Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Diskussion über eine europäische Friedenstruppe erneut als «völlig verfrüht» zurückgewiesen. «Ich bin sogar ein wenig irritiert über diese Debatten, das will ich ganz offen sagen», sagte Scholz nach dem Ukraine-Gipfel in Paris. Hier werde über die Köpfe der Ukrainer hinweg über mögliche Ergebnisse von Friedensgesprächen diskutiert, die noch nicht stattgefunden haben. «Das ist höchst unangemessen, um es ganz offen und ehrlich zu sagen.»
Es sei eine «unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema», sagte Scholz. «Wir sind noch nicht beim Frieden, sondern mitten in einem brutal von Russland vorgetragenen Krieg, der ohne Rücksicht weiter vorangetrieben wird.»
Kurz vor dem Treffen einiger europäischer Staats- und Regierungschefs in Paris war der britische Premierminister Keir Starmer vorgeprescht und hatte sich «bereit und willens» gezeigt, notfalls Soldaten in die von Russland angegriffene Ukraine zu entsenden. In einem Gastbeitrag für den «Telegraph» schrieb er, Grossbritannien könne bei der Arbeit an Sicherheitsgarantien für die Ukraine eine «führende Rolle» übernehmen. Der französische Präsident Emmanuel Macron treibt das Thema einer europäischen Friedenstruppe schon länger voran. Frankreichs Aussenminister Jean-Noël Barrot berichtete vor dem Gipfel nun von sehr konkreten Gesprächen «auf verschiedenen Ebenen» dazu.
Scholz betonte, dass er grundsätzlich gegen die Entsendung einer Friedenstruppe ohne Beteiligung der USA sei. «Es darf keine Aufteilung der Sicherheit und der Verantwortlichkeit geben zwischen Europa und den USA», sagte er. Die Nato beruhe darauf, immer gemeinsam zu handeln und das Risiko zu teilen. «Das darf nicht infrage gestellt werden.»
Scholz hat einige Punkte genannt, die aus seiner Sicht bei möglichen Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine nicht zur Debatte stehen dürfen: «Für uns ist klar: Das Land muss seinen Weg weitergehen können in die Europäische Union, es muss seine Demokratie und seine Souveränität verteidigen können und es muss in der Lage sein, eine eigene starke Armee zu unterhalten, dafür werden dann auch wir gebraucht zusammen mit unseren amerikanischen und internationalen Freunden und Partnern, damit das in Friedenszeiten auch tatsächlich gelingen kann.» Scholz fügte hinzu: «Diese Dinge stehen nicht zur Verhandlung an.»
Bei den informellen Beratungen in Paris ging es vor dem Hintergrund des drastischen Kurswechsels in der Ukraine-Politik der neuen US-Regierung von Donald Trump um die Unterstützung der Ukraine und wie Europa seine eigene Sicherheit langfristig stärken kann. Die Gespräche seien notwendig und richtig gewesen, sagte Scholz. Auf X schrieb er im Anschluss: «Die Situation für Europa ist schwierig.»
Der britische Premierminister Keir Starmer dringt auf eine Sicherheitsgarantie der USA für die Ukraine im Fall eines Friedensabkommens mit Angreifer Russland. «Europa muss seine Rolle spielen, und ich bin bereit, die Entsendung britischer Bodentruppen an der Seite anderer in Betracht zu ziehen, wenn es ein dauerhaftes Friedensabkommen geben», sagte Starmer am Abend in Paris. «Aber es muss eine US-Absicherung geben, denn nur eine US-Sicherheitsgarantie kann Russland wirksam von einem weiteren Angriff auf die Ukraine abhalten.»
«Wir müssen jetzt die neue Ära anerkennen, in der wir uns befinden. Wir dürfen uns nicht hoffnungslos an die Bequemlichkeiten der Vergangenheit klammern», mahnte Starmer. «Es ist an der Zeit, dass wir die Verantwortung für unsere Sicherheit, für unseren Kontinent übernehmen.» Grossbritannien werde dabei eine führende Rolle übernehmen - denn die Ukraine, Europa und Grossbritannien müssten eine sichere Zukunft haben. «Und demokratische Werte müssen sich durchsetzen», fügte Starmer hinzu.
Der Regierungschef will kommende Woche US-Präsident Donald Trump in Washington treffen. Nach seiner Rückkehr soll es ein weiteres Treffen der Europäer geben, kündigte er an. (hkl/sda/dpa)
Im Kanzlerrating siehts düster aus für Scholz.