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Trumps Richter – oder der mächtigste Club der USA

Donald Trump und «seine» Richterin Aileen Cannon.
Donald Trump und «seine» Richterin Aileen Cannon. bild: montage watson.
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Trumps Richter – oder der mächtigste Club der USA

Das Skandal-Urteil einer Richterin in Florida ist kein Zufall. Dahinter steckt die Federalist Society, ein einflussreicher Verein konservativer Juristen.
07.09.2022, 16:1609.09.2022, 06:58
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Sorry, Leute, aber heute müssen wir über die Federalist Society sprechen. Wahrscheinlich kennen die wenigsten von euch diesen Verein. Das muss sich ändern. Und zudem gibt es einen aktuellen Anlass: ein skandalöses Urteil, das eine Richterin in Florida gefällt hat. Doch wie immer der Reihe nach.

Richterin Aileen Cannon, eine nationale Richterin, hat entschieden, dass ein Special Master – eine eigens ernannte Person – überprüfen muss, ob sich unter den vom FBI in Trumps Golfresidenz Mar-a-Lago beschlagnahmten Dokumenten auch solche befinden, die entweder durch das Anwaltsgeheimnis oder durch das präsidiale Executive Privilege geschützt sind.

Von Donald Trump ernannt: Richterin Aileen Cannon.
Von Donald Trump ernannt: Richterin Aileen Cannon.bild screenshot yuotube.

Nach Meinung der Mehrheit der Juristen ist dieses Urteil ein Skandal. «Es ist so fehlerhaft, dass es schwerfällt, mit der Kritik überhaupt zu beginnen», stellt Andrew Weissmann in der Zeitschrift «The Atlantic» fest. Weissmann war ein führender Ankläger im Enron-Prozess und Mitglied im Team des Sonderermittlers Robert Mueller. Heute ist er Professor an der New York University.

Selbst William Barr, der ehemalige Justizminister, verurteilt Cannons Urteil. Dabei hat Barr in seiner Amtszeit das Gesetz zugunsten von Präsident Trump zumindest geritzt.

Ohne in die grusligen juristischen Details zu gehen, kann man das Urteil mit einem Vergleich wie folgt verstehen: Stellt euch vor, jemand raubt eine Bank aus und versteckt eine Tasche mit einer Million Dollar in einem Hotelzimmer. In der Tasche befinden sich auch Handschuhe und ein paar persönliche Dokumente des Räubers. Die Polizei durchsucht das Hotelzimmer und findet die Tasche. Der Räuber verlangt nun einen Special Master. Die Richterin gibt ihm recht. Jetzt muss jeder einzelne beschlagnahmte Dollarschein überprüft werden, und darüber hinaus muss abgeklärt werden, ob er in einem allfälligen Strafverfahren auch verwendet werden darf.

Wie aber ist es möglich, dass ein solch absurdes Urteil überhaupt gefällt wird? Da kommt die Federalist Society ins Spiel. Richterin Cannon gehört diesem Verein an, einem Club, der mit Fug und Recht als mächtigste Lobby-Gruppe der USA bezeichnet werden kann.

Gegründet wurde die Federalist Society in den Achtzigerjahren von einem gewissen Michael Horowitz, einem Juristen, der von der erzkonservativen Richard-Mellon-Scaife-Stiftung unterstützt wurde. Scaife war ein Milliardär, der auch enge Bindungen zu den Koch-Brüdern hatte.

Den Zweck der Federal Society umschreibt Kurt Andersen in seinem Buch «Evil Genius» wie folgt: «Nebst dem Organisieren von Camps und anderen sozialen Anlässen bestand die Idee des Vereins darin, unter Jus-Studenten ein Netzwerk von gleich gesinnten künftigen Anwälten und Richtern zu schaffen, eine hochkarätige Juristen-Mafia gewissermassen.»

Sehr konservativ und sehr einflussreich: Robert Bork.
Sehr konservativ und sehr einflussreich: Robert Bork.

Eine zentrale Figur der Federalist Society wurde später Robert Bork, ein konservativer Jurist, dessen Einfluss bis heute nicht überschätzt werden kann. Ronald Reagan wollte Bork einst in den Supreme Court hieven, scheiterte jedoch am Widerstand der Demokraten im Senat. Bork rächte sich, indem er zum wichtigsten juristischen Vordenker der Neoliberalen wurde, zu einem Milton Friedman der Juristerei gewissermassen.

Bork war ein libertärer Konservativer, der den Einfluss des Staates auf ein Minimum beschränken wollte – ausser bei der Pornografie, die er sein Leben lang mit überschaubarem Erfolg bekämpfte. Bork war auch ein Vertreter der Originalisten, jener Juristen, welche auf eine wortgetreue Auslegung der amerikanischen Verfassung pochen und keine Änderung dieser bald 250-jährigen Schrift zulassen.

Die Saat der Federalist Society ist aufgegangen, die konservative Juristen-Mafia ist heute eine Tatsache geworden. Zu Beginn seiner Amtszeit hat Donald Trump sich von diesem Verein eine Liste mit Namen von möglichen Kandidaten für den Supreme Court geben lassen. Er hat sich strikte an diese Liste gehalten. Alle von ihm ernannten obersten Richter – Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett – gehören der Federalist Society an, wie auch die anderen konservativen Vertreter des Obersten Gerichtshofs.

Nicht nur der Supreme Court wird von der Federalist Society dominiert. «Von den 179 Richtern an nationalen Berufungsgerichten sind 30 Prozent seit 2017 ernannt worden und 80 Prozent dieser Trump-Richter sind entweder Mitglieder oder Sympathisanten der Federalist Society», stellt Andersen fest.

epa09155626 Members of the Supreme Court pose for a group photo at the Supreme Court in Washington, DC, USA, 23 April 2021. Seated from left: Associate Justice Samuel Alito, Associate Justice Clarence ...
Von der Federalist Society dominiert: der US Supreme Court.Bild: keystone

Die Folgen sind verheerend, wie dies der Fall in Florida zeigt: Eine konservative, von Trump ernannte Richterin fällt ein skandalöses Urteil. Legt das Justizministerium dagegen Einspruch ein, dann gelangt der Fall vor das 11. Berufungsgericht, das auch mehrheitlich von Richtern beherrscht wird, die der Federalist Society angehören. Schmettern diese den Einspruch ab, dann muss der Supreme Court entscheiden, wo ebenfalls die Konservativen das Sagen haben. Das FBI könnte somit theoretisch bis zum Sankt Nimmerleinstag auf Eis gelegt werden.

Gibt es kein Entrinnen aus diesem Teufelskreis? Doch, es besteht Hoffnung. Selbst Richterin Cannon musste nämlich in ihrem Urteil zugestehen, dass die Abklärungen der Geheimdienste über einen allfälligen Schaden, den Trump mit seinem sorglosen Umgang mit hochgeheimen Dokumenten verursacht hatte, weitergehen dürfen. Diese Abklärungen lassen sich jedoch unmöglich von den Untersuchungen des FBI und des Justizdepartements trennen. Und seit die «Washington Post» enthüllt hat, dass sich bei den beschlagnahmten Dokumenten auch sensible Atomwaffen-Informationen befinden, haben diese Untersuchungen höchste Priorität.

Wie immer auch das Seilziehen um die beschlagnahmten Dokumente auch ausgehen mag, eines ist klar: Nicht nur das politische System der USA ist mit Gerrymandering und einer absurden Benachteiligung der bevölkerungsreichen Bundesstaaten demokratisch fragwürdig geworden. Spätestens seit der Amtszeit von Trump ist offensichtlich, dass auch das in den USA so wichtige Justizsystem korrupt ist – und die Richter ihre Unabhängigkeit verloren haben.

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103 Kommentare
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Urs Kipfert
07.09.2022 16:33registriert Februar 2019
Verstehe ich diesen Artikel zwischen den Zeilen richtig: Herr Löpfe sieht neu durchaus die Möglichkeit, das DT auch dieses Mal ungeschoren davon kommt? (Was mich aufgrund des aufschlussreichen Artikels nicht mehr wirklich überraschen aber nicht weniger ärgern würde).
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Henri Lapin
07.09.2022 16:52registriert November 2017
Die Federalist Society ist der Deep State
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Hösch
07.09.2022 16:47registriert März 2022
Der schlimmste Feind von Amerika ist Amerika.
Ein narzistischer Egomane reicht um es aufzuzeigen.
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