Indigene Aktivisten stürmen Klimakonferenz in Brasilien
Videos südamerikanischer Medien zeigten, wie sie am Dienstagabend (Ortszeit) gewaltsam eine Tür aufbrachen und sich ein Gerangel mit Sicherheitskräften lieferten.
Auf Instagram-Videos mehrerer Aktivisten war zu sehen, wie eine grosse Menschentraube von Demonstranten auf den Fluren des Konferenzzentrums Fahnen schwenkte und protestierte. BBC-Reporter beobachteten nach eigenen Angaben, wie UN-Sicherheitspersonal noch anwesenden Delegierten zurief, sie sollten das Gelände verlassen.
Eine lokale Journalistin, die das Geschehen auf dem Gelände verfolgte und aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will, sagte einer dpa-Reporterin vor Ort, eine solche Eskalation habe sich schon lange angekündigt. In Brasilien würden immer wieder Umweltschützer getötet, «es gibt diesen Schmerz schon seit langer Zeit». Mit dem Eindringen hätten die Indigenen ein Zeichen setzen wollen.
Auf dem Klimagipfel im Amazonasgebiet sind auch Tausende Vertreter indigener Gemeinschaften vertreten. Sie setzen sich gegen die Zerstörung ihrer angestammten Heimat ein, etwa durch die Abholzung des Regenwalds. Zuvor hatte es einen Marsch durch die Stadt zu den gesundheitlichen Gefahren des Klimawandels mit rund 3000 Teilnehmenden gegeben.
Deren Organisatoren grenzten sich ausdrücklich von den gewaltsamen Szenen nach Ende ihrer Demo ab. «Die Handlungen, die nach dem Marsch stattfanden, gehören nicht zur Organisation des Ereignisses», erklärte die beteiligte Organisation 350.org. Dem brasilianischen Nachrichtenportal «G1» zufolge sollen zwei Wachleute verletzt worden sein, auf einem Video ist zu sehen, wie ein Wachmann an der Stirn blutet.
In den sozialen Medien war auf Videos zudem zu sehen, wie Sicherheitskräfte von innen mit Tischen das Gelände verbarrikadierten – das Eindringen konnten sie jedoch nicht verhindern.
Als die Sicherheitskräfte die Lage schliesslich wieder im Griff hatten, wurde das Gelände vollständig evakuiert und abgeriegelt. Etliche Reinigungskräfte sassen am Abend draussen vor den Toren. Normalerweise ist die bewachte Zeltstadt, vor deren Zufahrt sogar ein grosser Panzer aufgebaut ist, auch über Nacht geöffnet, da sich die Verhandlungen teils in die Länge ziehen und Journalisten aus allen Zeitzonen aus dem Pressezentrum berichten.
Am späten Abend (Ortszeit) hatte sich die Lage wieder beruhigt. Die Zugänge zum COP-Gelände blieben verschlossen, davor bauten sich maskierte Soldaten und andere Sicherheitskräfte auf. Mehrere Polizeiwagen standen mit Blaulicht vor den Toren. Auf dem Gelände selbst liegt die Sicherheitsverantwortung bei der UN-Polizei.
Für den Gastgeber Brasilien und die Vereinten Nationen stellen sich mit dem Zwischenfall wenige Tage, bevor aus aller Welt Ministerinnen und Minister für die finale Phase der Verhandlungen anreisen, unangenehme Fragen: Wie konnten die Aktivisten eindringen? Weshalb hatten sie überhaupt das Gefühl, sich auf diesem Wege Gehör verschaffen zu müssen? Dies dürfte die Konferenz weiter beschäftigen.
Die Konferenzleitung teilte am späten Abend mit, der Haupteingang werde nach den Ereignissen repariert und ab 7.00 Uhr morgens (Ortszeit, 11.00 Uhr MEZ) am Mittwoch wieder geöffnet.
Erstmals seit Jahren findet die UN-Klimakonferenz wieder in einem demokratischen Rechtsstaat statt, und nicht wie zuletzt in autoritär regierten Ländern wie Aserbaidschan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten. Deren repressive Sicherheitsbehörden hatten Demonstrationen und Kundgebungen von Klimaaktivisten rigoros untersagt und nur auf dem abgeschotteten COP-Gelände selbst geduldet.
Das ist nun in Brasilien anders: Proteste sind auch im Stadtgebiet möglich. Auch zur Halbzeit der Konferenz am Wochenende sind Proteste geplant, flankiert von weiteren «Klimastreiks» rund um den Globus. (sda/dpa)
