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Klimagipfel in Brasilien: Belém empfängt die Welt mit Kreuzfahrtschiffen

U.N Climate Change Conference COP 30 BELÉM, BRAZIL - NOVEMBER 7: ----EDITORIAL USE ONLY - MANDATORY CREDIT - COP30 PRESS OFFICE / HANDOUT - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SER ...
Zwei Kreuzfahrtschiffe wurden nach Belém einbestellt. Sie sollen helfen, die Unterkunftskrise in der Stadt des Klimagipfels zu lindern.Bild: imago

Gäste übernachten in Kreuzfahrtschiffen – der Klimagipfel droht, ein Fiasko zu werden

In Belém trifft sich die Welt, um das Klima zu retten – und erlebt ein logistisches Fiasko. Von Sex-Motels über Kreuzfahrtschiffe bis zur Autobahn durch den Regenwald – die COP30 steht in der Kritik.
10.11.2025, 04:2810.11.2025, 04:30
Ellen Ivits / t-online
Ein Artikel von
t-online

Mitten im Amazonasgebiet, dort wo die grüne Lunge des Planeten schlägt, richtet Brasilien in diesem November die weltweit wichtigste Klimakonferenz aus. Vom 10. bis 21. November findet in Belém, einer Stadt am Mündungsdelta des Amazonas, die 30. UN-Klimakonferenz (COP30) statt. Für Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ist es ein Prestigeprojekt – ein symbolischer Ort, der die Dringlichkeit des Klimaschutzes unterstreichen soll.

Doch hinter der glanzvollen Fassade des Konferenzprogramms für den Klimagipfel, zu dem Gäste aus mehr als 190 Ländern erwartet werden, rumort es gewaltig. Was als politische Botschaft gedacht war, wird für viele Beteiligte zur organisatorischen, finanziellen und klimatischen Zumutung – vor allem für jene Staaten, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind.

Klimagipfel am Pranger: Kreuzfahrtschiffe als schwimmende Hotels

Belém wurde als Konferenzort gewählt, um die Bedeutung des Amazonasgebiets für das Weltklima ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Doch die Stadt ist mit der Durchführung eines derart grossen Gipfeltreffens sichtbar überfordert. Rund 50'000 Personen – darunter Staats- und Regierungschefs, Minister, UN-Vertreter, NGO-Mitarbeitende und Aktivistinnen – sollen in einer Region für den Klimagipfel untergebracht werden, die kaum über die notwendige Infrastruktur verfügt.

Angesichts begrenzter Hotelkapazitäten greift die brasilianische Regierung zu ungewöhnlichen Mitteln: Zwei Kreuzfahrtschiffe mit zusammen etwa 6'000 Betten dienen als schwimmende Hotels. Die «Costa Diadema »von Costa Crociere und die «MSC Seaview» von MSC Cruises ankern im Hafen nahe der Amazonasmündung.

Ohne Gäste an Bord aufzunehmen, hatten die beiden Giganten in Barcelona Kurs auf Belém genommen und den Atlantik überquert. Tausende Kilometer legten sie über den Ozean zurück – und pusteten dabei Tonnen von CO2 in die Atmosphäre.

Ships arrive to accommodate participants of the COP30 U.N. Climate Summit, at the port of Outeiro in Belem, Para state, Brazil, Tuesday, Nov. 4, 2025. (AP Photo/Eraldo Peres)
Brazil Climate COP30
Bild: keystone

Klimagipfel in Brasilien: Preise schnellen vor COP30 in die Höhe

Valter Correia, Sondersekretär für die COP30, prahlte im Vorfeld des «weltweit grössten Klimaereignisses» dennoch: «Diese beiden grossen Schiffe sind Teil eines vielfältigen Unterkunftsangebots, das darauf ausgelegt ist, alle Teilnehmer der COP30 unterzubringen – darunter Delegationen der Vereinten Nationen, Beobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen, akademische Einrichtungen und Unternehmen.»

Doch den vollmundigen Versprechen zum Trotz: Es gibt schlicht zu wenige Unterkünfte in Belém für eine Veranstaltung dieser Dimension, wie es der Klimagipfel ist. Die Stadt ist keine Touristenmetropole, sondern eine wuselige Regenwaldstadt in Brasilien. Wenige Minuten vom Flughafen entfernt verlaufen ungepflasterte Strassen und offene Abwasserkanäle. Hotels sind knapp. Die Preise stiegen bereits im Vorfeld dramatisch.

Auf den einschlägigen Buchungsseiten wie Booking.com und Airbnb verlangten private Anbieter von Unterkünften für zehn Nächte 30'000 Euro, 50'000 Euro oder gar mehr als 100'000 Euro.

Kosten beim Klimagipfel in Brasilien: Präsident sagt Teilnahme ab

Auf den beiden einbestellten Kreuzfahrtschiffen gilt für Delegationen aus den 98 ärmsten Ländern zwar ein Preisdeckel von rund 220 US-Dollar pro Nacht. Sie hatten bei der Buchung Vorrang. In einer späteren Buchungsphase konnten alle anderen Staaten aber nur Kabinen für einen Preis von bis zu 600 US-Dollar reservieren.

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte seine Teilnahme wegen der «diesmal besonders hohen Kosten» sogar ab. Ein Satz von Präsident Lula da Silva sorgte zusätzlich für Unmut: «Wer kein Zimmer findet, muss eben unter den Sternen schlafen», witzelte er. Es folgten Krisensitzungen, die Organisatoren versprachen Besserung.

Viele Gäste werden nun privat untergebracht – oder ziehen kurzerhand in sogenannte Sex-Motels, die kurzfristig zu COP-Unterkünften umfunktioniert wurden.

600'000 Dollar für drei Wochen bei der Klimakonferenz in Belém

Yorann Costa betreibt ein solches Sex-Motel am Rande von Belém. Er hat ein ganz eigenes Geschäftsmodell rund um die Unterkunftskrise entwickelt. Eine Million US-Dollar will Costa während der COP30 verdienen, erzählte er in einem Gespräch mit der «Zeit». Er sei bereits mit mehreren Ländern im Gespräch, berichtete er im vergangenen September.

Neben dem Motel besitzt Costa auch ein Apartmenthaus in der Innenstadt: 24 Wohnungen auf sechs Etagen. Eine europäische Delegation habe das Gebäude komplett ausgebucht – 72 Personen, drei Wochen Aufenthalt, rund 400 Dollar pro Nacht und Kopf. Macht mehr als 600'000 Dollar für Costa.

Eine Autobahn mitten durch den Amazonas von Brasilien

Doch in Belém mangelt es nicht nur an Unterkünften für den Klimagipfel: Die Infrastruktur ist schlecht ausgebaut. Für die COP30 wurde eine neue Autobahn mitten durch den Amazonas gebaut – eine Massnahme, die ausgerechnet dort zusätzlichen Eingriff in die sensible Umwelt bedeutet, wo die Weltgemeinschaft über deren Schutz beraten will.

Der zuständige Minister für Infrastruktur des Bundesstaates Pará, Adler Silveira, beteuerte, es handle sich um eine «nachhaltige» Autobahn – mit Brücken für Wildtiere, Fahrradstreifen und solarbetriebener Beleuchtung. Die Strecke soll einen besseren Zugang nach Belém ermöglichen – und wurde als dringend notwendige Investition in die Infrastruktur verkauft. Doch der Bau hat gravierende ökologische und soziale Folgen.

Expertinnen zufolge zerschneidet die Trasse intakten Regenwald und trennt Tierpopulationen voneinander. Eine Regenwaldfläche von mehr als 71 Hektar fiel der Autobahn zum Opfer. Die britische BBC berichtete zudem von Anwohnern, die durch das Strassenbauprojekt direkt geschädigt wurden, ohne jegliche staatliche Entschädigung zu erhalten. Zudem warnen Umweltschützer: Sobald die Strasse erst einmal fertiggestellt ist, könnte sie Tür und Tor für weitere Rodungen öffnen – mit unkalkulierbaren Folgen für das sensible Ökosystem.

A man sits in a river amid the nearby COP30 U.N. Climate Summit, Saturday, Nov. 8, 2025, in Belem, Brazil. (AP Photo/Fernando Llano)
COP30 Climate Summit
Bild: keystone

Belém könnte zur zweitheissesten Stadt der Welt werden

Auch der Flughafen von Belém musste für die Klimakonferenz vergrössert werden. Seine Kapazitäten wurden verdoppelt. Eine Anreise per Bahn ist nahezu unmöglich, weil das Eisenbahnnetz in dieser Region praktisch nicht existiert. Es gibt keine ausreichende Wasserversorgung, keine Kläranlage. Das Abwasser der Metropole läuft in offenen Kanälen durch die Stadt und landet schliesslich im Fluss.

Die klimatischen Bedingungen in Belém selbst sind ebenfalls alles andere als ideal: Temperaturen von über 30 Grad sind die Regel, Überschwemmungen keine Seltenheit. Laut der NGO Carbonplan könnte Belém bis 2050 zur zweitheissesten Stadt der Welt werden. Besonders die Randbezirke leiden unter der unzureichenden Anpassung an die veränderten Bedingungen.

Die Stadtplanerin und Architektur-Professorin an der Universidade Federal do Pará Ana, Cláudia Cardoso, sagte im Gespräch mit dem «Tagesspiegel»: «Die Peripherie bekommt die Auswirkungen der Klimakrise am heftigsten zu spüren.» Ironischerweise gehört Belém, mitten im Regenwald gelegen, zu den Städten mit den wenigsten Bäumen in ganz Brasilien.

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