Steuern, Jobs, Staatsschulden, Inflation: Das sind die Themen, über die im Vorfeld von Wahlen normalerweise gestritten wird. Nicht so derzeit in den USA. Die Nation diskutiert über das Alter ihrer Politiker, allen voran über das Alter ihres Präsidenten. Joe Biden wird im nächsten Jahr 82 Jahre alt. Sollte er die Wahl gewinnen, dann wäre er am Ende seiner Amtszeit 86 Jahre alt.
Das Alter ist zum grössten Handicap für Bidens Wiederwahl geworden. Eine Umfrage der Associated Press/NORC im vergangenen August hat ergeben, dass 77 Prozent aller Amerikanerinnen, inklusive 69 Prozent der Demokraten, der Meinung sind, dass Biden zu alt für eine zweite Amtszeit sei. Dabei ist sein wahrscheinlicher Gegner Donald Trump bloss drei Jahre jünger.
Generell leidet die amerikanische Politik an Vergreisung. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein – sie ist über 90 Jahre alt – scheint an Altersdemenz zu leiden. Mitch McConnell, der Anführer der Republikaner im Senat, hatte schon zweimal minutenlange Aussetzer während einer Pressekonferenz. Generell sitzen im Senat und im Abgeordnetenhaus viele Frauen und Männer, die eigentlich längst in ein Seniorenheim gehörten. Oder wie es Nikki Haley, eine Präsidentschaftskandidatin der Grand Old Party (GOP), schnippisch formulierte: «Der Kongress ist zum am meisten privilegierten Pflegeheim der Nation geworden.»
So wie Präsidentschaftskandidaten ihre Steuererklärung offenlegen müssen, sollten sie künftig auch einen Intelligenztest bestehen, fordert Haley denn auch. Einer, der diese Idee toll findet, ist Donald Trump. Er, der sich einst als «sehr stabiles Genie» bezeichnet hat, verweist gerne auf den Test, den er noch während seiner Amtszeit absolviert hatte, auf den legendären «Person, Woman, Man, Camera, TV»-Test. Weil er so banal war, hat dieser Test wochenlang für Witze bei den Late-Night-Comedians gesorgt.
Heute ist unsicher, ob Trump selbst diese simple Herausforderung meistern würde. In einer Rede hat er kürzlich erklärt, er würde sich im Wahlkampf gegen Barack Obama befinden, und Joe Biden sei im Begriff, die USA in den Zweiten Weltkrieg zu führen. Und: Trumps Vater starb an Alzheimer.
All dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Biden alt geworden ist. Er trippelt gelegentlich greisenhaft, stolpert immer mal wieder und verhaspelt sich in seinen Reden. (Das hat er allerdings schon als junger Politiker getan.)
Als der Präsident kürzlich bei einer Pressekonferenz in Vietnam nach ein paar Fragen erklärte, er gehe nun zu Bett, wurde dieser Vorfall in den konservativen Medien zum Polit-Ereignis des Tages erhoben und zum Beweis, dass Biden ausserstande sei, sein Amt auszuführen. Senator John Fetterman (der Riese mit dem Hoodie) hatte allerdings umgehend die richtige Antwort darauf: «Mir ist es lieber, wenn mein Präsident sagt, ich gehe zu Bett, als wenn er sagt, ich gehe ins Gefängnis.»
Tatsache ist trotzdem, dass sich auch bei den Demokraten eine gewisse Nervosität ausbreitet. Die erwähnte Umfrage war keine Ausnahme. Das Alter Bidens ist der wesentliche Grund, weshalb der Präsident trotz eines beeindruckenden Leistungsausweises auch in anderen Umfragen schlecht abschneidet. In einigen liegt er gar gleichauf mit Trump.
Deshalb erklärt etwa Sharon Sweda, Anführerin der Demokratischen Partei in Lorain County (Ohio): «Biden befindet sich in einem Alter, in dem er jederzeit sterben könnte. Die Uhr tickt.» Hinzu kommt, dass kürzlich gleich mehrere prominente amerikanische Polit-Kommentatoren das Alter des Präsidenten zum Thema gemacht und ihn aufgefordert haben, auf eine Wiederwahl zu verzichten. Dazu gehören David Ignatius in der «Washington Post», Mark Leibovich im «Atlantic» und Peggy Noonan im «Wall Street Journal».
Die Mehrheit der Demokraten steht jedoch nach wie vor hinter Biden. Eine ernsthafte Konkurrentin oder ein ernsthafter Konkurrent ist nicht in Sicht, auch nicht Gavin Newsom. Der Gouverneur aus Kalifornien wird zwar immer wieder als Biden-Ersatz ins Spiel gebracht. Er hat sich jedoch deutlich hinter den Präsidenten gestellt.
Kevin Munoz, der Sprecher der Biden-Kampagne, erklärt denn auch: «Die nächsten Wahlen werden einen klaren Gegensatz zwischen der Agenda von Biden und einer unpopulären, extremen MAGA-Agenda aufzeigen. Wir werden gewinnen, wenn wir uns um unsere Arbeit kümmern und uns nicht von Umfragen verrückt machen lassen.»
Verrückt machen lassen sich derweil die Republikaner im Abgeordnetenhaus. Dort bekämpfen sie sich gegenseitig und liefern ein Spektakel ab, ob dem selbst die ihnen freundlich gesinnten Kommentatoren den Kopf schütteln. Gemeint ist der unsinnige Versuch einer Handvoll Hardliner, einen Shutdown (Schliessung) der Regierung zu erzwingen. Den Wirrköpfen um Matt Gaetz, einen extrem unpopulären Abgeordneten aus Florida, ist es dabei egal, dass sie nicht nur ihren eigenen Anführer Kevin McCarthy verheizen, sondern dass sie auch die Sympathien der unabhängigen Wählerinnen und Wähler aufs Spiel setzen.
Selbst innerhalb der GOP stösst das Vorgehen dieser «Crazies» auf Unverständnis. Es sei schwierig, zu regieren, «wenn man Heckenschützen in den eigenen Reihen habe», klagt etwa Ryan Zinke, ein Abgeordneter aus Montana.
Das vermag die «Verrückten» nicht zu beeindrucken. Weil die Staatsschulden mittlerweile mehr als 33 Billionen Dollar betragen, fordern sie ultimativ eine Kürzung des Budgets. Dass jedoch Trump in vier Jahren mit seinem Steuergeschenk an die Superreichen etwa gleich viele Schulden angehäuft hat wie Obama in acht Jahren – wir sprechen von rund acht Billionen Dollar –, verschweigen sie tunlichst.
Ein Shutdown ist nicht nur eine völlig überflüssige Behinderung der amerikanischen Verwaltung und ein Stolperstein für die Wirtschaft. Er wird auch zu einem Bumerang für diejenigen, die ihn bewirkt haben. Mit anderen Worten: Die Republikaner sind einmal mehr dabei, sich selbst in den Fuss zu schiessen. Die Demokraten können sich deshalb auf eine altbewährte politische Weisheit verlassen. Sie lautet: Wenn der Gegner im Begriff ist, sich selbst ins Elend zu reiten, dann sollte man ihn dabei nicht stören.
Die Tatsache, dass Trump das Haushaltsdefizit von 3,1% auf 15,2% ins Negative gerissen hat, interessiert den Leuten nicht.
Wie erschreckend es ist, kann man daran feststellen, dass Obama ein Haushaltsdefizit von 9,8% geerbt hat und diese auf 3,1% drücken konnte. Obama hat in 8 Jahren viel Geld eingespart. Das Doppelte hat Trump in 4 Jahren ausgegeben.