Rund 14 Stunden nach dem Beginn der blutigen Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern verfeindeter Banden stürmten Spezialeinheiten der Militärpolizei am Sonntagmorgen (Ortszeit) die Haftanstalt Alcaçuz, wie örtliche Medien berichteten. Ein Helikopter kreiste über dem Gelände im Bundesstaat Rio Grande do Norte im Nordosten des Landes. Blendgranaten wurden gezündet und schwer bewaffnete Beamte rückten in das Gefängnis ein.
Nach Medienberichten wurden bei den Kämpfen zwischen der Gang Primeiro Comando da Capital und dem Sindicato do Norte mindestens drei Menschen enthauptet. «Wir konnten ihre Köpfe sehen», sagte Zemilton Silva von der Gefängnisverwaltung des Bundesstaats. Die Haftanstalt Alcaçuz mit 620 Plätzen beherbergt derzeit 1083 Gefangene.
Die Kämpfe brachen aus, als Mitglieder einer Bande in den Bereich einer anderen eindrangen. Die Militärpolizei sicherte am Samstag zunächst das Aussengelände des Gefängnisses. «Im Moment ist es unmöglich, einzuschreiten. Alle sind drinnen, bewegen sich frei und sind bewaffnet. Unsere Aufgabe ist es jetzt, zu verhindern, dass sie fliehen», sagte ein Polizeioffizier der Zeitung «O Globo».
Die Kämpfe zwischen den Gefangenen wurden offenbar von Gangmitgliedern ausserhalb der Haftanstalt unterstützt. Kurz zuvor hätten sich Männer in einem Auto dem Gefängnis genähert und Waffen über die Mauer geworfen, sagte die Präsidentin der Gewerkschaft der Justizvollzugsbeamten, Vilma Batista, der Zeitung «O Globo».
In den zwei Wochen seit Anfang dieses Jahres kamen bei Kämpfen in brasilianischen Gefängnissen schon mehr als 100 Menschen ums Leben. Kriminelle Banden ringen um die Kontrolle des Drogenhandels.
Zudem sind die Haftanstalten extrem überfüllt. Nach Angaben des Justizministeriums sitzen 622'000 Häftlinge in Gefängnissen mit einer Gesamtkapazität von nur 372'000 Plätzen ein.
«Das System ist schon lange überlastet. Das Problem hat sich mit jeder Regierung verschärft», sagte Justizminister Alexandre de Moraes im Fernsehen. «Uns fehlen fast 300'000 Haftplätze. Das hat das System in ein Pulverfass verwandelt.»
Im den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Häftlinge in Brasilien nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) um 85 Prozent. Vor allem die restriktive Drogenpolitik mit Freiheitsstrafen selbst für Konsumenten hat demnach die Zahl der Gefangenen in die Höhe schnellen lassen.
«Das Problem der Überbelegung ist sehr schwerwiegend», sagte die HRW-Chefin in Brasilien, Maria Laura Canineu. Nach den USA, China und Russland ist Brasilien das Land mit der höchsten Zahl an Gefangenen weltweit. Die Haftbedingungen beschreibt HRW als «mittelalterlich».
Zahlreiche Gefängnisse werden de facto von kriminellen Organisationen verwaltet. «In den Einrichtungen gibt es keine Kontrolle», sagte der HRW-Regionaldirektor Daniel Wilkinson. «Das hat in der Vergangenheit zu Gewalt geführt und wird weiter zu Gewalt führen.» (wst/sda/dpa)