Warum Donald Trump diese Fragen nicht beantworten will
In den aktuellen Umfragen zu den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner hat Donald Trump derzeit einen Vorsprung von rund 40 Prozentpunkten. Einzig Ron DeSantis konnte sich Anfang Jahr noch Hoffnungen machen, ein ernsthafter Herausforderer zu werden. Doch mittlerweile ist der «Trump mit Hirn», wie der Gouverneur aus Florida auch genannt wird, klinisch tot, oder wie der Amerikaner sagt: Er ist «toast».
Die übrigen Kandidaten müssen sich alle mit einstelligen Prozentwerten in den Umfragen begnügen und schaffen es nur mit Müh und Not, überhaupt zur Debatte zugelassen zu werden. Warum also, so Trump, soll ich mich mit diesen Clowns abmühen? Folgerichtig wird er auch zur zweiten Vorwahl-Debatte nicht antreten. Sie findet am kommenden Mittwoch auf Fox News statt. Als Bonus-Punkt kommt dazu, dass Trump einmal mehr die Murdochs ärgern kann.
Nicht eingelöste Versprechen
Trumps Blasiertheit soll allerdings auch davon ablenken, dass er gute Gründe hat, sich möglichst von der Debatte fernzuhalten. So hat Chris Christie, einer seiner Herausforderer, am Sonntag in der Polit-Sendung «Meet the Press» auf die wunden Punkte des Ex-Präsidenten hingewiesen: Er habe sein Versprechen, Obama-Care rückgängig zu machen, nicht eingelöst, so Christie. Die Länge der von ihm neu erbauten Grenzmauer betrage gerade mal rund 80 Kilometer, und Mexiko habe übrigens keinen Cent daran bezahlt. Und er habe das Budget-Defizit um rund acht Billionen Dollar erhöht – mehr als jeder andere US-Präsident der Nachkriegszeit.
Das «Wall Street Journal» hat kürzlich ebenfalls die Schwächen des Ex-Präsidenten aufgelistet. Es sind dies:
- Covid-19: Trump und DeSantis beschimpfen sich in dieser Frage gegenseitig. Doch der Gouverneur aus Florida hat die besseren Karten, zumindest was die republikanische Basis betrifft. Er kann darauf hinweisen, dass in seinem Bundesstaat der Lockdown früher aufgehoben wurde als anderswo, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem Trump noch im Weissen Haus sass.
- Schutzzölle: Trump hat die Importzölle für alle um zehn Prozent erhöht und damit den amerikanischen Konsumenten zusätzliche Kosten in der Höhe von rund 300 Milliarden Dollar beschert. Zudem hat er damit nicht nur China verärgert, sondern auch seine Alliierten im Westen.
- Aussenpolitik: Trump prahlt zwar immer wieder, dass nur er fähig sei, Deals abzuschliessen. Er will bekanntlich den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden beenden. Wie er das bewerkstelligen will, bleibt jedoch sein Geheimnis.
- Der 6. Januar 2021: Trump müsste in einer Debatte unangenehme Fragen beantworten wie: Hat Mike Pence zu Recht die Wahlen zertifiziert? Und wenn nicht: Wie will er verhindern, dass – sollte er gewinnen – Kamala Harris dasselbe tut?
- Alter und Kompetenz: Ja, Joe Biden ist alt, aber Trump ist nicht sehr viel jünger. Und seine Aussetzer mehren sich ebenfalls. So hat er sich kürzlich in einem Duell mit Barack Obama gewähnt und behauptet, Biden würde die USA in den Zweiten Weltkrieg führen.
Der wundeste aller wunden Punkte bei Trump ist jedoch die Abtreibungsfrage. Seit der Oberste Gerichtshof das Urteil «Roe v. Wade», das die Abtreibung mehr als 50 Jahre lang auf nationaler Ebene geschützt hatte, aufgehoben hat, ist diese Frage zu einem entscheidenden Faktor in der US-Politik geworden. Weil die Republikaner die Abtreibung massiv einschränken, ja teilweise gar gänzlich verbieten wollen, sind letztes Jahr die Zwischenwahlen für sie sehr enttäuschend ausgefallen.
Mehr noch: Die Umfragewerte für Biden mögen im Keller sein. Sie sind jedoch zu diesem Zeitpunkt wenig aussagekräftig. Weit entscheidender sind die Ersatzwahlen, die in den einzelnen Bundesstaaten stattfinden. Dort schneiden die Demokraten derzeit weit überdurchschnittlich gut ab, wahrscheinlich vor allem wegen der Abtreibungsfrage.
Trump spielt in der Abtreibungsfrage den Hamlet. Einerseits weist er darauf hin, dass «Roe v. Wade» nur deswegen ausser Kraft gesetzt werden konnte, weil er zwei konservative Richter und eine konservative Richterin in den Supreme Court gehievt habe. Vor ihm sei dies keinem republikanischen Präsidenten gelungen. «Sie konnten den Job nicht erledigen. Ich habe es geschafft», prahlt Trump.
Doch gleichzeitig weiss der Ex-Präsident auch, wie verwundbar die Republikaner in dieser Frage sind, schliesslich will die überwiegende Mehrheit der Amerikaner und vor allem der Amerikanerinnen ein Recht auf Abtreibung. Deshalb kritisiert Trump DeSantis, der in Florida eine harte Haltung eingenommen und ein Gesetz verabschiedet hat, das eine Abtreibung schon nach sechs Wochen verbietet. «Das ist eine schreckliche Sache und ein schrecklicher Fehler», sagte er vor Wochenfrist in einem Interview mit «Meet the Press».
Gleichzeitig weigert sich Trump jedoch, seinerseits eine Frist für eine legale Abtreibung bekannt zu geben. «Wir werden etwas aushecken, das alle zufriedenstellt», erklärte er im erwähnten Interview.
Diese Wischi-Waschi-Position kommt bei der Grand Old Party nicht überall gut an. So erklärte etwa Brian Kemp, Gouverneur aus Georgia und heimlicher Präsidentschaftskandidat: «Es ist überhaupt nicht schrecklich, für das Leben einzutreten.» Verschiedene Vertreter der Evangelikalen – immer noch eine wichtige Wählergruppe für die Republikaner – haben sich ebenfalls enttäuscht über Trumps Äusserung gezeigt.
Die Abtreibungsfrage wird auch in den kommenden Präsidentschaftswahlen ein zentraler, ja möglicherweise entscheidender Faktor sein. Die Demokraten werden diese Karte bis zur Verblödung spielen. Trump wird sich immer und immer wieder dazu äussern müssen. Vage Versprechen werden nicht reichen.