Friedrich Merz ist – anders als geplant – noch nicht neuer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Im ersten Wahlgang fehlten ihm sechs Stimmen für die erforderliche Mehrheit.
Doch noch kann Merz sein grosses Ziel der Kanzlerschaft erreichen. Schliesslich können weitere Wahlgänge stattfinden. Allerdings würde sein politisches Ansehen mit jeder weiteren Niederlage Schaden nehmen. Was also könnte passieren, sollte Merz in weiteren Wahlgängen scheitern?
Klar ist: Es wird auf jeden Fall einen zweiten Wahlgang geben. Bereits kurz nach der Niederlage verhandelten die Fraktionen über einen neuen Termin. Der neue Unions-Fraktionschef Jens Spahn betonte: «Wir wussten, dass diese Situation eintreten kann, entsprechend sind wir auch vorbereitet.» Auch der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte, man wolle schnell einen zweiten Wahlgang – und dort erfolgreich sein. Nun findet der zweite Wahlgang ab 15.15 Uhr statt.
Theoretisch gesehen könnte Merz im zweiten Wahlgang auch Konkurrenz erhalten. Ein weiterer Kandidat bräuchte aber Unterschriften von 25 Prozent der Mitglieder des Bundestags. Damit ist für die AfD ausgeschlossen, dass sie den Schritt geht: Ihr fehlen zu den 25 Prozent sechs Abgeordnete. Und es gilt als ausgeschlossen, dass eine andere Partei einen Kandidaten aufstellt.
Wahrscheinlicher ist es, dass Union und SPD in der Zwischenzeit noch einmal intensiv mit ihren Abgeordneten sprechen und mindestens sechs der 18 Abweichler überzeugen können, nun für Merz zu stimmen.
In diesem Fall würde Merz regulär zum Kanzler gewählt werden. Seine Amtszeit stünde zwar unter schlechten Vorzeichen, allerdings hätte das keine direkten Auswirkungen auf den Beginn seiner Kanzlerschaft. Merz würde nach der Wahl vom Bundespräsidenten ernannt und könnte anschliessend den Eid im Bundestag leisten. Auch sein Kabinett könnte er im Anschluss ernennen. Die schwarz-rote Koalition würde weiter bestehen, der Koalitionsvertrag würde gelten.
Allerdings ist es auch möglich, dass Merz im zweiten Wahlgang erneut scheitert. Schliesslich handelt es sich um eine geheime Wahl – weder ist bekannt, wer im ersten Wahlgang nicht für Merz gestimmt hat, noch können sich die Fraktionsspitzen sicher sein, dass alle Abgeordneten im zweiten Wahlgang für Merz stimmen.
In dem Fall könnte Merz einen dritten Wahlgang anstreben. Im Grundgesetzartikel 63, der die Regeln für die Kanzlerwahl enthält, ist festgehalten: «Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen 14 Tagen nach dem Wahlgang mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.»
Dieser Vorgang kann in diesem Zeitraum beliebig oft wiederholt werden. Bei jedem weiteren gescheiterten Wahlgang könnte es also einen neuen Versuch geben. Allerdings würde jede weitere Niederlage einen weiteren Rückschlag für Merz als Kanzler bedeuten.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Merz nach einer weiteren Niederlage aufgibt – und angesichts fehlender Aussicht auf eine Mehrheit nicht erneut bei der Kanzlerwahl antritt. Es ist unwahrscheinlich, dass er es nach mehreren gescheiterten Versuchen weiter probiert. Für den Fall gibt es klare Regeln: Deutschland hätte eine geschäftsführende Regierung – und zwar die von Olaf Scholz.
Union und SPD hätten zudem weiterhin eine Mehrheit und könnten theoretisch auch einen anderen Kanzlerkandidaten aufstellen. Auch für ihn sind in der 14-Tage-Frist mehrere Wahlgänge möglich. Es ist allerdings fraglich, ob sich beide Parteien in der Kürze der Zeit auf einen alternativen Kandidaten einigen könnten.
14 Tage nach der ersten gescheiterten Wahl müsste es auf jeden Fall zu einem weiteren Wahlgang kommen – bei dem eine einfache Mehrheit ausreicht. Diese dürfte Merz zwar auf jeden Fall erreichen – ist er bis dahin allerdings nicht mehr im Rennen, so muss der Wahlsieger nicht unbedingt als Bundeskanzler vereidigt werden.
Wird nur die einfache Mehrheit erreicht, kann der Bundespräsident den Bundestag auch auflösen. Im Anschluss gäbe es Neuwahlen. Diese hätten allerdings schwer absehbare Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag. Seit der Wahl sind die Umfragewerte der Union deutlich gesunken, eine erneute Mehrheit mit der SPD ist daher unwahrscheinlich – zumal die Zusammenarbeit nach der gescheiterten Kanzlerwahl ohnehin unter schlechten Vorzeichen stünde.
In dem Fall gäbe es wohl äusserst schwierige und auch lange Verhandlungen, die Deutschland in eine komplizierte Zeit der Unsicherheit bringen würden.
Verwendete Quellen:
Die Rechtspopulisten erstarken weiter, weil die Altparteien nicht wissen, wie kindisch sie sich anstellen müssen!