«Ich weiss nicht, wie ich anfangen soll», beginnt das Instagram-Video einer 16-jährigen Schülerin aus Hamburg. Sie mache sonst keine Videos dieser Art, sie sei keine Influencerin. Mittlerweile hat ihr Video 1,3 Millionen Aufrufe (Stand: Samstag).
Darin berichtet sie von einer Erfahrung mit Diskriminierung. Zusammen mit zwei Freundinnen habe sie sich in einer Hamburger Filiale von Edeka um einen Job für die Sommerferien beworben. Nach einem ersten persönlichen Besuch seien die drei zum Probearbeiten am Dienstag eingeladen worden.
Eine Mitarbeiterin habe ihnen gezeigt, wie die Kasse funktioniere. Nach 40 Minuten sei der Geschäftsführer hinzugekommen, berichtet die Schülerin weiter. Er habe mit seinem Finger auf sie gezeigt und gesagt: «Du setzt dein Kopftuch ab oder du kannst hier nicht arbeiten.»
Sie habe sich geweigert und schliesslich geantwortet: «Ja, dann kann ich hier nicht arbeiten.» Die drei Schülerinnen seien zu einem Mitarbeiter der Personalabteilung geschickt worden. «Dann ist der gekommen, hat mich angeguckt und gesagt: Ja, ich sehe das Problem», berichtet die Schülerin im Video. Daraufhin hätten sich die drei Jugendlichen entschlossen, zu gehen.
In der Umkleidekabine seien der Schülerin die Tränen gekommen. Eine Kassiererin der Filiale habe sie ermutigt, gegen den Vorfall anzukämpfen. Sie kündigt im Video an, Antidiskriminierungsstellen zu kontaktieren. «Ich hätte nicht gedacht, dass man mir das jetzt sagt. Es hat mich verletzt und es verletzt mich immer noch», berichtet die Schülerin, sichtlich betroffen, weiter.
«Wie kann man so respektlos mit einem umgehen?» Sie sei Diskriminierung gewohnt, aber nicht so direkt. «Rassismus existiert, Diskriminierung existiert», betont sie. «Es kann doch nicht sein, dass alle angenommen werden, ausser mir, weil ich ein Kopftuch trage.» Sie trage das Kopftuch mit Stolz, weil sie ihre Religion liebe.
Edeka reagierte bereits auf den Vorfall in einem Kommentar unter dem Instagram-Video: «Wir bedauern den von dir geschilderten Vorfall sehr, denn Edeka steht für Vielfalt.» Die Supermarkt-Kette bot der Schülerin ausserdem einen Termin für ein Vorstellungsgespräch in einer anderen Filiale an.
Gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» bestätigte die Pressestelle des Konzerns am Freitag den Vorfall.
Die Zeitung zitiert aus einer E-Mail, der beschuldigte Filialleiter lasse ausrichten, dass «ich den von @mxriam.jbg (Anm., Insta-Name der Schülerin) geschilderten Vorfall sehr bedaure und mich bei ihr ausdrücklich für die verletzenden Worte entschuldigen möchte.» Er nehme die Kritik an und werde sie «entsprechend bei zukünftigen Personalentscheidungen berücksichtigen».
Die Schülerin will das Angebot für ein Vorstellungsgespräch in einer anderen Filiale aber nicht annehmen. Das teilte ihr Anwalt gegenüber watson mit. «Ein Gesprächsangebot in dieser Form lehnen wir ab. Wir haben eher den Eindruck, dass Edeka lediglich um Schadensbegrenzung bemüht ist und nicht wirklich daran interessiert, das Thema Rassismus zu bekämpfen», sagte der Hamburger Rechtsanwalt Yalçın Tekinoğlu gegenüber watson.
Die Schülerin hätte erwartet, ein Jobangebot in der Filiale zu erhalten, in der sie diskriminiert wurde, nicht in einer anderen. «Das Bedauern des Geschäftsführers dieser Filiale und das Bekunden, ‹die Kritik bei künftigen Personalentscheidungen› berücksichtigen zu wollen, kann daher nicht ernsthaft als Einsicht und Entschuldigung verstanden werden», sagte Tekinoğlu weiter. Vielmehr deute es daraufhin, «dass man unter diese diskriminierende Personalentscheidung ohne weitere Konsequenzen einen Schlussstrich ziehen möchte».
Er werde nun für seine Mandantin den Fall der Antidiskiminierungsstelle melden und von der Edeka-Filiale sowie des Edeka-Konzerns eine schriftliche Stellungnahme anfordern, «wie man mit Rassismus im Unternehmen umgeht, welche Konsequenzen der Fall nun haben wird und wie man dem künftig vorbeugen möchte».
(ll)