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CDU stimmt mit AfD: Erneute Abstimmung am Freitag über Migration

German opposition leader and Christian Union parties floor leader Friedrich Merz speaks after the debate and a voting about migration at the German parliament Bundestag in Berlin, Germany, Wednesday,  ...
In dem von CDU und CSU eingebrachten Entwurf geht es um konkrete Regelungen zur Eindämmung der Migration.Bild: keystone

Jetzt doch: Bundestag stimmt nach 3-stündiger Verschiebung erneut über Migration ab

31.01.2025, 14:19
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Zehntausende Menschen demonstrieren in Deutschland gegen eine gemeinsame Abstimmung von Christdemokraten und AfD in der Migrationspolitik – dennoch könnte am Freitag ein Gesetz den Bundestag passieren, bei dem die Stimmen der Rechtspopulisten mit entscheidend sein könnten.

Abstimmung jetzt doch absehbar

Der Bundestag soll nämlich doch schon heute über den Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Verschärfung der Migrationspolitik abstimmen. Sowohl die Debatte als auch die Abstimmung wurden am Freitagmorgen um mehrere Stunden verschoben. Dies, da offenbar noch weiterer Diskussionsbedarf zwischen und innerhalb der Fraktionen bestand.

Nun ist klar: Die FDP verzichtet auf einen zuvor von ihrer Fraktion angekündigten Antrag für eine Vertagung der Abstimmung und weitere Beratung in den Ausschüssen, wie die Deutsche Presse-Agentur in Berlin aus Kreisen der FDP-Fraktion erfuhr.

In dem von CDU und CSU eingebrachten Entwurf geht es um konkrete Regelungen zur Eindämmung der Migration. Nach dem Bundestag müsste das Vorhaben aber noch durch die Länderkammer, den Bundesrat. Dort ist eine Zustimmung nicht sicher.

Bereits am Mittwoch hatten die Christdemokraten mit Hilfe der Alternative für Deutschland (AfD) einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag durchgesetzt. Der Antrag hatte allerdings nur Appellcharakter.

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Demonstrationen in Deutschland.Bild: keystone

Die Empörung über das Vorgehen von Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU), der auch Spitzenkandidat von CDU und CSU zur Bundestagswahl ist, ist seitdem gross. Zehntausende Menschen gingen deshalb allein am Donnerstag auf die Strasse – unter anderem in Berlin, Freiburg, Hannover und München.

Worum geht es in dem Gesetzentwurf?

Kern des Gesetzentwurfs der Unionsfraktion, zu dem die liberale FDP, die AfD und das linkspopulistische BSW Zustimmung signalisiert haben, ist die Aussetzung des Familiennachzugs zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus.

Zu dieser Gruppe gehören in Deutschland viele Syrerinnen und Syrer. Ausserdem sollen die Befugnisse der Bundespolizei erweitert werden. Sie soll künftig, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich – also etwa an Bahnhöfen – Ausreisepflichtige antrifft, selbst für eine Abschiebung sorgen können.

Die Union dringt in ihrem Entwurf überdies darauf, das Ziel einer «Begrenzung» des Zuzugs von Ausländern wieder ins Aufenthaltsgesetz aufzunehmen. Das hatte die inzwischen auf Rot-Grün reduzierte Ampel-Koalition gestrichen.

Ist das Vorhaben neu?

Von März 2016 bis Juli 2018 war der Familiennachzug für sogenannt subsidiär Schutzberechtigte von der damaligen schwarz-roten Koalition ausgesetzt worden. Begründet wurde dies damals mit der Absicht, eine Überlastung bei der Aufnahme und Integration zu vermeiden.

Seit August 2018 dürfen monatlich insgesamt 1'000 Menschen als Angehörige von Menschen mit diesem Schutzstatus einreisen. Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und liberaler FDP sah eigentlich vor, dass der Familiennachzug auch zu Menschen aus dieser Gruppe wieder unbegrenzt möglich werden soll. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben aber nicht.

Welche Abstimmungen hat es vorher gegeben?

Am Mittwoch war ein Antrag der Union zu umfassenden Zurückweisungen an der Grenze im Bundestag beschlossen worden, weil die in Teilen rechtsextreme AfD sowie zahlreiche Abgeordnete der FDP und einige Fraktionslose zugestimmt hatten.

German opposition leader and Christian Union parties floor leader Friedrich Merz speaks at a debate about migration at the German parliament Bundestag in Berlin, Germany, Wednesday, Jan. 29, 2025. (AP ...
Friedrich Merz wurde scharf kritisiert.Bild: keystone

Politiker und Politikerinnen von Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Linke kritisierten Unionsfraktionschef Merz dafür scharf und sprachen von einem Tabubruch.

Anders als der am Mittwoch angenommene 5-Punkte-Plan hat der jetzt zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf rechtliche Konsequenzen. Die Bundesregierung müsste die darin vorgeschlagenen Änderungen umsetzen, falls er denn beschlossen werden sollte.

Wie läuft die Abstimmung ab?

Im Bundestag wird über das «Zustrombegrenzungsgesetz» namentlich abgestimmt. Bei diesem Verfahren wirft jeder Abgeordnete seine Stimmkarte ein – am Ende wird veröffentlicht, wie jeder Einzelne abgestimmt hat. Notwendig ist eine einfache Mehrheit, also mehr Ja- als Nein-Stimmen. Die Christdemokraten haben zusammen mit der AfD, dem linkspopulistischen BSW und der FDP eine Mehrheit im Bundestag.

Wie geht es weiter, falls der Bundestag zustimmt?

Dem Gesetzentwurf müsste auch der Bundesrat zustimmen. Da bislang keine Bemühungen zu erkennen sind, die Länderkammer um Fristverkürzung zu bitten, würde der Bundesrat erst im März – nach der für den 23. Februar geplanten Bundestagswahl – entscheiden. Ob es für das Vorhaben im Bundesrat eine Mehrheit geben wird, ist allerdings fraglich.

Sollte das Gesetz von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden, will die SPD möglicherweise vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Die von der Union angestrebten Verschärfungen der Migrationsregeln müssten in Teilen «absolut verfassungsrechtlich geprüft werden», sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch der Deutschen Presse-Agentur. «Insofern halten wir uns diesen Weg auf alle Fälle offen.»

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Die von der Union angestrebten Verschärfungen der Migrationsregeln müssten geprüft werden, sagte SPD-Generalsekretär Matthias MierschBild: keystone

Was sagen die Parteien vor der Abstimmung?

Bundeskanzler Olaf Scholz warf Merz vor, man könne ihm bei der Frage einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD nicht mehr trauen. Merz habe mit Blick auf den Unionsgesetzentwurf gesagt, ihm sei egal, wer zustimme, sagte Scholz dem Sender RTL.

«Das ist eine Politik, die nicht auf Konsens und Kooperation ausgerichtet ist, sondern die genau das will, nämlich die Zustimmung der AfD», sagte Scholz.

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz appellierte erneut an die SPD. «Ich gebe bis zum Schluss die Hoffnung nicht auf, dass die Sozialdemokraten die Kraft finden, dem Vorschlag von uns zuzustimmen», sagte er bei einem Wahlkampfauftritt in Dresden.

Der SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese erteilte Merz eine klare Absage. Die Union habe ernsthafte und konstruktive Gespräche zur inneren Sicherheit und zu Migrationsfragen immer wieder abgelehnt, sagte er der «Rheinischen Post». «Jetzt uns kurzerhand diesen unausgegorenen Gesetzentwurf präsentieren in Friss-oder-stirb-Manier? Da gehen wir ganz sicher nicht mit.»

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CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte das Vorgehen der Union.Bild: keystone

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warnte die Union eindringlich davor, erneut mit der AfD abzustimmen. «Mittwoch war der Tabubruch. Freitag wäre die Wiederholungstat», sagte sie der «Süddeutschen Zeitung».

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte das Vorgehen der Union. «Wir stimmen nicht gemeinsam mit AfD. Mir ist völlig egal, was sie machen», sagte Linnemann in der ZDF-Talkshow «Maybrit Illner». Wenn man aus Angst, «dass irgendjemand zustimmen könnte», nicht nach seiner Überzeugung handele, so Linnemann, «dann ist das kein Parlament mehr, kein demokratisches Parlament». (sda/dpa)

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43 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Zwilch
31.01.2025 08:44registriert August 2023
Es kann nicht sein, dass über vernünftige Vorschläge nicht mehr abgestimmt werden kann, nur weil demokratisch gewählte Parteien, die einem nicht in den Kram passen, zustimmen.
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SBRUN
31.01.2025 08:55registriert September 2019
Es ist langsam irr, wenn bei einer Vorlage, die man grundsätzlich als richtig betrachtet, die Falschen ja stimmen, die Vorlage dadurch falsch wird. Entweder verbietet man jetzt die AFD und entmündigt gut 20% der Wähler oder man hört mit dem Theater auf. Auch die beiden Fernsehanstalten ARD und ZDF haben den Pfad der unabängigen Berichterstattung längstens verlassen. Langsam läuft Deutschland in beängstigender Weise komplett aus dem Ruder.
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Tand
31.01.2025 08:40registriert März 2021
Der Eklat war vor Jahren, jetzt kommt die Korrektur und die Jahre des Erduldens.
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