Holocaust-Relativierung? Lauterbach löscht umstrittenen Tweet und muss Kritik einstecken
Rücktrittsforderungen an die Adresse von deutschen (Spitzen-)Politiker:innen sind keine Seltenheit, auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kann ein Lied davon singen.
Vor allem zu Pandemiezeiten hatte er mit vielen Kritiker:innen seiner Corona-Massnahmen zu kämpfen. Jetzt teilte Lauterbach allerdings ein Video auf der Plattform X zum Krieg der Hamas gegen Israel, mit dem viele so gar nicht einverstanden waren.
Inzwischen ist der Post gelöscht, die Kritik hört allerdings nicht auf. Ein Statement dazu wurde seitens Lauterbach nicht veröffentlicht (Stand 13. November, 10 Uhr).
Das Interview
Das Video, das aktuell seine Kreise zieht, ist ein Interview des britischen Senders TalkTV mit dem Publizisten Douglas Murray, der derzeit in Israel ist. TV-Moderator Piers Morgan spricht darin am Ende des rund 30-minütigen Interviews mit Murray über den Terror der Hamas. Morgan fragt Murray, ob er denke, dass alle Palästinenser:innen gleichermassen für den Krieg verantwortlich seien. Dieser antwortet:
Ich bin nicht für eine Kollektivstrafe per se, aber was hier passiert, ist auch nicht einzigartig.
Nach einem kurzen Einwurf von Morgan erzählt Murray weiter:
Der Vergleich zwischen der Hamas und den Nazis ist unzureichend.
Was er genau damit meint, kann er nicht mehr ausführen, da in diesem Moment das Interview unterbrochen werden muss, da wohl Raketen über Israel fliegen. Als es weitergeht, sagt Murray noch:
Doch die Hamas sind mindestens so barbarisch wie die Nazis. Denn sie töten mit Freude und Stolz und zeigen das. (…) Die Nazis haben versucht, ihre Verbrechen zu verbergen. Die Hamas aber sind stolz darauf. Und sie sagen, sie werden weiter machen, bis die ganze Welt von Juden gesäubert ist. Das müssen wir ernst nehmen.
Hamas-Terror: Publizist zieht in Interview perfiden Holocaust-Vergleich
Zunächst erfuhr das Video viel Zuspruch in Deutschland. So schrieb etwa die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) dazu: «Ansehen und zuhören». Auch die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm teilte das Interview mit den Worten «Wirklich grossartig».
Der deutsche Journalist Jan Fleischhauer schrieb dazu: «Das ist grossartig. Von beiden Seiten. So etwas wäre im deutschen TV undenkbar.» Und auch in eine ähnliche Kerbe schlug Lauterbach mit seinem Tweet.
Er teilte das Video mit den Worten:
Trotz der Einschränkung, die Lauterbach hier in seiner Empfehlung tätigt, liess scharfe Kritik nicht lange auf sich warten. Rücktrittsforderungen wurden – wieder einmal – laut.
Denn: Murray vergleicht in dem Interview den Terror der Hamas mit den Taten der SS während des Holocaust.
Holocaust-Vergleich: Historiker ordnet Interview ein
Zahlreiche Wissenschaftler:innen widersprachen inzwischen den Aussagen in dem Video entschieden. So erinnerte der Historiker Jürgen Zimmerer an die grausamen SS-Verbrechen:
Es gibt 100e Fotos mit SS Männern&Soldaten, die vor Leichen posieren. Aus tätowierter Haut von ermordeten Jüdinnen ließen manche sich Lampenschirme anfertigen. Aber wenn ein islamophober Rechtsradikaler sagt, sie hätten sich geschämt, applaudieren alle. #Entlastungsislamophobie
— Juergen Zimmerer @juergenzimmerer.bsky.social (@JuergenZimmerer) November 12, 2023
Ex-Linken-Politiker Fabio De Masi fragte: «Karl, hast du ein Rad ab?» Weil Lauterbach «jeglichen politischen Kompass verloren» habe, forderte er dessen Rücktritt.
De Masi fordert Aufarbeitung der Lauterbach-Äusserungen
Während Journalist Jan Fleischhauer kurz darauf ein Statement veröffentlichte, in dem er sich entschuldigte, das Video empfohlen zu haben, löschte Karl Lauterbach seinen Tweet lediglich. Quittiert wurde dieses Vorgehen seitens De Masi mit den Worten: