-Reform für 2030.
Ob es diese überhaupt noch braucht, ist aufgrund der aktualisierten AHV-Prognosen aber fraglich. Was ist passiert?
Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat die Finanzperspektiven der AHV bis 2040 aktualisiert. Als Grundlage dienten dafür die neuen Demografieszenarien und Konjunkturprognosen des Bundes. Die Statistiker rechnen mit einer höheren Zahl an Erwerbstätigen und weniger Rentnerinnen und Rentnern als noch 2020 angenommen. Das hat gleich zwei positive Effekte auf die AHV-Kasse: mehr Einnahmen und weniger Ausgaben.
Allerdings kühlt sich die Konjunktur gemäss Prognosen ab, das kurzfristige Wachstum der Wirtschaft wurde nach unten korrigiert. Das bedeutet zwar weniger Lohneinnahmen, aber auch weniger Ausgaben für die AHV, weil die Renten aufgrund des Mischindexes (Lohn und Inflation) nicht so stark steigen. Weiter budgetiert das Amt auch die Anlagerenditen des AHV-Ausgleichsfonds neu, also höher.
Das Resultat ist frappant, die Milliardendefizite halbieren sich. Es bleibt nur ein grosses Hindernis: die Finanzierung der 13. AHV-Rente.
Die Rentenerhöhung wird ab 2026 erstmals ausbezahlt. Ab diesem Zeitpunkt schreibt die AHV wieder rote Zahlen, ein Minus von 1,1 Milliarden. Ohne zusätzliche Finanzierung wächst das Defizit der AHV weiter an. So zahlt das Sozialwerk 2030 rund 1,9 Milliarden Franken mehr an Renten aus, als es über Steuern und Abgaben einnimmt. 2035 liegt das Defizit bei 4,2 Milliarden Franken.
Diese Finanzierungslücke ist längst adressiert: Das Parlament sucht nach einem Weg, um die 13. AHV-Rente zu finanzieren. Sollte das Parlament eine Lösung finden, sind gemäss neuen Finanzperspektiven die AHV-Renten mittelfristig gesichert.
Das lässt sich anhand der Finanzierungslösung des Bundesrats aufzeigen. Wird die Mehrwertsteuer ab 2027 um 0,7 Prozent erhöht, spült das 2030 rund drei Milliarden in den AHV-Fonds. Gemäss den aktualisierten Finanzperspektiven schreibt die AHV dank dieser Einnahme eine schwarze Null.
Und durch die zusätzlichen Einnahmen der höher angesetzten Anlagerenditen fällt das Betriebsergebnis bis 2040 nie ins Minus. Das wirkt sich positiv auf den AHV-Fonds aus. Dieser wächst bis 2040 auf 66 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Gemäss alter Rechnung ist unter den gleichen Voraussetzung das Betriebsergebnis ab 2033 negativ. Und der AHV-Fonds schrumpft auf 43 Milliarden Franken.
Die Gewerkschaften jubilieren ob der neuen Zahlen, sie sprechen von «historischen AHV-Szenarien». Auf die Frage, ob es nun überhaupt noch eine grosse Rentenreform braucht, antwortet Innenministerin Baume-Schneider ausweichend. Der Bundesrat habe die AHV-Zahlen nicht besprochen. Sicher brauche es aber eine Finanzierung der 13. AHV-Rente.
Und da ist das letzte Wort nicht gesprochen. Die Gewerkschaften wollen die Zusatzrente über Lohnprozente finanzieren. Der Bundesrat schlägt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte vor. Der Ständerat favorisiert eine Mischrechnung, die gleich auch noch die Ehepaarrenten besserstellt – sofern es für diese Änderung auch eine Mehrheit gibt. Und der Nationalrat hat sich noch nicht entschieden.
Klar ist aber auch, dass die neuen Finanzperspektiven mit Unsicherheiten behaftet sind. Das steht wie als Warnung auf jeder Berechnung. Zur Absicherung hat das Amt auch mehrere Projektionen abgebildet. Die Bandbreite der AHV-Ergebnisse variiert von Überschüssen und Defiziten von mehreren Milliarden Franken. In diesem Text wurden die Zahlen des «Referenzszenarios» verwendet, das den Trend der vergangenen Jahre fortschreibt. (aargauerzeitung.ch)
Muss für all die Politiker frustrierend sein, die uns eine Erhöhung des Rentenalters, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine "Anpassung" der Rentenleistungen schmackhaft machen wollen.