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Holocaust-Relativierung? Lauterbach löscht umstrittenen Tweet.

epa10937687 German Health Minister Karl Lauterbach arrives for a cabinet meeting in Berlin, Germany, 25 October 2023. Among other topics, the German government is about to address a draft law for the  ...
Karl Lauterbach (SPD) sieht sich derzeit mit harscher Kritik für eine Video-Empfehlung konfrontiert.Bild: keystone

Holocaust-Relativierung? Lauterbach löscht umstrittenen Tweet und muss Kritik einstecken

13.11.2023, 11:1813.11.2023, 12:47
Laura Czypull / watson.de
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Rücktrittsforderungen an die Adresse von deutschen (Spitzen-)Politiker:innen sind keine Seltenheit, auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kann ein Lied davon singen.

Vor allem zu Pandemiezeiten hatte er mit vielen Kritiker:innen seiner Corona-Massnahmen zu kämpfen. Jetzt teilte Lauterbach allerdings ein Video auf der Plattform X zum Krieg der Hamas gegen Israel, mit dem viele so gar nicht einverstanden waren.

Inzwischen ist der Post gelöscht, die Kritik hört allerdings nicht auf. Ein Statement dazu wurde seitens Lauterbach nicht veröffentlicht (Stand 13. November, 10 Uhr).

Das Interview

Das Video, das aktuell seine Kreise zieht, ist ein Interview des britischen Senders TalkTV mit dem Publizisten Douglas Murray, der derzeit in Israel ist. TV-Moderator Piers Morgan spricht darin am Ende des rund 30-minütigen Interviews mit Murray über den Terror der Hamas. Morgan fragt Murray, ob er denke, dass alle Palästinenser:innen gleichermassen für den Krieg verantwortlich seien. Dieser antwortet:

Sie haben eine Verantwortung, sie haben die Hamas gewählt. (…) Als Hitler in Deutschland an die Macht kam, haben wir Briten auch die Sicht eingenommen, dass die Deutschen verantwortlich sind.

Ich bin nicht für eine Kollektivstrafe per se, aber was hier passiert, ist auch nicht einzigartig.

Nach einem kurzen Einwurf von Morgan erzählt Murray weiter:

Menschen tendieren dazu, die Geschichte zu missbrauchen. Alles, was die Menschen über Geschichte wissen, dreht sich um die Nazis. Aber ich sage Ihnen: Haben Sie die Videos gesehen, die zeigen, was die Hamas in Israel angerichtet hat? (…)

Der Vergleich zwischen der Hamas und den Nazis ist unzureichend.

Was er genau damit meint, kann er nicht mehr ausführen, da in diesem Moment das Interview unterbrochen werden muss, da wohl Raketen über Israel fliegen. Als es weitergeht, sagt Murray noch:

Sogar die Nazis und die SS, die Juden erschossen haben, mussten sich am Abend betrinken, um zu vergessen.

Doch die Hamas sind mindestens so barbarisch wie die Nazis. Denn sie töten mit Freude und Stolz und zeigen das. (…) Die Nazis haben versucht, ihre Verbrechen zu verbergen. Die Hamas aber sind stolz darauf. Und sie sagen, sie werden weiter machen, bis die ganze Welt von Juden gesäubert ist. Das müssen wir ernst nehmen.
Bild
Screenshot TalkTv.

Hamas-Terror: Publizist zieht in Interview perfiden Holocaust-Vergleich

Zunächst erfuhr das Video viel Zuspruch in Deutschland. So schrieb etwa die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) dazu: «Ansehen und zuhören». Auch die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm teilte das Interview mit den Worten «Wirklich grossartig».

Der deutsche Journalist Jan Fleischhauer schrieb dazu: «Das ist grossartig. Von beiden Seiten. So etwas wäre im deutschen TV undenkbar.» Und auch in eine ähnliche Kerbe schlug Lauterbach mit seinem Tweet.

Er teilte das Video mit den Worten:

«Das Interview ist in der Tat extrem sehenswert, hier wird viel ausgesprochen, was sonst nur gedacht wird. Man muss nicht jeden Punkt teilen. Die Verharmlosung der Nazis gegenüber der Hamas ist falsch, solche Verbrechen sollte und kann man nicht vergleichen.»

Trotz der Einschränkung, die Lauterbach hier in seiner Empfehlung tätigt, liess scharfe Kritik nicht lange auf sich warten. Rücktrittsforderungen wurden – wieder einmal – laut.

Denn: Murray vergleicht in dem Interview den Terror der Hamas mit den Taten der SS während des Holocaust.

Holocaust-Vergleich: Historiker ordnet Interview ein

Zahlreiche Wissenschaftler:innen widersprachen inzwischen den Aussagen in dem Video entschieden. So erinnerte der Historiker Jürgen Zimmerer an die grausamen SS-Verbrechen:

«Es gibt hunderte Fotos mit SS-Männern und -Soldaten, die vor Leichen posieren. Aus tätowierter Haut von ermordeten Jüdinnen liessen manche sich Lampenschirme anfertigen. Aber wenn ein islamophober Rechtsradikaler sagt, sie hätten sich geschämt, applaudieren alle.»

Ex-Linken-Politiker Fabio De Masi fragte: «Karl, hast du ein Rad ab?» Weil Lauterbach «jeglichen politischen Kompass verloren» habe, forderte er dessen Rücktritt.

De Masi fordert Aufarbeitung der Lauterbach-Äusserungen

Während Journalist Jan Fleischhauer kurz darauf ein Statement veröffentlichte, in dem er sich entschuldigte, das Video empfohlen zu haben, löschte Karl Lauterbach seinen Tweet lediglich. Quittiert wurde dieses Vorgehen seitens De Masi mit den Worten:

«Der Minister Karl Lauterbach fühlt sich mit seinem Tweet offenbar nicht mehr so wohl. Fehlerkultur ist wichtig. Ich denke aber, das wird innerhalb der Bundesregierung noch aufzuarbeiten sein.»
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    85 Kommentare
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    Die beliebtesten Kommentare
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    Barth Simpson
    13.11.2023 11:29registriert August 2020
    Ich finde die Situation immer schwieriger. Angemessene Kritik an Israel, speziell an ihrer rechten Regierung, muss möglich sein, ohne dass man gleich als Antisemist verurteilt wird.
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    Kommissar Rizzo
    13.11.2023 11:32registriert Mai 2021
    Frage mich sowieso, weshalb man solche Verbrechen immer mit der Nazizeit vergleichen muss. Es sind abscheuliche und barbarische Taten der Hamas. Punkt. Israel begeht ebenfalls Verbrechen. Punkt. Kann man und soll man jedoch nicht vergleichen. Wie man Frieden erreichen kann, ist dann wieder ein ganz andere Frage.
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    viella
    13.11.2023 12:52registriert November 2014
    Ich habe das Interview bereits am Wochenende in voller Länge gesehen und finde es sehr bemerkenswert (im positiven Sinne). Den Vergleich, den Douglas Murray macht, ist ein ganz spezifischer und kann sicher nicht als grundsätzliche Verharmlosung des Holocaust verstanden werden.
    Ihm ging es darum den unbändigen Stolz und das Entzücken (engl. "glee") der Hamas-Schergen am 7.10. zu erklären. Das Bsp. des Terroristen, der am Telefon seinen Eltern berichtet, er hätte gerade 10 Juden eingehändigt umgebracht und dafür beglückwünscht wird, ist mir gut in Erinnerung geblieben.
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