Der deutsche Bundestag hat am Donnerstag mit einer Verschärfung des Asylrechts auf die Flüchtlingskrise reagiert. Die grosse Koalition verfolgt mit dem Gesetzespaket eine Reihe von Zielen: Die Änderungen sollen es möglich machen, Asylverfahren zu beschleunigen, anerkannte Asylbewerber besser zu integrieren und abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben.
Für die Vorlage votierten in namentlicher Abstimmung 475 von 600 Abgeordneten, dagegen 68. Es gab 57 Enthaltungen. Das Gesetzespaket soll bereits am Freitag in der Länderkammer, dem Bundesrat, abschliessend beraten werden.
Kanzlerin Angela Merkel hatte die Abgeordneten in einer Regierungserklärung um Zustimmung gebeten und den Zuzug von Flüchtlingen als «historische Bewährungsprobe» bezeichnet, die nur mit europäischer Solidarität zu bestehen sei. Innenminister Thomas de Maizière würdigte das Gesetzespaket als gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern in einer schwierigen Lage.
Kritik von der CSU
CSU-Chef Horst Seehofer legte derweil mit Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nach und forderte Kanzlerin Merkel zu einem Kurswechsel auf. «Ohne Begrenzung der Zuwanderung werden wir als staatliche Gemeinschaft in Deutschland und Europa grandios scheitern», sagte Seehofer im bayerischen Landtag.
Kein Land der Welt nehme unbegrenzt Zuwanderer und Flüchtlinge auf, sagte Seehofer. «Das ist auch nicht zu verkraften.» Von Merkel forderte Seehofer erneut eine «Äusserung für die Weltöffentlichkeit», dass auch ein reiches Land wie Deutschland nicht unbegrenzt Menschen aufnehmen könne.
Beschleunigung der Abläufe
Das im Bundestag verabschiedete Asylpaket sieht eine Beschleunigung der Abläufe, Verschärfungen und Leistungskürzungen vor. Die Anträge von Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive sollen rascher bearbeitet werden, die Antragssteller sollen nach der Ablehnung Deutschland schnell verlassen müssen.
Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen bekommen verstärkt Sachleistungen statt Bargeld. Abgelehnte Asylbewerber, die ausreisen müssen, erhalten keine Leistungen mehr. Die drei Westbalkanstaaten Albanien, Kosovo und Montenegro werden als sichere Herkunftsländer eingestuft, was die schnellere Ablehnung von Asylanträgen ermöglicht.
Um zügiger Unterkünfte errichten zu können, werden zeitlich befristete Erleichterungen im Bauplanungsrecht geschaffen. Zugleich schafft das Gesetz bessere Integrationsmöglichkeiten für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive. Der Bund beteiligt sich zudem dauerhaft an den Kosten: Ab 2016 erhalten die Länder vom Bund pro Flüchtling 670 Euro im Monat.
Die Linke sieht Staatsversagen
Die Opposition kritisierte die Neuregelungen. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht warf der Bundesregierung «eklatantes Staatsversagen» vor.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt rief die Union auf, die Flüchtlingskrise beherzter anzugehen. Es wundere sie, dass die Union ausgerechnet jetzt «in eine Identitätskrise gerät», sagte sie in der Debatte mit Blick auf die unionsinterne Kritik am Kurs Merkels. «Kommen Sie raus aus der Angstecke.»
Flüchtlings- und Sozialverbände kritisierten die Verschärfungen im Asylrecht, «Zum Schaden unserer Gesellschaft werden die Weichen auf Abwehr und Ausgrenzung gestellt», erklärte etwa Pro Asyl.
Proteste in Berlin und Hamburg
Mehrere hundert Menschen demonstrierten in Berlin und Hamburg gegen die Verschärfung des Asylrechts. Wenige Stunden nach der Entscheidung des Bundestages zogen am Donnerstagabend nach Polizeiangaben rund 700 Menschen durch die Hauptstadt und skandierten: «Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall».
Auch in Hamburg schlossen sich laut Polizei etwa 700 Demonstranten einem Protestzug durch die Innenstadt an. «Asylrecht kippen» und «Menschenrecht verschärft man nicht» hiess es auf Transparenten.
(sda/afp/dpa)