Wenn die Meinungsforscher Recht behalten, steht Polen vor einem Regierungswechsel. Die liberal-konservative Regierungschefin Ewa Kopacz hofft dennoch auf eine dritte Legislaturperiode für die Bürgerplattform. Werden in Polen die Weichen neu gestellt?
Für den polnischen Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak ist es eine Schicksalswahl. «Das sind die wichtigsten Wahlen seit 1989, es geht um den Weg, den Polen einschlägt», sagte er über die Parlamentswahl am 25. Oktober. Je näher der Termin rückt, desto widersprüchlicher werden die Umfragen.
Mal heisst es, nur drei Parteien würden den Einzug ins Parlament, den Sejm, schaffen. Mal sehen die Meinungsforscher ein halbes Dutzend Parteien über der fünf Prozent-Hürde. Nur eines scheint nahezu gewiss: Allen Umfragen zufolge wird die nationalkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die meisten Stimmen erhalten. Polen dürfte vor einem Rechtsruck stehen.
Die liberal-konservative Regierungschefin Ewa Kopacz und ihre Bürgerplattform (PO) verweisen im Wahlkampf dennoch tapfer auf Erfolge der vergangenen acht Jahre: die guten Beziehungen zu den europäischen Nachbarn, Stabilität, Wirtschaftswachstum auch in den Jahren der europäischen Krise.
PiS-Spitzenkandidatin Beata Szydlo hingegen zeichnete im Wahlkampf das Bild eines ruinierten Landes: Eine ganze Generation drohe durch Emigration verloren zu gehen oder sei mit schlecht dotierten Zeitverträgen von Existenznöten bedroht.
Umgekehrt warnt Kopacz vor der PiS. Die Polen hätten die Wahl zwischen einem offenen und toleranten Polen oder einem Land, in dem Werte zur Ideologie werden. Der nationalkonservative Präsident Andrzej Duda lieferte dazu ein Argument, als er mit seinem Veto ein Gesetz kippte, das Transsexuellen eine leichtere Änderung der Geschlechtsangaben in Ausweisen und Dokumenten ermöglichen sollte.
Als nächstes könnten ein totales Abtreibungsverbot und die Streichung des Gesetzes über in-vitro-Befruchtung kommen, warnte Kopacz.
In einer Zeit, in dem im Nachbarland Ukraine ein bewaffneter Konflikt andauert, müsse Polen stabil und berechenbar bleiben, argumentiert ihr Regierungslager. Im Bereich der Sicherheitspolitik ist der Gegensatz zwischen PO und PiS allerdings am geringsten: Sie sind beunruhigt über das russische Engagement in der Ukraine und setzen auf eine möglichst starke NATO-Präsenz in Polen und den anderen Staaten im Osten der EU.
Kopaczs Amtsvorgänger, EU-Ratspräsident Donald Tusk, hatte als erster Regierungschef seit dem Ende des Kommunismus vor 26 Jahren seiner Partei eine zweite Legislaturperiode gesichert. Aus dem Wahlkampf hält er sich raus - auch wenn er versichert, Kopacz die Daumen zu drücken.
«Sie ist eine starke Politikerin, sie braucht meinen Rat nicht», sagte er Journalisten am Rande des Brüsseler EU-Gipfels. Doch auch das ist irgendwie Teil der Kampagne: Es soll klar werden, dass Kopacz in keiner Weise «vom Rücksitz gesteuert» wird. Eben dies hatten die Nationalkonservativen nämlich bei Kopaczs Amtsantritt vor mehr als einem Jahr gemutmasst.
Umgekehrt werden die Liberalkonservativen nicht müde, im Wahlkampf zu spekulieren, wie lange eigentlich Szydlo im Falle eines Wahlsiegs das Sagen haben werde. Genauer gesagt: Wann Parteichef Jaroslaw Kaczynski selbst das Steuer wieder in die Hand nehmen würde.
Kaczynski selbst hatte Spekulationen angeheizt mit der Bemerkung, Szydlo werde so lange Regierungschefin sein, wie sie ihren Job «gut erledigt».
Die Liberalkonservativen werden nicht müde, daran zu erinnern, dass Kaczynski 2005 schon einmal einen PiS-Regierungschef zum Rücktritt drängte und das Amt selbst übernahm. Damals kühlten die deutsch-polnischen Beziehungen deutlich ab. In der EU gab sich die nationalkonservative Regierung kompromissfeindlich und setzte auf einen Sonderkurs Polens.
Doch vielleicht ist es gerade das, was sich viele Wähler wünschen? Je näher der Wahltag rückt, desto stärker mischt Kaczynski im Wahlkampf mit und spart dabei nicht mit markigen Worten, etwa über Flüchtlinge, die «Krankheiten einschleppen».
Versöhnlicher gibt er sich, was den künftigen Umgang mit den politischen Gegnern angeht. «Es wird keinen Krieg geben», versicherte er. «Wir sind bereit, zu vergeben und zu vergessen.» (sda/dpa)