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Israels Pläne für Gaza werden radikaler – die SP kritisiert Bundesrat

epa12077997 A general view from a school housing displaced people in Jabalia camp, north of Gaza City, 06 May 2025. EPA/HAITHAM IMAD
Der Gazastreifen: gezeichnet vom Krieg. Bild: keystone

«Organisierte Rückgratlosigkeit» – SP-Molina kritisiert Bundesrat wegen Israel scharf

Umsiedlung, Blockade, neue Offensive: Israels Pläne für Gaza werden radikaler. SP-Nationalrat Molina verlangt eine klare Einschätzung des Bundesrats. Doch bei der SVP will man davon nichts wissen.
07.05.2025, 10:0608.05.2025, 04:34
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Während die israelische Armee erneut Zehntausende Reservisten mobilisiert und laut Regierungsbeschluss künftig den gesamten Gazastreifen unter militärische Kontrolle stellen will, sorgt ein Satz aus dem israelischen Regierungslager für Empörung.

«Gaza total zerstören.» So beschrieb der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich am Dienstag seine Vorstellung eines Sieges über die Hamas – an einer Siedlerkonferenz im besetzten Westjordanland. Die rund 2,2 Millionen Menschen in Gaza, so Smotrich weiter, sollten künftig «südlich der ehemaligen israelischen Siedlung Morag» in einer sogenannten «humanitären Zone konzentriert» werden.

Der umstrittene «Trump-Plan» zur «freiwilligen Emigration» der palästinensischen Bevölkerung gewinnt also an Bedeutung – bleibt aber praktisch schwer umsetzbar. Kein Nachbarstaat hat sich bisher bereit erklärt, Menschen aus Gaza aufzunehmen. Die humanitäre Lage ist derweil katastrophal: Hilfsgüter lässt Israel gar nicht mehr in den Gazastreifen.

«Bundesrat widerspricht Trump nicht»

SP-Nationalrat und Aussenpolitiker Fabian Molina hat deshalb am Montag im Nationalrat eine Interpellation eingereicht: «Schwerste Verbrechen, Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte im Gaza-Krieg.» Darin verlangt Molina vom Bundesrat eine offizielle Einschätzung zu den gravierenden Vorwürfen gegen Israel, wie der «Einsatz von Hunger als Waffe, gezielte Tötung von Rettungspersonal und die drohende ethnische Säuberung durch Trumps Plan».

Fabian Molina, SP-ZH, spricht waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 19. September 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
«Es ist organisierte Rückgratlosigkeit»: Molina über die Kommunikation des Bundesrates zu Gaza. Bild: keystone

Gegenüber watson sagt Molina: «Wenn die Schweiz zu der Einschätzung kommt, dass Israel Kriegsverbrechen oder gar einen Genozid begeht, dann muss sie daraus Konsequenzen ziehen – sonst macht sie sich der Doppelmoral schuldig und trägt eine Mitverantwortung für das unermessliche menschliche Leid.» Er kritisiert, dass der Bundesrat sich «vor dieser Entscheidung scheue» – aus Rücksicht auf Trump.

«Es ist organisierte Rückgratlosigkeit. Der Bundesrat widerspricht Trump nicht einmal dann, wenn es den eigenen Interessen zuwiderläuft. Molina will, dass die Schweiz sich endlich den EU-Sanktionen gegen radikale israelische Siedler anschliesst, ihr Engagement beim Internationalen Strafgerichtshof verstärkt – und in der Kommunikation deutliche Worte findet.

«Die Schweiz soll sich raushalten»

Ganz anders sieht das SVP-Nationalrat und Israel-Kenner Alfred Heer. Gegenüber watson kritisiert er Molinas Vorstoss scharf: «Wenn Molina Angehörige in den Tunneln der Hamas hätte, würde er vielleicht anders reden. Die Geiseln sind immer noch dort – das ist der Grund, dass dieser Krieg noch andauert.» Heer lehnt jede Stellungnahme der Schweiz zum Gaza-Krieg ab – und auch jede Konsequenz: «Wir sind keine Weltmacht. Wir haben keine Armee, die für Ordnung sorgt. Wir sollten uns aus diesem Konflikt vollständig raushalten.»

Alfred Heer, SVP-ZH, spricht zur Debatte um den Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission PUK zur Krise der Credit Suisse, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, ...
«Vollständig raushalten»: Heers Devise beim Gaza-Krieg.Bild: keystone

Auch der Begriff Genozid sei für ihn falsch und gefährlich: «Wer von Genozid redet, macht aus Tätern Opfer und hat nichts verstanden. Wenn Israel die Waffen niederlegt, wird es ausgelöscht. Wenn Hamas die Waffen niederlegt, ist Frieden.»

Sanktionen? Internationale Strafgerichtsbarkeit? Auch da bleibt Heer klar: «Ich bin grundsätzlich gegen Sanktionen. Wir sind nicht Teil der EU und sollten uns an keine Seite hängen – sonst landen wir plötzlich politisch in Teufels Küche.»

Die Antwort des Bundesrats auf Molinas Interpellation steht noch aus.

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441 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pazzo:)
07.05.2025 10:34registriert Juni 2018
Jetzt kommen die Kommentare à la: «Warum kritisiert er nicht auch die Hamas?»
Aber das ist doch klar: Die Hamas ist eine Terrororganisation. Kein anständiger Mensch verteidigt ihre Taten.
Der Unterschied ist: Von Israel – einem demokratischen Staat – erwarten wir, dass es unsere Werte wie Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit teilt.
Doch zeigt sich immer mehr, dass diese Erwartungen enttäuscht werden. Wenn ein Staat gezielt Zivilisten hungern lässt oder ganze Bevölkerungen vertreiben will, ist es kein Verhalten, das sich von Regimen wie Iran oder Saudi-Arabien noch grundlegend unterscheiden
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Dachsmann
07.05.2025 10:46registriert März 2023
Heer liegt komplett daneben mit seiner Anspielung auf die Angehörigen in den Tunneln der Hamas. Was Israel im Gazastreifen anrichtet überschreitet mittlerweile jedes Mass an Angemessenheit. Es leidet mittlerweile fast nur noch die Zivilbevölkerung, die Hamas ist nur noch Vorwand - oder war es vermutlich schon immer. Was sich dort gerade abspielt ist eine menschliche Tragödie, und die bürgerliche Schweiz schaut zu. Bürgerliche Politiker sind wiederlich.
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Celtic Swiss
07.05.2025 10:45registriert Juni 2024
Der Herr Heer hat auch kein Rückgrat.

Warum sollte die Schweiz keine Stellung beziehen, wenn Kriegsverbrechen geschehen? Das hat sie doch beim völkerrechtswidrigen brutalen Angriff Russlands auf die Ukraine auch gemacht.

Aus Rücksicht auf Trump? Dass ich nicht lache...
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