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AfD-Eklat: Der Tabubruch von Friedrich Merz mischt die Politik auf

epa11861149 Protesters gather during a rally in front of the Christian Democratic Union (CDU) party's headquarters in Berlin, Germany, 29 January 2025. A motion of the Christian Democratic Union  ...
Vor der CDU-Parteizentrale demonstrierten am Mittwochabend mehrere hundert Menschen gegen das Votum im Bundestag.Bild: keystone
Analyse

Wie der Tabubruch von Friedrich Merz die deutsche Politik aufmischt

Erstmals wurde im Deutschen Bundestag ein Antrag mit Unterstützung der AfD durchgebracht. Was sind die Folgen für die Wahlen und die künftige Regierung?
30.01.2025, 15:0330.01.2025, 15:35
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In der deutschen Politik gab es schon immer einen Hang zur Übertreibung. Besonders in einem Fall ging das bekanntlich ganz übel aus. Was sich aber am Mittwoch im Bundestag abspielte, kann tatsächlich als Tabubruch bezeichnet werden. Erstmals konnte ein Antrag nur verabschiedet werden, weil ihm die Abgeordneten der AfD zugestimmt hatten.

Es ging um den Fünf-Punkte-Plan von CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz für eine Verschärfung der Asylpolitik. In den Reihen der AfD brach Jubel aus. Endlich schien die Brandmauer gegenüber der in Teilen rechtsextremen Partei gefallen zu sein. Während Merz von linksgrüner Seite vorgeworfen wurde, er habe quasi das Tor zur Hölle geöffnet.

epa11860921 Alternative for Germany (AfD) party Members of Parliament (R) around Alternative for Germany (AfD) party and faction co-chairwoman Alice Weidel (C-R) and Alternative for Germany (AfD) part ...
Freude bei der AfD nach der gewonnenen Abstimmung.Bild: keystone

«So darf Merz nicht weitermachen», schrieb der linksliberale «Spiegel». Umgekehrt tönte es von der «Bild», die sich als Stimme des gesunden Volksempfindens sieht: «Diese Klarheit ist Gold für die Demokratie», meinte die Chefredaktorin. Endlich wisse man, wer wo stehe. Sie bedauerte einzig, dass die Abstimmung am gleichen Tag wie eine Holocaust-Gedenkstunde stattfand.

Unverbindliche Aufforderung

Denn die AfD ist keine normale Partei. In ihren Reihen tummeln sich Exponenten, die einen dicken Schlussstrich unter die Nazi-Vergangenheit ziehen und das Holocaust-Mahnmal in Berlin wohl am liebsten plattmachen wollen. Selbst die in der Schweiz gerne verharmloste Co-Chefin Alice Weidel fiel zuletzt mit einem inakzeptablen Hitler-Vergleich auf.

Was aber bedeutet der Entscheid vom Mittwoch konkret?

Erst einmal gar nichts. Es handelt sich um eine unverbindliche Aufforderung an die Regierung, ähnlich einem Postulat in der Schweizer Politik. Der Antrag hat keine konkreten Folgen, und der Bundestag ist nur noch pro forma aktiv. Nach den Wahlen in etwas mehr als drei Wochen werden die Karten neu gemischt. Trotzdem sind Konsequenzen absehbar.

Die Wahlen

Friedrich Merz bemühte sich in den «Tagesthemen» um Schadensbegrenzung. Man habe vor der Abstimmung nicht mit der AfD gesprochen: «Es gibt keine Zusammenarbeit zwischen Union und AfD. Und da können jetzt AfD-Leute triumphieren, wie sie wollen.» Der CDU-Chef erneuerte sein Gesprächsangebot an SPD, Grüne und FDP.

Es geht um einen weiteren Antrag zur «Zustrombegrenzung», über den am Freitag abgestimmt werden soll. Er ist als konkreter Gesetzesentwurf formuliert, etwa wie eine parlamentarische Initiative in der Schweiz. Braucht Merz erneut die AfD, wäre die Signalwirkung weit stärker, selbst wenn das Gesetz vor den Wahlen kaum in Kraft treten würde.

Die Gefahr besteht ohnehin, dass bei der Bundestagswahl vor allem die AfD profitieren wird. Sie kann ihren «Triumph» ausschlachten, ein Ergebnis von deutlich über 20 Prozent wird wahrscheinlich. Eine Regierungsbildung könnte schwierig werden, vor allem weil unklar ist, ob FDP, Linke und BSW den Einzug in den Bundestag schaffen werden.

Die Koalitionen

Je nach Abschneiden dieser drei Parteien könnte eine Regierungsbildung enorm schwierig werden, vor allem wenn die AfD ein starkes Ergebnis erzielt. Eine Koalition mit den Rechtsradikalen hat Friedrich Merz kategorisch ausgeschlossen. Nicht aus Überzeugung: Selbst eine von der AfD gestützte Minderheitsregierung würde die CDU zerreissen, bis zum totalen Bruch.

Wahrscheinlich ist deshalb eine schwarz-rote oder schwarz-grüne Regierung. Wobei letztere schwierig wird. Die Grünen gelten beim Thema Migration als «unbelehrbar». Kürzlich sorgte Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt im ARD-Talk «Hart aber Fair» mit der Aussage für Aufruhr, Migration habe «mit dem Alltag der Menschen verdammt wenig zu tun».

Nach dem Messerangriff im bayerischen Aschaffenburg wirkt dies abgehoben. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bezeichnete Göring-Eckardts Aussage gegenüber «Bild» als «Beleg für Realitätsferne». Es sind schlechte Aussichten für eine mögliche Koalition, obwohl die Grünen für die Union etwa in der Wirtschafts- und Sozialpolitik durchaus ein Partner sein könnten.

CSU-Chef Markus Söder schliesst eine schwarz-grüne Regierung seit Monaten kategorisch aus. Es dürfte auf die nicht mehr so grosse Koalition von Union und SPD hinauslaufen (das Abschneiden der kleineren Parteien vorbehalten). Es ist absehbar, dass man sich trotz der heftigen Dissonanzen während und nach der Debatte vom Mittwoch zusammenraufen wird.

Zwar sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwochabend bei «Maischberger», er könne Friedrich Merz «nicht mehr trauen». Nach der praktisch sicheren Niederlage der SPD wird er als abgehalfterter Ex-Kanzler in einer neuen Regierung jedoch keine Rolle mehr spielen. Sicher aber ist: Der Tabubruch vom Mittwoch wird die deutsche Politik verändern.

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247 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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uhl
30.01.2025 15:29registriert Februar 2019
Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis die deutsche Politik endlich begreift, dass Problemlösung durch Ignorieren die Probleme nicht löst, sondern sie verschlimmert und die Wählerinnen und Wähler in die Arme der Polparteien treibt. Es scheint, als müsste ich tatsächlich noch weiter warten.
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marco_pollo
30.01.2025 15:38registriert Januar 2025
Seit Jahren traut sich keine der etablierten Parteien, das Thema Migration auch nur anzusprechen. Dabei liegt genau dieses Thema den Europäern auf dem Magen. Nur die Rechtspopulisten wollen in dieser Sache härter durchgreifen. Genau deshalb werden sie (leider) gewählt.
Würden die vernünftigen Parteien das endlich einsehen und in der Migrationspolitik entsprechend handeln, wäre die Wählerabwanderung zu den Rechten sicher massiv kleiner.
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naturwald
30.01.2025 15:29registriert Oktober 2023
Wenn ein Politiker endlich mal auf eine der grössten Sorgen der Menschen die ihn gewählt haben reagiert, dann würde ich persönlich ein anderes Wort als "Tabubruch" verwenden. Dazu brauchts schon mal etwas Mut mit Rückgrat, und die Schlechtmacherei der Links-Grünen muss man auch ertragen. Andere Länder in Europa haben vor ihm schon ähnliches gemacht, unter ihnen auch die sozialdemokratische Regierung in Dänemark. Dieser "Tabubruch" mit links-grünen Dogmen wird immer mehr zur Normalität.
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